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Zeit schenken, Vertrauen gewinnen, helfen

25.06.2025, 12:48 Uhr

Steffen Viehmeier und Jonathan Schmidt im Gespräch und sitzen auf der Bank, Foto: Gesundheitsamt Frankfurt am Main
Steffen Viehmeier (links) und Jonathan Schmidt im Gespräch © Gesundheitsamt Frankfurt am Main

Jonathan Schmidt und Steffen Viehmeier aus dem Gesundheitsamt kümmern sich um psychisch erkrankte Menschen ohne festen Wohnsitz

Wenn Jonathan Schmidt und Steffen Viehmeier zur ihren Klientinnen und Klienten gehen, planen sie immer ein bisschen mehr Zeit ein. Denn die brauchen der Fachkrankenpfleger für Psychiatrie und der Sozialarbeiter, um das Vertrauen derjenigen zu gewinnen, die sie unterstützen wollen. Schmidt und Viehmeier vom Sozialpsychiatrischen Dienst (SpDi) des Frankfurter Gesundheitsamts kümmern sich um psychisch erkrankte Menschen ohne festen Wohnsitz – ein neues Angebot des Gesundheitsamts.

Vorangegangen war eine Studie, mit der Schmidt untersucht hat, wie es Menschen in Frankfurt geht, die auf der Straße leben: Finden sie ausreichende medizinische Versorgung? Wohin können sie sich wenden, wenn sie krank oder verletzt sind und Unterstützung brauchen? Durch einen Etat-Antrag von Frankfurter Stadtverordneten und damit verbundenen bereitgestellten Mitteln konnte die Studie umgesetzt werden.

Dr. Peter Tinnemann, Leiter des Gesundheitsamts, erklärt: „Mit der Studie wollten wir herausfinden, inwieweit die vorhandenen Strukturen und Maßnahmen zur Versorgung von psychisch erkrankten Menschen ohne festen Wohnsitz den Vorgaben der Behindertenrechtskonventionen der United Nations entsprechen. Und wie sich bestehende Angebote in Frankfurt verbessern lassen.“

So hebt etwa Artikel 19 der Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen das Recht auf unabhängige Lebensführung und die Einbeziehung in die Gemeinschaft hervor, Artikel 25 beschäftigt sich mit dem Recht auf Gesundheit. „Ein Fazit der Studie ist, dass die bestehenden Angebote mittels intensivierter aufsuchender Arbeit durch Fachkrankenpflegerinnen und -pfleger für Psychiatrie gestärkt werden sollten. Mit der Arbeit von Jonathan Schmidt und Steffen Viehmeier setzen wir im Gesundheitsamt diese Erkenntnis bereits in die Tat um“, sagt Tinnemann.

 

In der Stadt und am Flughafen unterwegs, um zu helfen

Schmidt und Viehmeier sind dreimal wöchentlich nahezu im gesamtem Stadtgebiet und am Frankfurter Flughafen unterwegs, denn auch dort halten sich Menschen ohne festen Wohnsitz auf. „Viele Menschen, die auf der Straße leben, leiden an psychischen Erkrankungen, etwa an einer bipolaren Störung oder an paranoider Schizophrenie“, sagt Schmidt. Darum ist es wichtig, dass sie nicht nur von Streetworkern aus dem Bereich Soziale Arbeit, sondern auch von Krankenpflegerinnen und -pflegern aufgesucht werden, die über psychiatrische Fachkenntnisse verfügen. Ihre Expertise ist oftmals der einzige Weg, überhaupt einen wirklichen Zugang zu den psychisch erkrankten Menschen auf der Straße zu finden – und so dem langfristigen Ziel, sie ins Hilfesystem einzugliedern, näherzukommen.

Schmidt und Viehmeier versuchen, so gut wie möglich auf die persönlichen Bedürfnisse ihrer Klientinnen und Klienten einzugehen und finden dafür immer wieder individuelle Lösungen: „Ich habe einen Klienten einmal zu Fuß nach Neu-Isenburg begleitet, weil er absolut nicht mit dem Bus oder der Bahn fahren wollte“, erzählt Schmidt. Ein andermal hat er eine Verabredung auf einer Parkbank eingehalten, die er eigentlich hätte absagen müssen. „Ich konnte ihn aber nicht anrufen und informieren, also bin ich doch zu unserem Termin gegangen. Hätte ich das nicht gemacht, hätte ich womöglich den Kontakt zu ihm zu verloren und nicht mehr nach ihm sehen können.“ Schmidt kümmert sich bei Bedarf auch um die Wundversorgung der Menschen, die sein Kollege und er aufsuchen, und hat immer einen Rucksack voller Verbandsmaterial dabei.

Der Fachkrankenpfleger und der Sozialarbeiter nehmen regelmäßig am Arbeitskreis Straße teil und stehen in engem Austausch mit ihren Streetwork-Kolleginnen und Kollegen der verschiedenen Frankfurter Hilfsorganisationen. „Wenn sie mit einem Klienten oder einer Klientin nicht weiterkommen, wenden sie sich oftmals an uns“, erzählt Viehmeier. Stoßen er und sein Kollege selbst an ihre Grenzen, lassen sie sich von ihren ärztlichen Kolleginnen und Kollegen des SpDi unterstützen.

„Durch die gemeinsame Arbeit kann ich etwas bewegen“

„In der Psychiatrie muss man verstehen, dass man nicht verstehen kann“, sagt Schmidt. Weil eine psychische Erkrankung für jemanden, der nicht erkrankt ist, schlichtweg nicht zu verstehen ist. Der 31-Jährige hat sich schon in der Schule für Psychiatrie interessiert und während seiner Ausbildung zum Krankenpfleger von Anfang an das Ziel verfolgt, in diesem Bereich zu arbeiten. Viehmeier, 42, sammelte bereits während seines Studiums erste berufliche Erfahrungen in der Psychiatrie – und stellte dabei fest, dass ihm der einfühlsame Umgang mit psychisch erkrankten Menschen besonders liegt: „Durch die gemeinsame Arbeit kann ich etwas bewegen – das gibt mir Sinn und erfüllt mich.“

Eine der größten Herausforderungen von Schmidts und Viehmeiers Arbeit ist es, eine stabile Beziehung zu ihren Klientinnen und Klienten aufzubauen. Umso schöner ist es für die beiden Kollegen, wenn es ihnen gelingt. „Im psychiatrischen Bereich gibt es wenig positive Rückmeldungen von den Klientinnen und Klienten“, erklärt Viehmeier. Er und sein Kollege wissen dennoch, ob sie die Menschen erreichen oder nicht. „Wenn wir mit ihnen verabredet sind und sie unseren Termin einhalten oder wenn sie explizit nach uns fragen, ist das ein sehr gutes Feedback für uns“, sagt Viehmeier. Ein Feedback, dass sie bekommen, weil sie immer ein bisschen mehr Zeit einplanen, die sie ihren Klientinnen und Klienten schenken.


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