Wie kam der Frankfurter Römer zu seinem Namen und seiner Funktion?
700 Jahre urkundliche Ersterwähnung des Römers: Auf den Spuren der Geschichte des Frankfurter Rathauses
„Diese kurze Episode belegt die Jahrhunderte währende herausragende Rolle Frankfurts und des Römers im paneuropäischen Königspoker um Macht und territorialen Einfluss“, fasst Oberbürgermeister Peter Feldmann zusammen. Doch wie kam das Frankfurter Rathaus zu seinem Namen und seiner herausragenden historischen Bedeutung? Um dieser Frage auf den Grund zu gehen, muss man sich vor Augen führen, dass bis ins 14. Jahrhundert Rathaus und Marktplatz nicht am Römerberg lagen, sondern auf der einstigen Main-Halbinsel, auf der heute der Kaiserdom St. Bartholomäus thront.
Noch bevor das Gebäude zum Rathaus wurde, wurde „der Römer“ vor 700 Jahren erstmals urkundlich erwähnt. So weist eine Urkunde des Frankfurter Schöffengerichts vom 30. September 1322 den Frankfurter Bürger Wigel Frosch vor 700 Jahren als Besitzer der Häuser Zum Römer und Zum Goldenen Frosch (später Goldener Schwan) aus. Sollte, so steht in der Urkunde, Wigel Frosch sterben, bevor er mit seiner Frau Gisela von Wanebach Nachwuchs zeuge, so falle der Grundbesitz Gisela von Wanebach zu. So kam es schließlich auch.
Wenig später, im Jahr 1329, gestattete Kaiser Ludwig IV. (der Bayer) der Frankfurter Bürgerschaft, das baufällig gewordene und allmählich für die Verwaltung einer auf 10.000 Einwohner gewachsene Stadt zu klein gewordene Rathaus durch einen Neubau an anderer Stelle zu ersetzen. Da Frankfurt schon seit der Mitte des 12. Jahrhunderts der bevorzugte und seit der Goldenen Bulle von 1356 auch der reichsrechtlich vorgeschriebene Wahlort der römisch-deutschen Könige war, sollte hierfür eine repräsentative Wahlkirche errichtet werden. Man begann also im 13. Jahrhundert mit dem Umbau der alten karolingischen Bartholomäuskirche in gotischen Formen – es entstand der Kaiserdom. Für das ursprüngliche Rathaus der Stadt Frankfurt war somit kein Platz mehr.
Ein Neubau in direkter Nachbarschaft, dem von wohlhabenden Händlern mit repräsentativen Bauwerken bebauten Römerberg, sollte das Problem lösen. Doch zunächst war mal wieder das Geld knapp, später verhinderten die Folgen des Magdalenenhochwassers von 1342 die Umzugspläne, weshalb erst 1401 Baumaterial an den Römerberg geschafft werden konnte.
Seit Jahrhunderten das erste Haus am Platz
Zeitgleich verhandelte die Stadt jedoch mit den Besitzern zweier Gebäude, dem eingangs erwähnten Haus zum Römer, sowie dem Goldenen Schwan. Die Gebrüder Konz und Heinz zum Römer sowie die Witwe Hensel zum Römer verkauften das Ensemble anno 1405 für insgesamt 800 Gulden sowie moderate Leibrenten – sind sie also die wahren Namenspaten des Frankfurter Römers, den der Frankfurter Rat nach erfolgtem Erwerb zum Rathaus um- und ausbauen ließ?
Wie Michael Matthäus, Leiter der Alten Abteilung im Institut für
Stadtgeschichte (ISG), erklärt, gibt es mehrere Theorien, wie das Frankfurter
Rathaus zu seinem markanten Namen kam: „Am unwahrscheinlichsten scheint es, dass
im 14. Jahrhundert noch eine Erinnerung an den Militärposten bestand, den die
Römer im zweiten Jahrhundert auf dem Domhügel errichtet haben. Häufig hört man,
dass der Hausname von den italienischen Kaufleuten herrühre, die die
Frankfurter Messen besuchten.“
Glaubhafter erscheint Matthäus jedoch die Erklärung von Prof. Johannes Fried:
Weil das Haus zum Römer das größte und komfortabelste Steinhaus in Frankfurt
war, haben hier wahrscheinlich die deutschen Könige logiert, wenn sie die Stadt
besuchten. Deren Titel lautete ja: König der Römer, da nur diese das recht
hatten, in Rom vom Papst zum Kaiser gekrönt zu werden. Seit jeher diente der
Römer den Frankfurtern nicht nur als Rathaus, er war Kaufhaus, Königshaus,
Gerichtssitz und Verwaltungszentrum in einem. Zu Messezeiten befanden sich im
Erdgeschoss die Stände der Goldschmiede und Juweliere.
Steter Platzmangel lässt den Römer wachsen
Doch schon kurz nach Bezug der Räumlichkeiten auf dem Römerberg stellte sich
heraus, dass auch das neue Frankfurter Rathaus der Vielzahl an Repräsentations-
und Verwaltungsaufgaben nicht immer gewachsen war. Allein von 1388 bis 1437
fanden 56 Hof- und Reichstage in Frankfurt statt, die in der Regel im großen
Saal des Römers abgehalten wurden. Nach seiner Umnutzung zum Rathaus konnte der
Römer nicht mehr als Quartier für den König dienen. „Deshalb logierte 1411 der
gerade gekrönte König Sigismund im Haus Löwenstein, während seine Frau im Haus
Laderam untergebracht war. Zwischen diesen beiden Häusern stand jedoch der
Römer. Deshalb bat der König den Rat um zwei Türdurchbrüche vom Löwenstein in
den Römer und vom Römer in Laderam, damit die Eheleute sich leichter besuchen
konnten. Der Rat lehnte dies jedoch mit der Begründung ab, dadurch würden das
Messegeschäft und die Stadtsiegel gefährdet“, berichtet Michael Matthäus vom
ISG.
Mit dem steten Wachstum der Stadtbevölkerung benötigte auch die Stadtverwaltung
immer mehr Raum. Zwar waren aufwändige Krönungszeremonien und Feierlichkeiten
inzwischen nicht mehr an der Tagesordnung. Auch das Messegeschäft hatte sich
mit den Jahren über das Stadtgebiet verteilt. Doch die administrativen Aufgaben
der Stadtverwaltung zwangen die Hausherren des Römers wieder einmal zur
Expansion: So wurden 1878 die an die Liegenschaft Zum Römer/Goldener Schwan
angrenzenden Häuser Alten-Limpurg und Silberberg erworben – und somit war „der
Römer“ geschaffen, wie wir ihn heute kennen.
Übrigens hätte auch die Nationalversammlung von 1848/49 nach dem Willen des
Frankfurter Senats im Römer tagen sollen. Schnell war aber klar, dass das
Gebäude nicht geeignet ist, um den mehr als 600 Abgeordneten genug Platz zu
bieten. „Deshalb wurde die benachbarte Paulskirche zur Verfügung gestellt“,
erläutert Michael Matthäus und verweist auf das für 2023 geplante 175-jährige Jubiläum
der Nationalversammlung in der Paulskirche, deren Ziele Freiheit und die
nationale Einheit waren.
Das im Zweiten Weltkrieg durch Fliegerbomben schwer beschädigte Ensemble trägt bis heute den Beinamen „Zu den drei Römern“ und weist im Innern einen teils obskuren Stilmix diverser Architekturepochen auf. „Eine meiner liebsten Anekdoten über unser Rathaus handelt von der ersten Buchmesse nach dem Zweiten Weltkrieg. Diese fand 1949 in den von Bombenschäden noch immer gezeichneten Römerhallen statt – woraufhin einige Verleger wegen der zugigen Atmosphäre spöttisch von Rheumahallen sprachen“, entsinnt sich das Frankfurter Stadtoberhaupt.
Bis heute tragen sich Staatsgäste und Honoratioren aus aller Welt sowie Größen aus Wirtschaft und Sport bei ihrem Besuch im Römer traditionell ins Goldene Buch der Stadt ein. Doch auch Trauwillige und Touristen sind regelmäßig zu Gast im über 700 Jahre alten Gebäudekomplex, der nicht nur repräsentative Funktionen erfüllt, sondern auch hunderten städtischen Angestellten als Arbeitsplatz dient. „Wer sich für Tradition und Geschichte des bürgerschaftlichen Engagements in dieser Stadt interessiert, der kommt an unserem Rathaus nicht vorbei. Schon im ausgehenden Hochmittelalter waren es umtriebige Kaufleute, die entscheidend in die Geschicke dieser Stadt eingriffen“, sagt Oberbürgermeister Feldmann. Diese merkantile und bürgerschaftliche Tradition prägt die Stadt am Main seit jeher – und ihr Abbild und steinerner Zeuge ist bis heute der Römer. „Der Römer ist zu einem Symbol für die Demokratie geworden“, so Feldmann. „Dies wird auch beim anstehenden 175-jährigen Paulskirchen-Jubiläum eine zentrale Rolle spielen.“