Ein urbanes Hundeleben
Streunen auf vier Pfoten durch Frankfurts Vielfalt
Frankfurt
auf vier Pfoten: Wer mit Hunden in der Stadt unterwegs ist, erfährt den urbanen
Raum aus ganz anderen Blickwinkeln, sammelt neue Eindrücke und Erkenntnisse.
Ein Gassigang durch die Stadt zeigt, was Vierbeiner, ihre Gefährtinnen und
Gefährten erleben können und welche hündischen Geschichten die Stadt in sich
birgt.
Frankfurter Vierbeiner sind sich einig: „Ginge es nach uns, gäbe es freie
Frankfurter Würstchen für alle!“
Nicht nur Frankfurts bekanntester Dichter Johann Wolfgang von Goethe war
bereits von Jugend an ein großer Freund von Frankfurter Würsten und
Schwartemagen, wie einigen Briefen an seine Freundin Charlotte von Stein zu
entnehmen ist. Denn auch unter Frankfurter Hunden scheint unbestritten, dass
die ursprungsgeschützten lokalen Würstchen die Lebensqualität der Stadt am Main
ungemein steigern. Aber Vierbeiner wissen auch: Frankfurt besticht besonders
durch seine Vielfalt.
So offenbart sich selbst der innerstädtische Wurstkosmos um einiges diverser,
als lediglich auf die traditionelle Brühwurst aus Schweinefleisch beschränkt zu
sein. Es lässt sich beispielsweise anhand einer geschichtsträchtigen
Rindswurst, der „Gref Völsing“, die seit 1894 in Frankfurt produziert und
mittlerweile in die ganze Welt exportiert wird, von der jüdischen Prägung der
Stadt erzählen: Der Metzgerbetrieb füllte seit Beginn des 19. Jahrhunderts mit
seiner hundertprozentig aus Rindfleisch bestehenden Wurst eine Marktlücke für die
jüdischen Bewohnerinnen und Bewohner der Stadt. Auch so manche halal
Wurstvarianten bietet die Stadt, beispielsweise in Frankfurts multikulturellem
Schmelztiegel Bahnhofsviertel.
Mopsdame Grete, Frankfurter Mädsche, Weltbürgerin und Wurstfetischistin, unterstreicht:
„Frankfurter Würstchen sind ein unanfechtbares Argument für diese Stadt und
üben weit über die Grenzen der Mainmetropole hinaus große Anziehungskraft auf
fellige Foodies aus. Aber auf gleiche Weise, wie ich mich als bekennende
Lokalpatriotin verstehe, bin ich auch durch und durch Kosmopolitin. Und meine
Stadt, mein Revier, hat weitaus mehr zu bieten, als lediglich eine Form der
Wurst.“ Vom Apfelwein lasse Grete allerdings freiwillig die Pfoten – zu
bitter und zu fruchthaltig.
Eine
Stadt der Vielfalt, nicht nur für Zweibeiner
Auch auf den Hundewiesen spiegelt sich wider: Frankfurt strotzt vor Lebendigkeit. Denn in einer Stadt, in der 178 der 197 Nationen der Welt und etwa 22.000 gemeldete Hunde mit rund 470 vertretenen Hunderassen zuhause sind, herrscht selten Eintönigkeit. Vielleicht teilt man nicht immer eine Sprache – aber unabhängig der Spezies, der Herkunft oder des Geschlechts – Frankfurterinnen und Frankfurter wissen, dass Verständigung und ein friedliches Miteinander auf dem Respekt füreinander und gegenseitiger Rücksichtnahme beruhen. Trotz aller vermeintlichen Unterschiede teilt man einen gemeinsamen Alltag und hört einander zu. Nicht zuletzt gilt Frankfurt als Wiege der deutschen Demokratie – auch wenn in der Paulskirche, in der 1848 die erste frei gewählte Nationalversammlung tagte, Fellnasen der Zutritt verwehrt bleibt und sich nur ihre Fassade aus Rotsandstein beschnüffeln lässt.
Des
Pudels Kern: Gassi auf Goethes Spuren
Sightseeing für kulturbegeisterte Städterinnen und Städter, ob auf Füßen oder Pfoten: Die
Paulskirche ist gleichzeitig auch eine Station des elf Kilometer langen
Goethe-Wanderwegs. Die Route orientiert sich an den zahlreichen historischen
Spuren, die der deutsche Dichterfürst in Frankfurt hinterließ und verbindet
Goethes Geburtshaus, die Gerbermühle, die Goetheruh, den Goetheturm und das
Willemer-Häuschen miteinander. Auch wenn Goethe nicht unbedingt als Hundefreund
galt, eignet sich dieser Wanderweg auf Goethes Spuren bestens für einen
Tagesausflug, der sowohl Tier als auch Mensch Spaß bereitet: Er schlängelt sich
durch die Innenstadt, den Stadtwald und an Grüne-Soße-Kräuterfeldern entlang
und lädt zum Streunen und Stromern durch Asphaltdschungel und grüne
Zufluchtsorte ein.
Unweit der Gerbermühle, wo Goethe am 28. August 1815 seinen 66. Geburtstag
feierte und das Gedicht Gingko Biloba sowie Teile des West-östlichen Divans
entstanden sein sollen, stößt man unter alten Bäumen am Mainufer auf das
sogenannte Ich-Denkmal. Dort lässt sich dank des Künstlers Hans Traxler auch
dem eigenen Hund ein Denkmal setzen – sofern dieser fotoaffin ist und sich auf
einen steinernen Sockel setzen lässt. Auf der Schautafel des Ich-Denkmals
steht: „Jeder Mensch ist einzigartig. Das gilt natürlich auch für alle Tiere.
Halten Sie es fest für immer. Hier.“
Am Ufer des Jacobi-Weihers an der Oberschweinstiege im Frankfurter Stadtwald
findet sich ein weiteres Kunstwerk, das für Mensch und Tier gleichermaßen
erfahrbar ist. Denn dort pinkelt ein Baum im wahrsten Sinne des Wortes zurück.
Rachedurstig und schadenfroh zielt der Pinkelbaum des Karikaturisten F.K.
Wächter mit einem Wasserstrahl auf alles, was ihm zu nahe an die Rinde rückt.
Er lässt verkünden: „300 Jahre hat man mich angepinkelt – jetzt pinkle ich
zurück“. So bekommen selbst botanische Zeitgenossen in Frankfurt eine Stimme.
Bekannt wie
ein bunter Hund: Schopenhauers Pudel Butz
Historisch betrachtet sind wohl die Pudel des Philosophen Arthur Schopenhauers
die Frankfurter Hundestars. Verstarb einer seiner Pudel, legte sich
Schopenhauer einfach einen neuen, ähnlich aussehenden Pudel zu. Sie hießen
allesamt Butz, aber Schopenhauer rief sie als begeisterter Leser indischer
Philosophie „Atman“, Sanskrit für „Lebenshauch“, in der Auffassung, jede
Pudelseele sei gleichzeitig Teil des „Brahman“, der „Weltseele“. Es entbehrt
nicht einer gewissen Komik, dass der misanthropische Philosoph sein Tier mit
Vorliebe „Mensch“ schimpfte, wenn er sich über seinen Pudel ärgerte.
Es heißt, Schopenhauer zog sogar einmal als Folge eines Streits mit seinem
Hauswirt wegen eines Pudels um, wenn auch nur in das Nachbarhaus in der Schönen
Aussicht 16. Der Pudel begleitete den berühmten Denker – oder Schopenhauer
begleitete ihn – auf seinen Spaziergängen entlang des Mainufers, durch die
heutige Altstadt und sogar mit in sein Lieblingsrestaurant, den Englischen Hof
am Rossmarkt.
Viele Schopenhauerfans legten sich zu jener Zeit aus Verehrung für den
Philosophen auch einen Pudel zu. Schopenhauer schien demnach einen regelrechten
Pudeltrend auszulösen, vielleicht vergleichbar mit der gegenwärtigen
Begeisterungswelle für den Dackel, nur ohne Philosoph.
Schopenhauer war seinerzeit mitunter Begründer des ersten Frankfurter
Tierschutzvereins und setzte sich auch über diesen hinaus für die Rechte von
Tieren ein. Er gilt als einer der ersten Denker, der Tierleiden in seinem Werk
thematisierte und damit als ein wahrer Vorreiter, da Tierschutz damals noch
alles andere als gängig war und nicht ansatzweise den Stellenwert einnahm, der
ihm heute zugesprochen wird.
Über den bei seinen Spaziergängen wild vor sich her philosophierenden und mit
seinem Hund redenden Schopenhauer machte sich der Frankfurter Dichter,
Schriftsteller und Verleger Friedrich Stoltze lustig, der mit seiner 1860
gegründeten politisch-satirischen Wochenschrift „Frankfurter Latern“ große
Auflagen erreichte und mit Goethe zu den berühmtesten Frankfurter Literaten
zählt. Ein weiterer bekannter Frankfurter, der politische Schriftsteller und
Kritiker Ludwig Börne, der im jüdischen Ghetto von Frankfurt in der Judengasse
118, der heutigen Börnestraße, unter dem Namen Juda Löb Baruch geboren wurde,
schrieb: „Der Hund heult, wenn er geschlagen wird, und der Mensch soll es nicht
dürfen? Aber es gibt Menschen, die hündischer sind als Hunde und nicht heulen,
wenn sie geschlagen werden.“
Mehr zu Dichtern, Denkern und Pudeln in Frankfurt kann man während einer
literarischen Stadtführung von Mikael Horstmann erfahren, die man
unter stadtfuehrerei.deExternal Link buchen kann.
Möchte man seinen Vierbeiner lieber mit anderen Hundegenossen wetzen lassen,
bieten sich Frankfurts 25 Hundeauslaufflächen an. Zumeist lernen sich hier
nicht nur Hunde untereinander kennen, sondern auch die Menschen bleiben auf den
Parkbänken selten allein. Eine solche Hundeauslauffläche befindet sich inmitten
des Grüneburgparks.
Treffpunkt Hundeauslauffläche: Hunde, die bellen,
beißen nicht
Etwas versteckt neben dem Koreanischen Garten befindet sich ein Törchen, durch
das sich eine ganz eigene Welt im Grüneburgpark betreten lässt: die der Hunde
und Hundevernarrten. Ein Ort, an dem sich die verschiedensten Wesen und
Filterblasen vermengen und die Menschen stets ein gemeinsames Thema verbindet:
Hundetalk at it´s finest.
Hunde prägten also nicht nur damals das Leben und die Sprache berühmter
Dichter, sondern auch die der Frankfurterinnen und Frankfurter heute. Leben und
Sprache von Hundehaltenden sind eben einfach anders. „Hallo du Maus, was hast
du denn da für einen Garten im Fell?“, fragt Christina einen anscharwenzelnden
afghanischen Windhund mit einer halben Hecke im Fell. Neben ihr steht Anahita,
Besitzerin des Bodengo-Wildhund-Mischlings Momo. Anahita erzählt: „Manchmal
gewöhnen sich die Hunde hier auch schlechte Angewohnheiten von anderen Hunden
an, das kann ein Nachteil sein, wenn man hier regelmäßig Zeit verbringt. Auf
der anderen Seite lernen die Hunde hier auch Toleranz gegenüber anderen.“ So
tun es auch Frankfurter Hunde ihren Zweibeinern in Sachen Toleranz und Vielfalt
gleich.
Was Anahita und Christina als erfahrene Gassigängerinnen wissen und auch für
Toleranz und gutes Miteinander wichtig ist: Die Hinterlassenschaften des
eigenen Lieblings im Stadtgebiet sollte man aufheben. Denn Hundehaltende müssen
tief in die Tasche greifen, wenn Würstchen liegenbleiben. Die bis zu 180
Euro Bußgeld für nicht entfernte Haufen sollten dann vielleicht doch lieber in
einen Vorrat an Hundekotbeuteln und Leckerlis investiert werden, als sie dem
Ordnungsamt zu vermachen. Weitere Informationen finden sich auf dem Flyer „Gassi gehen, aber richtig!“External Link.
Auch
ein Hund muss mal aufs Amt
In Frankfurt sind gleich mehrere Ämter für Hunde zuständig: Das Ordnungsamt,
das Kassen- und Steueramt sowie das Grünflächenamt. Alle Hunde müssen innerhalb
der ersten zwei Wochen nach Aufnahme des Tieres beim Kassen- und Steueramt
gemeldet werden. Welpen werden angemeldet, sobald sie ein Alter von drei
Monaten erreicht haben. Jeder in Frankfurt gemeldete Hund bekommt eine
Hundesteuermarke vom Kassen- und Steueramt. Sollte die Marke mal verloren
gehen, kann gegen eine kleine Gebühr Ersatz beantragt werden. Zusätzlich zu
dieser Marke sollten unbedingt auch Name, Anschrift und Telefonnummer der
Haltenden am Halsband oder Geschirr des Hundes angebracht werden. Seit
Juli 2024 ist die Hundeanmeldung und -abmeldung nun auch digital möglich.
Weitere Informationen hierzu finden sich unter frankfurt.de/HundeanmeldungExternal Link und frankfurt.de/HundeabmeldungExternal Link.
102 Euro zahlt man für einen Hund jährlich an Steuer – jedoch erhöht sich
dieser Betrag bei den sogenannten Listenhunden, für die eine Haltungserlaubnis
verpflichtend ist. Zuständig ist hier das Ordnungsamt: Für Listenhunde, die
keine bestandene Begleitprüfung oder eine ähnliche Ausbildung wie
beispielsweise eine Rettungshundeprüfung vorweisen können, sind sogar 900 Euro
fällig – mit vorweislicher Prüfung reduziert sich dieser Steuersatz jedoch auf
225 Euro. Von der Hundesteuer befreit sind dahingegen Hunde, die dem Schutz
blinder, gehörloser oder hilfsbedürftiger Personen mit einem
Schwerbehindertenausweis dienen und über eine entsprechende Ausbildung
verfügen. Weitere Informationen zu Begleithundeprüfungen sind unter Verband für das Deutsche HundewesenExternal Link zu finden.
Regeln
müssen sein
Bei Versammlungen und an bestimmten Orten im Frankfurter Stadtgebiet ist
Leinenpflicht geboten: in Gaststätten, in öffentlichen Verkehrsmitteln, auf
Grünanlagen, in Fußgängerzonen, in Naturschutzgebieten, auf Brücken und an
Haltestellen. Dabei gilt zu beachten, dass die Hundeleine nicht länger als zwei
Meter sein darf.
Im Grüngürtel und im Stadtwald besteht in weiten Teilen keine Leinenpflicht,
sofern der Hund nicht unbeaufsichtigt und in Sichtweite beziehungsweise Rufnähe
ist – und nur gesetzt den Fall, dass das Tier reagiert, wenn es von seiner
Halterin oder seinem Halter zurückgepfiffen wird, was nicht immer
selbstverständlich ist. Besonders eigensinnige oder sture Kläffer sowie
diejenigen mit einem ausgeprägten Jagdtrieb sollten also besser an der Leine
bleiben, auch aus Rücksicht auf Kleinkinder, Mitmenschen und Wildtiere.
Auf Spielplätzen, Festplätzen, Liegewiesen, im Holzhausen- und im
Günthersburgpark sowie auf Friedhöfen sind Hunde verboten, mit Ausnahme von
Assistenzhunden. Bei Verstößen gegen diese Regelungen ist mit Bußgeldern bis zu
5000 Euro zu rechnen! Ausführlichere Informationen hierzu lassen sich in der Broschüre „Hundehaltung in Frankfurt“External Link nachlesen. Auch im
Römer und städtischen Dienstgebäuden haben Hunde grundsätzlich keinen Zugang.
Assistenzhunde sind freilich auch hier willkommen, denn Frankfurt ist eine
assistenzhundefreundliche Kommune. Mehr Informationen dazu finden sich unter stadt-frankfurt-im-blick.de/frankfurt-ist-assistenzhundfreundliche-kommuneExternal Link.
Auch auf andere Tiere sollte auf Streifzügen mit Hunden Rücksicht genommen
werden, beispielsweise in Naturschutzgebieten. Die genauen Regeln stehen auf
den jeweiligen Hinweistafeln vor Ort. Allgemein gilt jedoch besondere
Rücksichtnahme in den Brut- und Setzzeiten vom 15. März bis zum 15. Juli. Mehr
zu diesem Thema findet sich in der GrünanlagensatzungExternal Link.
Wenn
Verbot auch mal aufgehoben wird: Die Hundebadetage
In Freibädern sind Hunde ebenfalls nicht gestattet – bis auf einen Termin im
Herbst. Denn im Silo-Bad ist einmal jährlich Hundeschwimmen angesagt. Zum Ende
der Freibadsaison wird das Becken mit chlorfreiem Wasser aufgefüllt und alle
Hunde sind zum Plantschen eingeladen – dieses Jahr vom 3. bis 6. Oktober. Ob
Leberwursteis schlecken am Beckenrand oder kontemplativem Schwelgen in
Geruchsschwaden nassen Fells – Frankfurts Hundebadetage sind für Hunde ein ganz
besonderes Ereignis, vielleicht wie der jährliche Weihnachtsmarkt für
Zweibeiner.
Und auch im Frankfurter Winter müssen Vierbeiner nicht zu Stubenhockern werden,
wie auch Mopsdame Grete weiß: „Ob auf dem Weihnachtsmarkt mit großen Augen auf
ein Stück Wurst wartend oder in winterlicher Atmosphäre den Goethe-Wanderweg
entlanglaufend, Frankfurt ist schon längst das ganze Jahr auf den Hund
gekommen. Nur eines findet man hier selten: Langeweile!“
Text: Lily Gaines, August 2024