Was gegen Antisemitismus zu tun ist
25.06.2025, 15:13 Uhr

Expertinnen und Experten diskutierten zwei Tage lang über Maßnahmen gegen zunehmenden Judenhass
Der Frage, wie der Kampf gegen Antisemitismus gelingen kann, ist eine
zweitägige Fachtagung nachgegangen. Die Tagung am Montag, 23., und Dienstag,
24. Juni, in den Räumlichkeiten des Amts für multikulturelle
Angelegenheiten trug den Titel „Neue Enthemmung. Antisemitismus in
Bildung, Gesellschaft und Kultur“ und wurde vom Diversitätsdezernat
unter Bürgermeisterin Nargess Eskandari-Grünberg organisiert.
Keynotes sprachen Mirjam Wenzel, Leiterin des Jüdischen Museums, Kurt
Grünberg vom Sigmund-Freud-Institut und Frederek Musall, Professor für Jüdische
Studien an der Uni Würzburg. In den Fachforen waren die Vizepräsidentin der
Goethe-Universität Prof. Sabine Andresen, der emeritierte Pädagogik-Professor
Benjamin Ortmeier, Nicolas Lelle von der Amadeu-Antonio-Stiftung sowie Alon
Meyer von Makkabi Frankfurt und Marcus Droß vom Künstler:innenhaus Mousonturm
dabei. Ein Grußwort sprach der hessische Antisemitismusbeauftragte Uwe Becker.
„Seit dem 7. Oktober 2023 ist etwas aus den Fugen geraten. Antisemitismus droht
zu einer selbstverständlichen Meinung zu werden, die nicht nur an Stammtischen
geäußert wird, sondern auch in unseren Institutionen der Kultur und der
Aufklärung: an Theatern, bei Kunstausstellungen, in Schulen und in
Universitäten“, sagte Eskandari-Grünberg bei der Eröffnung der Tagung. „Dabei
ist der Antisemitismus an sich nicht neu. Die Enthemmung ist neu. Als Stadt dürfen
wir vor dieser wachsenden Bedrohungslage nicht die Augen verschließen. Wir
müssen unsere städtischen Institutionen und auch die Zivilgesellschaft
unterstützen, eine antisemitismuskritische Haltung einzunehmen.“ Ziel des
Fachtages sei es, Stimmen zu sammeln und Diskussionen zu dokumentieren, „die
uns helfen, informiert als Stadt gegen Antisemitismus vorzugehen“.
Es gab Workshops zu Antisemitismus in Schulen, Universitäten, in den sozialen
Medien, im Fußball und in Kulturinstitutionen. Die Teilnehmenden waren
sich einig, dass der derzeitige Judenhass nicht neu sei, sondern lediglich so
stark herausbreche wie kaum je zuvor. Die Folgen für die Lebensrealität
von Jüdinnen und Juden seien dramatisch. An den Hochschulen etwa mieden
mittlerweile junge Jüdinnen und Juden bestimmte Sozialräume. Von Rückzügen in
die Gemeinden und jüdische Gruppen wurde berichtet. Für manche sei es fraglich
geworden, ob man in Deutschland weiter leben könne.
Um Antisemitismus in Stadt und Gesellschaft wirksam bekämpfen zu können,
müssten unter anderem mehr Ressourcen von Kultur- und Bildungseinrichtungen
sowie Nichtregierungsorganisationen zur Verfügung gestellt werden, lautete eine
weitere Erkenntnis. So sei es wichtig, Mitarbeitende dieser Einrichtungen
fortzubilden.
Insbesondere gelte dies im Schulunterricht. Derzeit gäbe es keine hinreichende
curriculare Ausbildung von Lehrkräften, um Antisemitismus im Klassenzimmer zu
thematisieren. Dies führe dazu, dass jüdische Schülerinnen und Schüler
bisweilen dazu gedrängt würden, ihre Identität zu verstecken.
Kultureinrichtungen seien, so hieß es bei der Fachtagung, immer schon auch
Träger und Wissensspeicher antisemitischer Vorstellungen gewesen. Sie seien
kein Nebenschauplatz, sondern zentral für antisemitische Imagination – was
die antisemitismuskritische Arbeit darin so wichtig mache.
Eine Dokumentation der Fachtagung ist geplant.