Fünf Musketiere für die Demokratie
Wie die städtische Stabsstelle Entwicklung Paulskirche/Haus der Demokratie den Bau des Hauses der Demokratie vorbereitet
Wie kein anderes Gebäude in Frankfurt steht die Paulskirche – Schauplatz der ersten deutschen Nationalversammlung im Jahr 1848 – für die deutsche Demokratie und deren Werte. Um diese zu zelebrieren, möchte die Stadt Frankfurt das Demokratiezentrum Haus der Demokratie bauen, idealerweise unweit der Paulskirche. Ortsfindung, Konzeption, alle Vorbereitungen für dessen Bau: Das sind die Aufgaben der Stabsstelle Entwicklung Paulskirche/Haus der Demokratie.
Vor dem Roten Haus am Markt herrscht am frühen Nachmittag reges Treiben. Einige verspätete Mittagsesser verspeisen an den Hochtischen des Metzgers Bratwürste, eine Touristengruppe bewundert den Stoltze-Brunnen, eine andere die Architektur der schmalen Häuser in der neuen Altstadt. Im Roten Haus selbst dagegen ist es angenehm ruhig: Hier wird konzentriert gearbeitet. Auf drei Ebenen ist hier die städtische Stabsstelle Entwicklung Paulskirche/Haus der Demokratie zu Hause – und die hat einiges zu tun.
Auch wenn die fünf Mitarbeitenden die Paulskirche aus den Fenstern des Roten Hauses nicht sehen können, haben sie den bedeutungsvollen Bau auf dem Paulsplatz dennoch immer im Fokus. Denn wie kein anderes Gebäude in Frankfurt steht sie – Schauplatz der ersten deutschen Nationalversammlung im Jahr 1848 – für die deutsche Demokratie und deren Werte. Um diese zu zelebrieren, möchte die Stadt Frankfurt das Demokratiezentrum Haus der Demokratie bauen, idealerweise unweit der Paulskirche. Ortsfindung, Konzeption, alle Vorbereitungen für dessen Bau: Das sind die Aufgaben der Stabsstelle Entwicklung Paulskirche/Haus der Demokratie.
„Die Demokratie der Zukunft braucht Orte. Es ist keine Selbstverständlichkeit in der Welt, sich frei an einem Ort treffen und debattieren zu können, Ideen gemeinsam zu entwickeln. Eine Stadt wie Frankfurt – eine sehr internationale Stadt, eine Stadt, in der die Buchmesse für das freie Wort steht, in der 1848 in der Paulskirche das erste Mal ein gewähltes Parlament tagte und in der nach dem Zweiten Weltkrieg und nach der Shoa die Auschwitzprozesse geführt wurden – ist ein sensibler, aber gleichzeitig auch bedeutender Ort der Demokratiegeschichte und der demokratischen Zukunft. All dies möchten wir in Zukunft mit einem Haus der Demokratie unterstreichen und leben!“, sagt Oberbürgermeister Mike Josef.
Ideen gesucht: Ein Wettbewerb für das Haus der Demokratie
Den Plan, ein Haus der Demokratie zu bauen, gibt es in Frankfurt schon länger, unter vergangenen Stadtregierungen wurden verschiedene Modelle und vor allem verschiedene Bauorte besprochen. Im August 2023 erblickte dann die Stabsstelle Entwicklung Paulskirche/Haus der Demokratie das Licht der Welt. Damals waren nur Leiterin Beate Huf, die vorher als Stadtplanerin das Dezernatsbüro von Mike Josef leitete, als dieser noch Planungsdezernent war, und Christine Gemmer, zuständig für Vergabe und juristische Fragen, an Bord. Im Oktober kam dann der stellvertretende Leiter Philipp Sturm dazu, der bereits mehrere Ausstellungen zur Paulskirche mit kuratierte und „als einziger von uns im Thema drin war“, wie Huf lachend erzählt. Seit März dieses Jahres ist das Team komplett: Noémie Rinckenbach ist für die Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern, Veranstaltungen und Öffentlichkeitsarbeit zuständig, Architektin Nora Kramer bereitet die Wettbewerbe vor und kümmert sich ebenfalls um Vergabethemen.
Mit einem offenen Ideenwettbewerb kommt der Prozess rund um das Haus der Demokratie ins Rollen. Noch dieses Jahr wird die Stadt ihn ausloben. Das Besondere: Dank der Konzeptionsart des Wettbewerbs können so viele unterschiedliche Architektur-, Stadtplanungs- und Freiplanungsbüros mitmachen wie möglich. „Alle, die den in der Ausschreibung definierten Anforderungen – also zum Beispiel zur Größe des Büros oder den bereits vorhandenen Erfahrungen beim Bau in Innenstädten – gerecht werden, können am Ideenwettbewerb teilnehmen. So können wir mit 100 verschiedenen Beiträgen rechnen anstatt mit 20, die vielleicht bei einem beschränkten Wettbewerb eingereicht werden würden. Das ist ein Riesenaufwand in der Vorprüfung, hat aber den großen Vorteil, dass zum Beispiel auch junge Büros eine Chance haben. Zudem kann man so auch ein Cluster verschiedener Lösungsansätze sehen“, erläutert Stabstellenleiterin Huf. Wichtig sowohl für alle Teilnehmenden des Ideenwettbewerbs als auch für die Arbeit der Stabsstelle: Beim Haus der Demokratie geht es nicht nur um dessen Bau selbst, der in unmittelbarer Nähe der Paulskirche errichtet werden soll – wo, wird sich erst nach dem Wettbewerb entscheiden. Dabei soll das gesamte Areal rund um die Paulskirche betrachtet und beispielsweise der Parkplatz für die vielen Reisebusse verschoben werden. „Der Bau des Hauses der Demokratie ist eng mit dem Innenstadtkonzept von 2015 verknüpft“, erklärt Huf.
„Wenige Jugendliche gehen von sich aus ins Museum“
Ein Preisgericht wird im Anschluss an den Ideenwettbewerb eine Auswahl der besten Vorschläge erstellen. Diese werden 2025 in einer Ausstellung der Öffentlichkeit präsentiert. „Nach dem Preisgericht werden die Bürgerinnen und Bürger beteiligt“, erläutert Sturm. Dabei soll es aber nicht bleiben: Die Menschen in Frankfurt spielen eine entscheidende Rolle bei der Planung des Hauses der Demokratie. Der stellvertretende Leiter der Stabsstelle fährt fort: „Es soll im Anschluss daran weitere Beteiligungsformate geben. Dabei wird es dann vor allem um inhaltliche Fragen gehen. Wie können die bereits vorhandenen konzeptionellen Ideen weiter ausformuliert werden und was soll im Haus der Demokratie zu sehen und zu machen sein?“
Die Mitarbeitenden der Stabsstelle sind sich im Klaren darüber, dass nicht jeder nur darauf wartet, seine Meinung zum Haus der Demokratie abzugeben. „Da muss man realistisch bleiben“, sagt Huf. „Warum sollte man sich unbedingt für einen solches Haus in der Stadt interessieren? Für die meisten Menschen ist es wichtiger, ob vor der eigenen Tür eine Autobahn gebaut wird oder es eine geeignete Schule für ihre Kinder gibt.“ Die Herangehensweise an das Thema Beteiligung sei deshalb wichtig, fährt die Stabsstellenleiterin fort: „Wenige Jugendliche gehen von sich aus ins Museum. Aber wenn sie zum Beispiel mit der Schule hingehen, sollten sie den Tag nicht als verschwendete Lebenszeit in Erinnerung behalten, sondern etwas Positives mitnehmen: Dass Demokratie sie etwas angeht, dass sie wirksam sind und die Zukunft mitgestalten können. Deswegen fragen wir sie: ‚Was würdet ihr da gerne machen?‘ Wir müssen spezifischer vorgehen und genau auf die einzelnen Zielgruppen eingehen.“
Streitkultur neu erlernen
Aber was genau sollen die Menschen, die zu diesen Zielgruppen gehören – und alle anderen natürlich auch – im Haus der Demokratie zu sehen bekommen und was können sie dort tun? Für was ist das Demokratiezentrum gedacht? In der Vorlage M 30, die Ende März in den Magistrat eingebracht wurde, steht: „Das Ziel des Hauses der Demokratie ist die Stärkung und die weitere Profilierung des einzigartigen historischen Ortes Paulskirche. Von hier aus soll die Reflexion über Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der Demokratie ermöglicht werden, die mit der Geschichte von Nationalversammlung und 1848er-Revolution verbunden ist und zugleich aktuelle, neue Auseinandersetzungen eröffnet. […] Mit dem Haus der Demokratie soll in direkter Verbindung zur Paulskirche ein neuer Ort für Diskussion und Partizipation im Zentrum Frankfurts entstehen.“
Der Begriff „Dritter Ort“ – in der Soziologie als Synonym für einen Ort der Gemeinschaft abseits von Zuhause oder der Arbeit verwendet – taucht häufig auf, wenn die Mitarbeitenden der Stabsstelle über das Haus der Demokratie sprechen. „Es soll eine Art großes Foyer sein, wo man sich aufhalten und kommunizieren kann. Sowas wünschen sich momentan alle“, sagt Huf. Vor allem soll man dort auch die Möglichkeit haben, über aktuelle und auch schwierige Themen offen zu diskutieren. „Wir haben die Vorstellung, dass dort Räume geschaffen werden, in denen Jugendliche und auch andere Gruppen streiten und debattieren lernen können“, ergänzt Sturm und fährt fort: „Wir haben ja immer das Problem der Hate Speech in den sozialen Medien. Es ist wichtig, dass die Streitkultur verbessert und weiterentwickelt wird. Im Haus der Demokratie soll eine Auseinandersetzung im geschützten Raum möglich sein – auch zu sensiblen Themen. Hier soll man auch mal Dinge sagen können, die nicht gleich medial weitergestreut werden.“
Um sich für die Konzeption des Hauses
der Demokratie inspirieren zu lassen, waren Beate Huf und ihre Kolleginnen und
Kollegen schon an verschiedenen Orten in Deutschland und Europa unterwegs. „Wir
gucken uns ganz viele Beispiele für Demokratieorte in anderen Städten an und
waren schon in Offenburg, Rastatt, Freiburg, Leipzig und Brüssel. Dort
unterhalten wir uns mit den Menschen, die diese gestaltet haben: Wie habt ihr
das konzipiert? Wie ist das Lernen dort organisiert?“, erzählt die
Stabsstellenleiterin. Daraus könnten sie Anregungen für die Planungen in
Frankfurt ziehen. „In den anderen Städten dreht es sich um ganz
unterschiedliche Themen. Die Orte sind museal, aber auch lebendig – das streben
wir auch an. Ich fände es toll, wenn es hier etwas gäbe, das Tag und Nacht
offen hat und gleichzeitig ein sicherer, unkomplizierter Ort ist“, sagt Huf.
Arbeitsaufteilung innerhalb der Stadtverwaltung
Die Stabsstelle steht jedoch nicht nur mit anderen Städten im Austausch, sondern ist auch mit anderen Stellen innerhalb der Stadtverwaltung in engem Kontakt. Allen voran die Stabsstelle Paulskirche, die im Dezernat für Bildung, Immobilien und Neues Bauen angesiedelt ist. Drei Kolleginnen verantworten dort die Sanierung der Paulskirche selbst. Dass es zwei Stabsstellen mit der Paulskirche im Namen gibt, sorge immer wieder für Verwirrung, sagt Huf. Und auch wenn die Aufgabengebiete mit der Paulskirche und dem Haus der Demokratie klar zwischen ihnen aufgeteilt sind, gibt es auch viele Schnittstellen. „Die Paulskirche ist so ein wunderbar filigranes Nachkriegsgebäude, das nicht genügend Platz für Dinge wie Sicherheitstechnik, eine moderne Heizungsanlage, ein Stuhllager oder moderne Veranstaltungstechnik bietet. Die Sanierung der Paulskirche ist dementsprechend schwer zu durchdenken, ohne dass man genau weiß, wo und wie das Haus der Demokratie gebaut und was man dort unterbringen wird“, erklärt Huf.
Auch das Kulturdezernat ist im Themenkomplex Paulskirche und Haus der Demokratie involviert. Dort werden Veranstaltungen sowie die zugehörigen Websites betreut, vor allem arbeitet man dort an einem zentralen Punkt für die weitere Betreuung des Hauses der Demokratie: „Das Kulturdezernat ist dafür zuständig, eine Lösung für Trägerschaft und Rechtsform des Hauses der Demokratie zu finden. Es wird ein städtischer Bau, der von Bund und Land gefördert wird, also ein kommunaler Zuwendungsbau. Die Trägerschaft soll also in irgendeiner Form Stadt, Land und Bund involvieren“, verdeutlicht Stabsstellenleiterin Huf.
Die Trägerschaft ist auch für die inhaltliche Konzeption des Hauses wichtig. „Sobald Trägerschaft und Rechtsform feststehen und das Haus der Demokratie von seinem neuen Träger betreut wird, kann es mit der Bürgerbeteiligung zu konzeptionellen Fragen weitergehen“, erläutert Philipp Sturm. 2025 soll die inhaltliche Konzeption des Hauses gemeinsam mit den Bürgerinnen und Bürgern angegangen werden. Daraufhin wird dann der Realisierungswettbewerb ausgelobt, bei dem über das finale Erscheinungsbild des Hauses der Demokratie entschieden wird. Mit einem Baubeginn ist im Jahr 2028 zu rechnen – im gleichen Jahr läuft die Stabsstelle aus, die auf eine Dauer von fünf Jahren begrenzt ist. Die Frankfurterinnen und Frankfurter dürfen gespannt sein, was Beate Huf und ihr Team bis dahin geschaffen haben.
Weitere Informationen rund um die Paulskirche und die deutsche Demokratiegeschichte gibt es unter paulskirche.deExternal Link.
Text: Laura Bicker, April 2024