Ortsbeiräte sind Vermittler zwischen den unterschiedlichen Ebenen der Kommunalpolitik
Vier Ortsvorsteher berichten über die Herausforderungen ihrer Mandate
Die
Ortsbeiräte sind ein aktives Bindeglied zwischen der Bürgerschaft und dem
Rathaus. In Frankfurt gibt es 16 dieser Stadtteilparlamente. Ihr Gebiet – auch
Ortsbezirk genannt – umfasst meist mehrere benachbarte Stadtteile. Die Gremien
bestehen je nach Einwohnerzahl aus neun oder – bei mehr als 8000 Einwohnerinnen
und Einwohnern – 19 Mitgliedern. Aus ihrer Mitte wählen sie eine
Ortsvorsteherin oder einen Ortsvorsteher. Über die Zusammensetzung der Gremien
entscheidet die jeweilige Stadtteilbevölkerung bei den Kommunalwahlen.
Die Parlamente können beispielsweise bei Verkehrsberuhigung, Grünpolitik und
bei der Benennung von Straßen, Plätzen, Siedlungen und anderen kommunalen
Einrichtungen dem Magistrat direkt Handlungsaufträge erteilen. Bei allen
wichtigen Angelegenheiten des Stadtteils – insbesondere bei der Aufstellung des
Haushaltsplanes – ist der Ortsbeirat zu hören. Er hat, wenn es um seinen
Ortsbezirk geht, auch ein Vorschlagsrecht und richtet Fragen an den Magistrat.
Für Verschönerungs-, Gestaltungs- und Instandsetzungsvorhaben sowie Zuschüsse
an ortsansässige Vereine steht den Gremien in Frankfurt ein jährliches Budget
zur Verfügung. Es beträgt 0,50 Euro pro Einwohnerin oder Einwohner.
Die Beschlüsse des Ortsbeirates sind für Magistrat und
Stadtverordnetenversammlung grundsätzlich nicht bindend, eine Ausnahme besteht
aber zum Beispiel bei der Benennung von Straßen. Die Ortsbeiratsbeschlüsse
spielen jedoch bei den Beratungen der städtischen Gremien eine wichtige Rolle.
Die Kommunalwahl im März führte dazu, dass verschiedene neue Ortsvorsteherinnen
und -vorsteher ins Amt kamen, aber auch „alte Hasen“ weitermachen konnten. Vier
davon hat die städtische Presseabteilung zu ihrer Tätigkeit befragt.
Der
Jüngste: Johannes Lauterwald (Ortsbezirk 7: Hausen, Industriehof, Praunheim,
Rödelheim, Westhausen)
Der 24-jährige Student der Geschichte ist der jüngste Ortsvorsteher Frankfurts.
Dem Ortsbeirat 7 gehört er seit der Kommunalwahl 2016 als Mitglied der Fraktion
der Grünen an. Seit September 2021 ist er auch Stadtverordneter.
Lauterwald nimmt sein junges Alter als „große Verantwortung“ wahr. So stehe er stellvertretend für eine „hoch politisierte Generation“ und möchte seinen Teil dazu beitragen, dass junge Menschen ihre Interessen vertreten und in die Politik tragen. Eine Perspektive, die ihm noch zu sehr fehle. Dabei praktiziert er einen ganzheitlichen Ansatz: „Dennoch verstehe ich meine Rolle auch als Ansprechpartner und Vermittler zwischen den Generationen, denn nur zusammen können wir die großen Aufgaben der Zukunft bewältigen“, sagt Lauterwald.
Er wohnt seit 2003 in Rödelheim und fühlt sich dem Stadtteil „tief verbunden.“
„Da ist zum einen das eventuell neu entstehende Quartier an der A5 und die
Frage, wie wir es schaffen, ihn klimagerecht zu entwickeln, aber auch der
dringend benötigte bezahlbare Wohnraum entsteht“, beschreibt er eine der
dringenden Herausforderungen im Ortsbezirk. Den immer dichter werdenden Verkehr
ist ein weiterer Schwerpunkt seiner Arbeit. Projekte wie der Bildungscampus an
der Gaugrafenstraße oder der neue Busbetriebshof an der Lorscher Straße führten
zu weiteren Belastungen für die Anwohnerinnen und Anwohner. Lauterwald fordert
daher, auch mehr gewerblichen Verkehr auf die Schiene zu verlagern. „Und nicht
zuletzt ist es der immer lauter werdende Hilferuf vieler Eltern, die einen
Betreuungsplatz für ihre Kinder suchen“, fasst er ein weiteres dringendes Thema
zusammen.
Die Lage an der Nidda, das viele Grün, die kulturelle Vielfalt und das soziale
Miteinander machen für Lauterwald seinen Ortsbezirk liebens- und lebenswert, in
den viele junge Familien und Studierende ziehen. „Während der Corona-Pandemie
haben etwa in der Radilostraße viel mehr Geschäfte einen
Außengastronomiebereich eröffnet. Dies belebt und schafft mehr Lebensqualität“,
beschreibt er eine weitere Veränderung. Das führe zu einem stärkeren Bedürfnis,
Strecken im Ortsbezirk per Fahrrad, zu Fuß oder mit dem ÖPNV zurückzulegen.
Ebenfalls neu im Amt:
Katja Klenner (Ortsbezirk 8, Heddernheim, Niederursel, Nordweststadt)
Die 52-jährige Verlagskauffrau hat das Amt nach der Kommunalwahl von ihrem
Vorgänger Klaus Nattrodt übernommen. Die Mutter von drei Söhnen ist über die
Stadtteilarbeit in die Politik gekommen, wohnt in Heddernheim und gehört seit
2016 für die CDU dem Gremium an.
Auch für Klenner ist der geplante neue Stadtteil an der A5 ein Thema. „Er würde viel zu viel Grün am Stadtrand vernichten, welches wir dringend für kühle Luft, Retensionsflächen und gute Landwirtschaft brauchen“, sagt sie mit Blick auf die städtischen Klimaziele. „Zugleich müssen trotzdem bezahlbare Wohnungen und Eigenheime gebaut werden, damit unsere Stadtteile auch für Zuzug attraktiv bleiben“, fügt Klenner hinzu und verweist auf die aktuellen Bauvorhaben in der Römerstadt und an der Sandelmühle. Ein anderes wichtiges Thema ist für sie die Infrastruktur im Ortsbezirk. „Straßen, Radwege, Fußgängerbrücken, Spielplätze sind zum Teil in schlechtem Zustand“, sagt sie und verweist zudem auf das Schwimmbad der Ernst-Reuter-Schule, welches zur Sanierung ansteht. „Das geht alles viel zu langsam“, sagt Klenner.
Die Stadtteilpolitikerin bedauert, dass seit einiger Zeit zurückgehende
Engagement der Menschen in Vereinen, Kirchen und Parteien. Eine Entwicklung,
die nicht erst mit Beginn der Corona-Pandemie eingesetzt habe. So wäre etwa
ohne den Verein „Vokus 398“ das neue Kultur- und Sozialzentrum
Tassilo-Sittmann-Haus in der Nordweststadt nicht entstanden.
Andere Herausforderungen lassen sich nur gesamtstädtisch bewältigen. „Wir
brauchen eine Lösung für die Europäische Schule, die hier bei uns nicht
weiterwachsen kann“, sagt Klenner. Aktuell prüft die Stadt verschiedene
Standorte in anderen Ortsbezirken. Es ist das Zusammenspiel der verschiedenen
Akteure, was sie an ihrer Arbeit reizt. „Der Ortsbeirat ist ein wichtiger
Ansprechpartner für die kleinen Sachfragen im Stadtteil, er hat das Ohr direkt
am Bürger und verknüpft die Themen direkt mit der Verwaltung und der Stadtverordnetenversammlung.
Im besten Fall kommt etwas dabei heraus, von dem alle etwas haben“, beschreibt
sie ihren Anspruch.
Dabei hilft auch die Lebenserfahrung als dreifache Mutter. „Als solche kenne
ich täglich die Aufgabe, Entscheidungen zu treffen und
lösungsorientiert Kompromisse zu erzielen“, sagt sie. Und fügt hinzu:
„Wenn wir nur problemorientiert arbeiten und die Themen aussitzen, kommen wir
nicht zu Ergebnissen, die von den Menschen zu Recht erwartet werden.“
Ähnlich wie ihr Kollege Lauterwald schätzt sie das viele Grün und die durch den
Ortsbezirk fließende Nidda.
Der
„alte Hase“: Werner Skrypalle (Ortsbezirk 11, Fechenheim, Riederwald, Seckbach)
Werner Skrypalle ist seit 2011 Vorsteher im Ortsbezirk 11 (Fechenheim,
Riederwald, Seckbach), zuletzt wiedergewählt im Sommer 2021 . Der 73-jährige
Seckbacher gehört seit 2001 für die SPD dem Ortsbeirat an. Er ist Rentner und
hat zuletzt als Ingenieur für Feinwerktechnik gearbeitet.
Auch ihn beschäftigt das Baugeschehen, wenn auch in anderer Gestalt. „Die kritische Begleitung der Arbeiten zum Riederwaldtunnel sowie der Grundsanierung der Wilhelmshöher Straße“ beschreibt er als eine der Herausforderungen seiner Arbeit. Ähnlich wie andere Kolleginnen und Kollegen bereitet Skrypalle das steigende Verkehrsaufkommen mit zusätzlichen Lärm- und Schadstoffbelastungen Sorgen.
Kritisch nimmt er ebenfalls den wirtschaftlichen Strukturwandel wahr. „Die
Nahversorgung verschlechtert sich in einem schleichenden Prozess. Die kleinen
Einzelhandelsgeschäfte geben auf“, beschreibt er diesen Prozess. So sind etwa
in Seckbach am Atzelbergplatz Apotheke, Sparkasse und Supermarkt verschwunden.
Ein Prozess, der auch in anderen Stadtteilen zu beklagen ist. Gleiches gilt für
illegale Müllablagerungen, die das Straßenbild verschandeln und andere
behindern oder gefährden können.
Auch bei ihm ist es das Grün, was er an seinem Ortsbezirk schätzt. Jeder der
drei Stadtteile verfügt über große Grüngebiete. Die „teilwiese dörflichen
Strukturen“ in diesen und die in weiten Teilen gute ÖPNV-Anbindung machen für
Skrypalle die Lebensqualität in seinem Ortsbezirk aus.
Der „alte Hase“ – wie ihn einmal eine Zeitung tituliert hat – schätzt wie
andere Mitstreiterinnen und Mitstreiter den kollegialen Stil im Ortsbeirat.
„Die Diskussionen werden in letzter Zeit aber intensiver geführt“, merkt er
allerdings an. Inhaltlich hat sich für ihn die Stadtteilpolitik nicht
gravierend verändert. Skrypalle sagt hierzu: „Wir schlagen uns heute noch mit
den gleichen Problemen herum wie vor 20 Jahren.“ Die Rolle der Verantwortlichen
im Römer sieht er kritisch. „Unsere Forderungen und Anregungen werden durch die
Stadtpolitik sehr oft übergangen“, fasst Skrypalle zusammen.
„Die Entwicklung muss
immer im Gesamtkontext gedacht werden“: Alexandra Weizel (Ortsbezirk 16,
Bergen-Enkheim)
Alexandra Weizel gehört dem Stadtteilparlament seit 2011 für die Liste „Wir
Bergen-Enkheimer“ an, zuletzt als stellvertretende Ortsvorsteherin. Die
53-jährige ist von Beruf Ärztin und arbeitet als Geschäftsführerin eines
Krankenhauses. Bergen-Enkheim ist der östlichste und jüngste Ortsbezirk der
Stadt. Die vorher selbstständige Gemeinde wurde im Zuge der Gebietsreform 1977
Teil Frankfurts. Weizel wohnt in Bergen.
Auch bei ihr dominieren die Themen Bau und Verkehr. So stehen der Schelmenburgplatz und das Alte Rathaus zur Sanierung an. Eine weitere für Frankfurt typische Entwicklung kommt hinzu: „Zu uns ziehen immer mehr Menschen, die in der Stadt arbeiten – darunter auch viele junge Familien. Das bringt Herausforderungen bei der Schaffung neuen Wohnraumes und der Bewältigung der Pendlerströme mit sich“, erklärt Weizel. So entstehe etwa das neue Baugebiet „Leuchte“. Das wiederum führt zu weiteren Zuzügen. „Die Situation der Schulen und Kindergarten - und Hortplätze wird unsere Aufmerksamkeit brauchen“, unterstreicht Weizel. An der Arbeit in „ihrem“ Ortsbeirat schätzt sie die pragmatische Herangehensweise.
Auch Weizel sieht wie etwa ihre Kollegin Klenner die Auswirkungen von Verkehr
und Baugeschehen auf das Klima. Ihre Konsequenz daraus lautet: „Wir müssen
unsere Entwicklung immer im Gesamtkontext der Stadt Frankfurt und der Region
denken.“ Eine zusätzliche Herausforderung speist sich aus der Stadtrandlage und
der Tradition als ehemalige selbstständige Gemeinde: „Ein weiterer Wunsch von
mir ist es, das Kulturleben bei uns wieder zu beleben.“ Die Verbindung von
ländlichem Grün und dennoch Teil der Metropole Frankfurt zu sein macht für sie
ihren Ortsbezirk besonders lebenswert.
Als ausgebildete Ärztin hat Weizel einen besonderen Blick auf die
Corona-Pandemie. „Wenn ich die aktuelle Entwicklung – auch mit Blick auf das
Gesundheitswesen – sehe, wünsche ich mir, dass sich mich möglichst viele Menschen
umfassend mit einer Impfung schützen. Das ist für mich gesamtgesellschaftliche
Solidarität“, betont sie. Sowohl in der politischen Arbeit als auch im Beruf
habe die Pandemie dazu geführt, sich täglich mit neuen Themen auseinandersetzen
zu müssen. „Aber das bietet auch die Chance, Althergebrachtes zu
überdenken und gute neue Wege zu gehen“, sagt Weizel.
Text: Ulf Baier