Was von der Pandemie bleibt: Ein Besuch im Zoo Frankfurt
Kuratorin Sabrina Linn zur Situation im Zoo Frankfurt nach den Corona-Lockerungen.
Die Menschenaffen halten viel Augenkontakt mit Menschen. Vor allem die Jungtiere lieben die Interaktion mit den Besuchern, insbesondere mit den Kindern. Seit dem ersten Lockdown im März 2020 war der Borgori-Wald für alle Besucher geschlossen. Für die Menschenaffen hieß das Isolation. Was sich schlimm anhört, ist für die Tiere wenig problematisch. Vor allem in der Anfangszeit durfte nur eine ausgewählte Gruppe von Tierpflegern ins Haus. Denn Menschenaffen können die allermeisten Krankheiten bekommen, die auch Menschen bedrohen. Schon ein vermeintlich „harmloser“ Grippevirus kann ein Jungtier töten. „Die Menschenaffen leben in sozialen Gruppen, also in Gesellschaft. Weder sie noch die anderen Tiere im Zoo haben unter der Pandemie gelitten“, sagt Linn.
Strenge Regeln haben sich bewährt
Dennoch: Menschenaffen können an Covid-19 erkranken, das zeigen Fälle bei Gorillas in den USA und Europa. „Es gab bisher, meines Wissens nach, keinen Todesfall. Die Verläufe waren mild mit Husten, Nasenausfluss, Heiserkeit und Fieber. Es gab in den meisten Fällen keine spezielle medizinische Behandlung der Tiere“, berichtet Linn. Frankfurts Affen blieben bisher verschont – auch dank der strengen Maßnahmen des Zoos während der vergangenen zwei Jahre. Rund 30 Menschenaffen leben im Borgori-Wald. Die Frankfurter Tiere sind für die weltweiten Zuchtprogramme von Bonobos, Gorillas und Orang-Utans von großer Bedeutung. Das ist auch der Grund, warum der Borgori-Wald nicht wie die übrigen Tierhäuser wieder voll zugänglich ist. Seit einigen Wochen können zumindest wieder kleine Gruppen mit gebuchten Führungen zu Gorilla & Co. „Wir können die Besucher leider nicht ohne Aufsicht in das Menschenaffenhaus lassen“, sagt Linn.
Kein Impfstoff für Affen geplant
Für Menschenaffen gibt
es bislang keinen in Europa zugelassenen Corona-Impfstoff. Es gebe aktuell
keine Planungen für eine derartige Entwicklung, erklärt Linn. Die Veterinäre
der Zoos weltweit setzten weiterhin auf die AHA-Regeln und darauf, dass die
Pflegerinnen und Pfleger gesund sind und bleiben. Einige Zoobesucher achteten
die Regeln jedoch nicht. Sie werfen den Affen über die Netze etwas zu essen
oder trinken zu, manchmal fliegen sogar benutzte Taschentücher – das Risiko,
dabei das Corona-Virus zu verbreiten, ist groß. „In den vergangenen zwei Jahren
haben wir zum Beispiel immer wieder Gegenstände von Besuchern in den
Außengehegen gefunden, so zum Beispiel auch angebrochene, halb ausgetrunkene
Trinkpäckchen – über den Zaun und die Netze hineingeworfen. Unsere Affen
konnten während der gesamten Pandemie in ihre Außengehege. So ein Trinkpäckchen
finden Affen natürlich spannend und probieren es aus. Eine große
Gefahrenquelle, um das Virus zu übertragen“, erklärt Linn. Zudem sei das Tragen
der Maske vor allem im Borgori-Wald essenziell, da Tiere und Menschen im Haus
die gleiche Raumluft atmen, fügt sie hinzu. Um zu gewährleisten, dass sich alle
an diese Regeln halten, brauche es Aufsichtspersonen: „Wir arbeiten an einem
Konzept, aber allein für die Aufsicht müssen wir Personal abstellen, das uns
dann an anderer Stelle fehlen wird.“
Zoologisch und
pädagogisch wertvoll
Der Natur- und Artenschutz ist weltweit die wichtigste Aufgabe von Zoologischen
Gärten. Die „Funktion“, die Menschenaffen in Zoos hierbei übernehmen, und damit
auch der Grund, warum sie gehalten werden, ist sehr vielschichtig. „Die
international organisierten Erhaltungszuchtprogramme mit dem Ziel, stabile
Populationen mit intakten Gruppen von Menschenaffen zu erhalten, die auch als
sichere Reservepopulationen dienen können, ist dabei nur eine Ebene“, erklärt
Linn.
Menschenaffen im Zoo dienen vor allem als Botschafter für ihre Artgenossen in
den natürlichen Lebensräumen. Zoobesucher werden für den drohenden Verlust
dieser faszinierenden Tiere und die Gründe hierfür sensibilisiert und
motiviert, sich umweltbewusster zu verhalten und sich für den Naturschutz zu
engagieren, sei es durch Verhaltensänderungen oder durch finanzielle
Unterstützung von Natur- und Artenschutzprojekten.
Jeder kann dazu beitragen, die knappen Lebensräume der Menschenaffen zu erhalten
Dass Palmöl und
Tropenholz etwas mit dem Schutz des Lebensraums der Menschenaffen zu tun haben,
das wissen nur wenige – im Borgori-Wald wird dieser Zusammenhang in den Fokus
gerückt und macht dem Besucher deutlich, wie jeder einzelne Mensch dazu
beitragen kann, dass die mittlerweile sehr knappen Lebensräume geschützt werden
können. „Ein wichtiger Grund, warum wir Menschenaffen in Zoos halten ist die
Umweltbildung. Ihre Botschafterfunktion können unsere Menschenaffen bei
geschlossenem Haus natürlich nur schlecht erfüllen. Deshalb möchten und müssen
wir das Haus natürlich gerne wieder so schnell wie möglich für alle öffnen“,
betont Linn.
Im Hinblick darauf, dass beispielsweise auf Sumatra, dem natürlichen
Verbreitungsgebiet der Orang-Utans, laut IUCN weniger als 14.000 Individuen
leben – etwa so viele Einwohner wie Oberrad hat – ist es umso wichtiger die
Menschen auf diesen Missstand aufmerksam zu machen und so ein Bewusstsein zu
schaffen.
Für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist die Zeit der Entbehrungen mit
festen Teams und Kontakteinschränkungen zu Kolleginnen und Kollegen nun vorbei.
Jetzt gilt es weiterhin, die Tiere zu schützen, die potenziell vom Coronavirus
gefährdet sind: „Bei Raubtieren, Primaten und Menschenaffen müssen wir diesen
Schutz aufrechterhalten“, sagt Linn. So arbeiten die Pflegerinnen und Pfleger
weiterhin mit der FFP2-Maske im feuchten 25Grad warmen Borgori-Wald.
Schutz der Tiere hatte und hat oberste Priorität
Der Frankfurter Zoo gehörte während der strengen Pandemie-Zeit zu den
vorsichtigeren Tiergärten in Deutschland und Europa. „Das ist unter anderem der
Größe des Geländes geschuldet – in weitläufigeren Arealen können
Öffnungskonzepte großzügiger realisiert werden. Die Teams haben sich
diszipliniert an das Konzept gehalten. Es war für alle physisch wie auch
psychisch eine belastende Zeit. Dies für ihre Schützlinge und für den
Arbeitgeber auf sich zu nehmen, ist und war nicht selbstverständlich. Ich finde
diesen Einsatz einfach toll. Dafür sind wir sehr dankbar“, sagt die Kuratorin,
als sie das Menschenaffenhaus verlässt.
Draußen sind Familien mit Kindern unterwegs, Pärchen spazieren durch den Zoo
und es finden wieder kommentierte Fütterungen bei den Pinguinen und Robben
statt. Die Erdmännchen freuen sich, dass das Leben in den Garten zurückgekehrt
ist – so macht das Ausschau halten gleich noch mehr Spaß. Und die nächsten
Besucher lassen auch nicht lange auf sich warten.
Alle Informationen sowie die Öffnungszeiten des Zoos finden sich auf der ZooseiteExternal Link.
Text: Pelin Abuzahra