Was von der Pandemie bleibt

Was von der Pandemie bleibt

Features

Was von der Pandemie bleibt: Ein Besuch im Zoo Frankfurt

Kuratorin Sabrina Linn zur Situation im Zoo Frankfurt nach den Corona-Lockerungen.

Bonobo Yango und Panisco, Foto: Matthias besant
Bonobo Yango und Panisco © Zoo Frankfurt, Foto: Matthias Besant
Tropisch feucht und warm ist es im Borgori-Wald, der typische Geruch des Menschenaffenhauses steigt dem Besucher aber nicht in die Nase – das verhindert die FFP2-Maske, die weiterhin im Borgori-Wald getragen werden muss. Während die Tierhäuser des Zoos seit einigen Wochen wieder alle geöffnet haben, können die Menschenaffen noch nicht wieder ohne Weiteres besucht werden. Schaut doch ein Besucher vorbei, so werden die Bonobos gleich neugierig. Als Kuratorin Sabrina Linn den Borgori-Wald betritt, schwingt sich eines der Jungtiere von Ast zu Ast und Seil zu Seil näher an die Scheibe. Linn begrüßt es. Sie ist ein bekanntes Gesicht oder vielmehr eine bekannte Stimme, denn auch ihr Gesicht ist von der Maske halb bedeckt.

Die Menschenaffen halten viel Augenkontakt mit Menschen. Vor allem die Jungtiere lieben die Interaktion mit den Besuchern, insbesondere mit den Kindern. Seit dem ersten Lockdown im März 2020 war der Borgori-Wald für alle Besucher geschlossen. Für die Menschenaffen hieß das Isolation. Was sich schlimm anhört, ist für die Tiere wenig problematisch. Vor allem in der Anfangszeit durfte nur eine ausgewählte Gruppe von Tierpflegern ins Haus. Denn Menschenaffen können die allermeisten Krankheiten bekommen, die auch Menschen bedrohen. Schon ein vermeintlich „harmloser“ Grippevirus kann ein Jungtier töten. „Die Menschenaffen leben in sozialen Gruppen, also in Gesellschaft. Weder sie noch die anderen Tiere im Zoo haben unter der Pandemie gelitten“, sagt Linn.


Strenge Regeln haben sich bewährt

Dennoch: Menschenaffen können an Covid-19 erkranken, das zeigen Fälle bei Gorillas in den USA und Europa. „Es gab bisher, meines Wissens nach, keinen Todesfall. Die Verläufe waren mild mit Husten, Nasenausfluss, Heiserkeit und Fieber. Es gab in den meisten Fällen keine spezielle medizinische Behandlung der Tiere“, berichtet Linn. Frankfurts Affen blieben bisher verschont – auch dank der strengen Maßnahmen des Zoos während der vergangenen zwei Jahre. Rund 30 Menschenaffen leben im Borgori-Wald. Die Frankfurter Tiere sind für die weltweiten Zuchtprogramme von Bonobos, Gorillas und Orang-Utans von großer Bedeutung. Das ist auch der Grund, warum der Borgori-Wald nicht wie die übrigen Tierhäuser wieder voll zugänglich ist.  Seit einigen Wochen können zumindest wieder kleine Gruppen mit gebuchten Führungen zu Gorilla & Co. „Wir können die Besucher leider nicht ohne Aufsicht in das Menschenaffenhaus lassen“, sagt Linn.

Kein Impfstoff für Affen geplant

Für Menschenaffen gibt es bislang keinen in Europa zugelassenen Corona-Impfstoff. Es gebe aktuell keine Planungen für eine derartige Entwicklung, erklärt Linn. Die Veterinäre der Zoos weltweit setzten weiterhin auf die AHA-Regeln und darauf, dass die Pflegerinnen und Pfleger gesund sind und bleiben. Einige Zoobesucher achteten die Regeln jedoch nicht. Sie werfen den Affen über die Netze etwas zu essen oder trinken zu, manchmal fliegen sogar benutzte Taschentücher – das Risiko, dabei das Corona-Virus zu verbreiten, ist groß. „In den vergangenen zwei Jahren haben wir zum Beispiel immer wieder Gegenstände von Besuchern in den Außengehegen gefunden, so zum Beispiel auch angebrochene, halb ausgetrunkene Trinkpäckchen – über den Zaun und die Netze hineingeworfen. Unsere Affen konnten während der gesamten Pandemie in ihre Außengehege. So ein Trinkpäckchen finden Affen natürlich spannend und probieren es aus. Eine große Gefahrenquelle, um das Virus zu übertragen“, erklärt Linn. Zudem sei das Tragen der Maske vor allem im Borgori-Wald essenziell, da Tiere und Menschen im Haus die gleiche Raumluft atmen, fügt sie hinzu. Um zu gewährleisten, dass sich alle an diese Regeln halten, brauche es Aufsichtspersonen: „Wir arbeiten an einem Konzept, aber allein für die Aufsicht müssen wir Personal abstellen, das uns dann an anderer Stelle fehlen wird.“

Zoologisch und pädagogisch wertvoll

Der Natur- und Artenschutz ist weltweit die wichtigste Aufgabe von Zoologischen Gärten. Die „Funktion“, die Menschenaffen in Zoos hierbei übernehmen, und damit auch der Grund, warum sie gehalten werden, ist sehr vielschichtig. „Die international organisierten Erhaltungszuchtprogramme mit dem Ziel, stabile Populationen mit intakten Gruppen von Menschenaffen zu erhalten, die auch als sichere Reservepopulationen dienen können, ist dabei nur eine Ebene“, erklärt Linn.

Menschenaffen im Zoo dienen vor allem als Botschafter für ihre Artgenossen in den natürlichen Lebensräumen. Zoobesucher werden für den drohenden Verlust dieser faszinierenden Tiere und die Gründe hierfür sensibilisiert und motiviert, sich umweltbewusster zu verhalten und sich für den Naturschutz zu engagieren, sei es durch Verhaltensänderungen oder durch finanzielle Unterstützung von Natur- und Artenschutzprojekten.

Jeder kann dazu beitragen, die knappen Lebensräume der Menschenaffen zu erhalten

Dass Palmöl und Tropenholz etwas mit dem Schutz des Lebensraums der Menschenaffen zu tun haben, das wissen nur wenige – im Borgori-Wald wird dieser Zusammenhang in den Fokus gerückt und macht dem Besucher deutlich, wie jeder einzelne Mensch dazu beitragen kann, dass die mittlerweile sehr knappen Lebensräume geschützt werden können. „Ein wichtiger Grund, warum wir Menschenaffen in Zoos halten ist die Umweltbildung. Ihre Botschafterfunktion können unsere Menschenaffen bei geschlossenem Haus natürlich nur schlecht erfüllen. Deshalb möchten und müssen wir das Haus natürlich gerne wieder so schnell wie möglich für alle öffnen“, betont Linn.

Im Hinblick darauf, dass beispielsweise auf Sumatra, dem natürlichen Verbreitungsgebiet der Orang-Utans, laut IUCN weniger als 14.000 Individuen leben – etwa so viele Einwohner wie Oberrad hat – ist es umso wichtiger die Menschen auf diesen Missstand aufmerksam zu machen und so ein Bewusstsein zu schaffen.

Für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist die Zeit der Entbehrungen mit festen Teams und Kontakteinschränkungen zu Kolleginnen und Kollegen nun vorbei. Jetzt gilt es weiterhin, die Tiere zu schützen, die potenziell vom Coronavirus gefährdet sind: „Bei Raubtieren, Primaten und Menschenaffen müssen wir diesen Schutz aufrechterhalten“, sagt Linn. So arbeiten die Pflegerinnen und Pfleger weiterhin mit der FFP2-Maske im feuchten 25Grad warmen Borgori-Wald.

 

Schutz der Tiere hatte und hat oberste Priorität


Der Frankfurter Zoo gehörte während der strengen Pandemie-Zeit zu den vorsichtigeren Tiergärten in Deutschland und Europa. „Das ist unter anderem der Größe des Geländes geschuldet – in weitläufigeren Arealen können Öffnungskonzepte großzügiger realisiert werden. Die Teams haben sich diszipliniert an das Konzept gehalten. Es war für alle physisch wie auch psychisch eine belastende Zeit. Dies für ihre Schützlinge und für den Arbeitgeber auf sich zu nehmen, ist und war nicht selbstverständlich. Ich finde diesen Einsatz einfach toll. Dafür sind wir sehr dankbar“, sagt die Kuratorin, als sie das Menschenaffenhaus verlässt.

Draußen sind Familien mit Kindern unterwegs, Pärchen spazieren durch den Zoo und es finden wieder kommentierte Fütterungen bei den Pinguinen und Robben statt. Die Erdmännchen freuen sich, dass das Leben in den Garten zurückgekehrt ist – so macht das Ausschau halten gleich noch mehr Spaß. Und die nächsten Besucher lassen auch nicht lange auf sich warten.

Alle Informationen sowie die Öffnungszeiten des Zoos finden sich auf der ZooseiteExternal Link.

Text: Pelin Abuzahra

inhalte teilen