„Wir versuchen, Häuser in gute Hände zu bringen“
Seit einem Jahr arbeitet die Genossenschaftliche Immobilienagentur Frankfurt
Wer einen
Gegenentwurf zu einem klassischen Akteur auf dem heiß gelaufenen Markt für
Wohnimmobilien sucht, ist bei der Genossenschaftlichen Immobilienagentur
Frankfurt (GIMA) ziemlich sicher an der richtigen Stelle. Sie will mit sozial
verantwortlichem Erwerb von Bestandsbauten den Kreislauf von immer höheren
Kaufpreisen für Wohnimmobilien und kaum erschwinglichen Mieten durchbrechen.
Gegründet durch Beschluss der Stadtverordnetenversammlung im November 2021,
gibt es erste Erfolge – auch wenn der Weg zäh ist.
„Wie versuchen, Häuser in gute Hände zu bringen“, beschreibt Robin Mohr, Geschäftsführendes Vorstandsmitglied der GIMA und Stadtgeograph das Prinzip. So wolle man erreichen, dass Mieter nicht aus ihren Häusern verdrängt werden und bestehende Quartiere in ihrer Sozialstruktur erhalten bleiben. Hinter dem genossenschaftlichen Zusammenschluss GIMA stehen die Stadt Frankfurt, der Beamten-Wohnungs-Verein (BWV), die Wohnbaugenossenschaft in Frankfurt (WBG), die teilstädtische Konversions-Grundstücksentwicklungsgesellschaft (KEG) sowie das Netzwerk Frankfurt für gemeinschaftliches Wohnen. Demnächst kommen noch die Stiftung trias sowie die Genossenschaft Fundament dazu.
Sozialverantwortliche
Immobilienverkäufer sind die Zielgruppe
Das Prinzip ist leicht erklärt: Wenn Eigentümer – etwa nach einem Erbfall – ein
Mehrfamilienhaus verkaufen und dabei einen sozialen Beitrag auf dem Wohnungsmarkt
leisten wollen, können sie sich an die GIMA wenden. Diese bringt dann die
Beteiligten an einen Tisch. Das sind neben den Verkäufern mögliche Erwerber aus
ihrem Kreis der Mitglieder, also die Bestandshalter BWV, WBG und KEG oder die
Stiftung trias. Ebenfalls beteiligt ist die Stadt. Sie stellt die Räume für die
GIMA und garantiert kurze Wege in die Verwaltung, falls Fragen zu Baurecht oder
Erbpachtzins auftreten.
Dieses Prinzip funktioniert allerdings nur unter der Bedingung, dass die
Verkäufer darauf verzichten, den maximal auf dem Markt erzielbaren Preis
einzunehmen. Gleichzeitig müssen sich die neuen Erwerber verpflichten,
lediglich kostendeckende Mieten zu verlangen, das Objekt dauerhaft zu
bewirtschaften und etwaige Gewinne in den Ausbau gemeinwohlorientierter
Wohnungsprojekte zu reinvestieren.
Der Verzicht auf Gewinn wirkt sich nachhaltig aus. „Strebt der Verkäufer den
Preis an, den der Markt hergibt, muss der neue Eigentümer die Mieten erhöhen,
um die Refinanzierungskosten wieder reinzuholen“, erklärt Cora Lehnert,
Architektin sowie Vorständin der WBG und zugleich Aufsichtsratsvorsitzende der
GIMA. Die Folge seien Luxussanierungen und eine veränderte Sozialstruktur im
Quartier, da sich die bisherigen Bewohner die neuen Mieten nicht mehr leisten
können.
Einmal hat das Modell seit Gründung der GIMA schon funktioniert. Zwei Erbinnen
verkauften im April ein Mietshaus in der Nähe des Parlamentsplatzes. Sie
wollten, dass die Immobilie im Sinne ihres Vaters weitergeführt wird. Dieser
hatte auf ein gutes Verhältnis zu seinen Mietern und sozialverträgliche Mieten
Wert gelegt.
Nach Vermittlung durch die Immobilienagentur kaufte der BWV das Haus und
vervollständigte damit seinen Immobilienbestand im Ostend. Die Bewohner
unterstützten den Schritt nachdrücklich, was für die GIMA essentiell ist. Die
Erbinnen verzichteten auf einen Teil des marktwirtschaftlich Machbaren,
erzielten aber dennoch einen auskömmlichen Preis, über dessen Höhe
Stillschweigen vereinbart wurde.
Insgesamt ist das Potenzial groß. In Frankfurt gab es im Geschosswohnungsbau
laut Immobilienmarktbericht für 2021 insgesamt 375 Veräußerungen im Gesamtwert
von knapp 889 Millionen Euro. Hinter dieser Zahl verbirgt sich auch eine Gefahr
für die bisherigen Bewohner: „Die von den Investoren zum Teil durchgeführten
vollständigen Modernisierungen führen aber auch zu Mieterverdrängungen und
einer Segregation der Bevölkerung“, heißt es im Immobilienmarktbericht.
Der Weg bis zum Eigentümerwechsel braucht Zeit. So hätte es anderthalb Jahre gedauert, bis der Verkauf des Hauses in der Nähe des Parlamentsplatzes vollzogen wurde. Denn interne Abstimmungen auf Veräußerer- und Erwerberseite benötigten Zeit, berichtet Mohr. Das gelte insbesondere, wenn Erbengemeinschaften involviert seien. Auch käme es vor, dass sich Interessierte an die GIMA wendeten, aber der Kontakt mitunter abreiße, weil die Aussicht auf mehr Geld locke. Bei Erbengemeinschaften sei problematisch, dass alle dem sozialverträglichen Verkauf zustimmen müssen, was die interne Willensbildung erschwere.
„Der Gang zum Makler oder Großinvestor ist natürlich das einfachere und verlockendere Angebot“, sagt Lehnert. Schließlich locke das viele Geld. Aktuell münden nach Mohrs Angaben zehn Prozent der Kontaktaufnahmen in weiterführende Gespräche. Insgesamt sieht er die GIMA in einer Nischenrolle: „Uns wird nicht der große Wurf auf dem Wohnungsmarkt gelingen“, sagt der Immobilienfachmann. Ein Konzept, für das am besten die Beschreibung „klein, aber stetig“ passen dürfte.
Arne Kilian, Stadtplaner sowie Immobilienökonom und für die KEG im Vorstand der GIMA, bestätigt diese Einschätzung: „Wir werden wahrscheinlich klein bleiben.“ Der Finanzplan der GIMA geht daher von zwei Immobilienverkäufen pro Jahr aus. Von diesen fließen ein Prozent des Kaufpreises an die GIMA, die sich unternehmerisch selbst trägt.
Lehnert erwartet, dass das Konzept der GIMA aufgeht. „Es gibt in dieser Stadt immer mehr sozial verantwortliche Einzeleigentümer, die sagen ‚Wir wollen das nicht mehr länger mitmachen‘“, erklärt sie und bezieht sich auf die aktuellen Immobilienpreise. Dazu müsse allerdings die Arbeit der GIMA bekannter werden. Hierzu sei man etwa auf den Eigentümerverein Haus und Grund zugegangen und plane weitere Schritte.
Ein
Modell, das auch in anderen Städten funktioniert
Auch Kilian sieht weitere Marktchancen für das Modell des sozial
verantwortlichen Immobilienverkaufs. So gebe es unter den Immobilienbesitzern
immer mehr Einzelerben ohne Nachkommen. Diese benötigten nur einen Teil des
potenziell erzielbaren Verkaufserlöses, um sich im Rentenalter finanziell
abzusichern. „Für diese Leute kann eine sozial verantwortliche Veräußerung eine
vertretbare Alternative sein, da sie durch ihren Verzicht keine spürbaren
Nachteile haben“, sagt er.
Er sieht in Hausgemeinschaften eine weitere Zielgruppe für die Arbeit der GIMA.
„Wenn sich die Mieter eines zum Verkauf stehenden Objektes bei uns melden,
können wir mit unserer Idee auf die Eigentümer zugehen“, erklärt er. Am Ende
eines solchen Prozesses kann auch der Verkauf an die Bewohner stehen, wie das
Beispiel einer anderen Großstadt zeigt.
Das Netzwerk Leipziger Freiheit funktioniert ähnlich wie die Frankfurter GIMA.
In der Messestadt wollte sich ein bayerischer Eigentümer aufgrund der weiten
räumlichen Distanz von seinem Altbau trennen. Mit Unterstützung des Netzwerkes
gründete die Hausgemeinschaft eine Genossenschaft und setzte einen
Finanzierungsplan auf. Der bisherige Eigentümer hatte ein offenes Ohr für die
Vorschläge seiner Mieter und verkaufte nach Verhandlungen an sie. Diese
begannen danach, das Objekt behutsam zu sanieren und nachhaltig zu
bewirtschaften.
Auch in weiteren Städten funktioniert das Modell GIMA, so etwa in München. Dort
gibt es eine vergleichbare Immobilienagentur bereits seit 2007. Mittlerweile
gehören ihr 36 Genossenschaften an. Auch in Berlin wird dieser Weg
eingeschlagen. In der Nordwestschweiz gibt es ebenfalls ähnliche Ansätze.
Vorsichtiges Wachstum angepeilt
Aus dem Römer jedenfalls kann die Immobilienagentur mit weiterer Unterstützung
rechnen. „Ich bin dafür, dass wir die Arbeit der GIMA verstetigen“, sagt
Planungsdezernent Mike Josef. Er fügt hinzu: „Das Konzept hat sich bewährt.
Denn es zeigt, dass der Markt für Wohnimmobilien auch nach sozialen und
nachhaltigen Kriterien funktionieren kann.“ In einer Stadt, in der rund zwei
Drittel von 407.000 verfügbaren Wohnungen von privaten Eigentümern gehalten
werden, sei es wichtig, Angebote für jene zu schaffen, die verantwortungsvoll
wirtschaften.
Unterstützung bekommt er dabei von GIMA-Geschäftsführer Mohr, der die Agentur
auf einem vorsichtigen Wachstumskurs sieht. Auf die Frage, wo die GIMA in einem
Jahre stehe, antwortet er: „Fünf Häuser zum Verkauf vermittelt und wir können
uns anstatt einer Stelle anderthalb leisten.“ Eine klare Wachstumsperspektive –
bei aller Bescheidenheit.
Text: Ulf Baier