Ortsbeiräte sind Vermittler

Ortsbeiräte sind Vermittler

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Ortsbeiräte sind Vermittler zwischen den unterschiedlichen Ebenen der Kommunalpolitik

Vier Ortsvorsteher berichten über die Herausforderungen ihrer Mandate

Collage der OrtsvorsteherInnen Johannes Lauterwald, Alexandra Weizel, Werner Skrypalle und Katja Klenner
Collage der OrtsvorsteherInnen Johannes Lauterwald, Alexandra Weizel, Werner Skrypalle und Katja Klenner © Stadt Frankfurt am Main / privat

Die Ortsbeiräte sind ein aktives Bindeglied zwischen der Bürgerschaft und dem Rathaus. In Frankfurt gibt es 16 dieser Stadtteilparlamente. Ihr Gebiet – auch Ortsbezirk genannt – umfasst meist mehrere benachbarte Stadtteile. Die Gremien bestehen je nach Einwohnerzahl aus neun oder – bei mehr als 8000 Einwohnerinnen und Einwohnern – 19 Mitgliedern. Aus ihrer Mitte wählen sie eine Ortsvorsteherin oder einen Ortsvorsteher. Über die Zusammensetzung der Gremien entscheidet die jeweilige Stadtteilbevölkerung bei den Kommunalwahlen.

Die Parlamente können beispielsweise bei Verkehrsberuhigung, Grünpolitik und bei der Benennung von Straßen, Plätzen, Siedlungen und anderen kommunalen Einrichtungen dem Magistrat direkt Handlungsaufträge erteilen. Bei allen wichtigen Angelegenheiten des Stadtteils – insbesondere bei der Aufstellung des Haushaltsplanes – ist der Ortsbeirat zu hören. Er hat, wenn es um seinen Ortsbezirk geht, auch ein Vorschlagsrecht und richtet Fragen an den Magistrat. Für Verschönerungs-, Gestaltungs- und Instandsetzungsvorhaben sowie Zuschüsse an ortsansässige Vereine steht den Gremien in Frankfurt ein jährliches Budget zur Verfügung. Es beträgt 0,50 Euro pro Einwohnerin oder Einwohner.

Die Beschlüsse des Ortsbeirates sind für Magistrat und Stadtverordnetenversammlung grundsätzlich nicht bindend, eine Ausnahme besteht aber zum Beispiel bei der Benennung von Straßen. Die Ortsbeiratsbeschlüsse spielen jedoch bei den Beratungen der städtischen Gremien eine wichtige Rolle.

Die Kommunalwahl im März führte dazu, dass verschiedene neue Ortsvorsteherinnen und -vorsteher ins Amt kamen, aber auch „alte Hasen“ weitermachen konnten. Vier davon hat die städtische Presseabteilung zu ihrer Tätigkeit befragt.

Der Jüngste: Johannes Lauterwald (Ortsbezirk 7: Hausen, Industriehof, Praunheim, Rödelheim, Westhausen)

Der 24-jährige Student der Geschichte ist der jüngste Ortsvorsteher Frankfurts. Dem Ortsbeirat 7 gehört er seit der Kommunalwahl 2016 als Mitglied der Fraktion der Grünen an. Seit September 2021 ist er auch Stadtverordneter.

Johannes Lauterwald, Ortsvorsteher des Ortsbezirks 7
Johannes Lauterwald, Ortsvorsteher des Ortsbezirks 7 © Stadt Frankfurt am Main

Lauterwald nimmt sein junges Alter als „große Verantwortung“ wahr. So stehe er stellvertretend für eine „hoch politisierte Generation“ und möchte seinen Teil dazu beitragen, dass junge Menschen ihre Interessen vertreten und in die Politik tragen. Eine Perspektive, die ihm noch zu sehr fehle. Dabei praktiziert er einen ganzheitlichen Ansatz: „Dennoch verstehe ich meine Rolle auch als Ansprechpartner und Vermittler zwischen den Generationen, denn nur zusammen können wir die großen Aufgaben der Zukunft bewältigen“, sagt Lauterwald.

 
Er wohnt seit 2003 in Rödelheim und fühlt sich dem Stadtteil „tief verbunden.“ „Da ist zum einen das eventuell neu entstehende Quartier an der A5 und die Frage, wie wir es schaffen, ihn klimagerecht zu entwickeln, aber auch der dringend benötigte bezahlbare Wohnraum entsteht“, beschreibt er eine der dringenden Herausforderungen im Ortsbezirk. Den immer dichter werdenden Verkehr ist ein weiterer Schwerpunkt seiner Arbeit. Projekte wie der Bildungscampus an der Gaugrafenstraße oder der neue Busbetriebshof an der Lorscher Straße führten zu weiteren Belastungen für die Anwohnerinnen und Anwohner. Lauterwald fordert daher, auch mehr gewerblichen Verkehr auf die Schiene zu verlagern. „Und nicht zuletzt ist es der immer lauter werdende Hilferuf vieler Eltern, die einen Betreuungsplatz für ihre Kinder suchen“, fasst er ein weiteres dringendes Thema zusammen.

Die Lage an der Nidda, das viele Grün, die kulturelle Vielfalt und das soziale Miteinander machen für Lauterwald seinen Ortsbezirk liebens- und lebenswert, in den viele junge Familien und Studierende ziehen. „Während der Corona-Pandemie haben etwa in der Radilostraße viel mehr Geschäfte einen Außengastronomiebereich eröffnet. Dies belebt und schafft mehr Lebensqualität“, beschreibt er eine weitere Veränderung. Das führe zu einem stärkeren Bedürfnis, Strecken im Ortsbezirk per Fahrrad, zu Fuß oder mit dem ÖPNV zurückzulegen.

Ebenfalls neu im Amt: Katja Klenner (Ortsbezirk 8, Heddernheim, Niederursel, Nordweststadt)

Die 52-jährige Verlagskauffrau hat das Amt nach der Kommunalwahl von ihrem Vorgänger Klaus Nattrodt übernommen. Die Mutter von drei Söhnen ist über die Stadtteilarbeit in die Politik gekommen, wohnt in Heddernheim und gehört seit 2016 für die CDU dem Gremium an.

Katja Klenner Ortsvorsteherin des Ortsbezirks 8
Katja Klenner Ortsvorsteherin des Ortsbezirks 8 © privat

Auch für Klenner ist der geplante neue Stadtteil an der A5 ein Thema. „Er würde viel zu viel Grün am Stadtrand vernichten, welches wir dringend für kühle Luft, Retensionsflächen und gute Landwirtschaft brauchen“, sagt sie mit Blick auf die städtischen Klimaziele. „Zugleich müssen trotzdem bezahlbare Wohnungen und Eigenheime gebaut werden, damit unsere Stadtteile auch für Zuzug attraktiv bleiben“, fügt Klenner hinzu und verweist auf die aktuellen Bauvorhaben in der Römerstadt und an der Sandelmühle. Ein anderes wichtiges Thema ist für sie die Infrastruktur im Ortsbezirk. „Straßen, Radwege, Fußgängerbrücken, Spielplätze sind zum Teil in schlechtem Zustand“, sagt sie und verweist zudem auf das Schwimmbad der Ernst-Reuter-Schule, welches zur Sanierung ansteht. „Das geht alles viel zu langsam“, sagt Klenner.


Die Stadtteilpolitikerin bedauert, dass seit einiger Zeit zurückgehende Engagement der Menschen in Vereinen, Kirchen und Parteien. Eine Entwicklung, die nicht erst mit Beginn der Corona-Pandemie eingesetzt habe. So wäre etwa ohne den Verein „Vokus 398“ das neue Kultur- und Sozialzentrum Tassilo-Sittmann-Haus in der Nordweststadt nicht entstanden. 

Andere Herausforderungen lassen sich nur gesamtstädtisch bewältigen. „Wir brauchen eine Lösung für die Europäische Schule, die hier bei uns nicht weiterwachsen kann“, sagt Klenner. Aktuell prüft die Stadt verschiedene Standorte in anderen Ortsbezirken. Es ist das Zusammenspiel der verschiedenen Akteure, was sie an ihrer Arbeit reizt. „Der Ortsbeirat ist ein wichtiger Ansprechpartner für die kleinen Sachfragen im Stadtteil, er hat das Ohr direkt am Bürger und verknüpft die Themen direkt mit der Verwaltung und der Stadtverordnetenversammlung. Im besten Fall kommt etwas dabei heraus, von dem alle etwas haben“, beschreibt sie ihren Anspruch.

Dabei hilft auch die Lebenserfahrung als dreifache Mutter. „Als solche kenne ich täglich die Aufgabe, Entscheidungen zu treffen und lösungsorientiert Kompromisse zu erzielen“, sagt sie. Und fügt hinzu: „Wenn wir nur problemorientiert arbeiten und die Themen aussitzen, kommen wir nicht zu Ergebnissen, die von den Menschen zu Recht erwartet werden.“ Ähnlich wie ihr Kollege Lauterwald schätzt sie das viele Grün und die durch den Ortsbezirk fließende Nidda.

Der „alte Hase“: Werner Skrypalle (Ortsbezirk 11, Fechenheim, Riederwald, Seckbach)

Werner Skrypalle ist seit 2011 Vorsteher im Ortsbezirk 11 (Fechenheim, Riederwald, Seckbach), zuletzt wiedergewählt im Sommer 2021 . Der 73-jährige Seckbacher gehört seit 2001 für die SPD dem Ortsbeirat an. Er ist Rentner und hat zuletzt als Ingenieur für Feinwerktechnik gearbeitet.

 

Werner Skrypalle, Ortsvorsteher des Ortsbezirks 11
Werner Skrypalle, Ortsvorsteher des Ortsbezirks 11 © privat

Auch ihn beschäftigt das Baugeschehen, wenn auch in anderer Gestalt. „Die kritische Begleitung der Arbeiten zum Riederwaldtunnel sowie der Grundsanierung der Wilhelmshöher Straße“ beschreibt er als eine der Herausforderungen seiner Arbeit. Ähnlich wie andere Kolleginnen und Kollegen bereitet Skrypalle das steigende Verkehrsaufkommen mit zusätzlichen Lärm- und Schadstoffbelastungen Sorgen.


Kritisch nimmt er ebenfalls den wirtschaftlichen Strukturwandel wahr. „Die Nahversorgung verschlechtert sich in einem schleichenden Prozess. Die kleinen Einzelhandelsgeschäfte geben auf“, beschreibt er diesen Prozess. So sind etwa in Seckbach am Atzelbergplatz Apotheke, Sparkasse und Supermarkt verschwunden. Ein Prozess, der auch in anderen Stadtteilen zu beklagen ist. Gleiches gilt für illegale Müllablagerungen, die das Straßenbild verschandeln und andere behindern oder gefährden können.
 
Auch bei ihm ist es das Grün, was er an seinem Ortsbezirk schätzt. Jeder der drei Stadtteile verfügt über große Grüngebiete. Die „teilwiese dörflichen Strukturen“ in diesen und die in weiten Teilen gute ÖPNV-Anbindung machen für Skrypalle die Lebensqualität in seinem Ortsbezirk aus.
 
Der „alte Hase“ – wie ihn einmal eine Zeitung tituliert hat – schätzt wie andere Mitstreiterinnen und Mitstreiter den kollegialen Stil im Ortsbeirat. „Die Diskussionen werden in letzter Zeit aber intensiver geführt“, merkt er allerdings an. Inhaltlich hat sich für ihn die Stadtteilpolitik nicht gravierend verändert. Skrypalle sagt hierzu: „Wir schlagen uns heute noch mit den gleichen Problemen herum wie vor 20 Jahren.“ Die Rolle der Verantwortlichen im Römer sieht er kritisch. „Unsere Forderungen und Anregungen werden durch die Stadtpolitik sehr oft übergangen“, fasst Skrypalle zusammen.

„Die Entwicklung muss immer im Gesamtkontext gedacht werden“: Alexandra Weizel (Ortsbezirk 16, Bergen-Enkheim)

Alexandra Weizel gehört dem Stadtteilparlament seit 2011 für die Liste „Wir Bergen-Enkheimer“ an, zuletzt als stellvertretende Ortsvorsteherin. Die 53-jährige ist von Beruf Ärztin und arbeitet als Geschäftsführerin eines Krankenhauses. Bergen-Enkheim ist der östlichste und jüngste Ortsbezirk der Stadt. Die vorher selbstständige Gemeinde wurde im Zuge der Gebietsreform 1977 Teil Frankfurts. Weizel wohnt in Bergen.

 

Alexandra Weizel, Ortsvorsteherin des Ortsbezirks 16
Alexandra Weizel, Ortsvorsteherin des Ortsbezirks 16 © Stadt Frankfurt am Main

Auch bei ihr dominieren die Themen Bau und Verkehr. So stehen der Schelmenburgplatz und das Alte Rathaus zur Sanierung an. Eine weitere für Frankfurt typische Entwicklung kommt hinzu: „Zu uns ziehen immer mehr Menschen, die in der Stadt arbeiten – darunter auch viele junge Familien. Das bringt Herausforderungen bei der Schaffung neuen Wohnraumes und der Bewältigung der Pendlerströme mit sich“, erklärt Weizel. So entstehe etwa das neue Baugebiet „Leuchte“.  Das wiederum führt zu weiteren Zuzügen. „Die Situation der Schulen und Kindergarten - und Hortplätze wird unsere Aufmerksamkeit brauchen“, unterstreicht Weizel. An der Arbeit in „ihrem“ Ortsbeirat schätzt sie die pragmatische Herangehensweise.


Auch Weizel sieht wie etwa ihre Kollegin Klenner die Auswirkungen von Verkehr und Baugeschehen auf das Klima. Ihre Konsequenz daraus lautet: „Wir müssen unsere Entwicklung immer im Gesamtkontext der Stadt Frankfurt und der Region denken.“ Eine zusätzliche Herausforderung speist sich aus der Stadtrandlage und der Tradition als ehemalige selbstständige Gemeinde: „Ein weiterer Wunsch von mir ist es, das Kulturleben bei uns wieder zu beleben.“ Die Verbindung von ländlichem Grün und dennoch Teil der Metropole Frankfurt zu sein macht für sie ihren Ortsbezirk besonders lebenswert.

Als ausgebildete Ärztin hat Weizel einen besonderen Blick auf die Corona-Pandemie. „Wenn ich die aktuelle Entwicklung – auch mit Blick auf das Gesundheitswesen – sehe, wünsche ich mir, dass sich mich möglichst viele Menschen umfassend mit einer Impfung schützen. Das ist für mich gesamtgesellschaftliche Solidarität“, betont sie. Sowohl in der politischen Arbeit als auch im Beruf habe die Pandemie dazu geführt, sich täglich mit neuen Themen auseinandersetzen zu müssen.  „Aber das bietet auch die Chance, Althergebrachtes zu überdenken und gute neue Wege zu gehen“, sagt Weizel.

 

Text: Ulf Baier

 

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