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Ein ganz besonderes Gemeinschaftsgefühl

27.05.2024, 12:12 Uhr

Dr. Petra Tiarks-Jungk und Léon Lück von StuPoli Frankfurt, Fotos: Gesundheitsamt und Moritz Fehl
Dr. Petra Tiarks-Jungk und Léon Lück von StuPoli Frankfurt © Stadt Frankfurt am Main, Foto: Gesundheitsamt, Moritz Fehl

Dr. Petra Tiarks-Jungk und Léon Lück über die von Medizinstudierenden organisierte Sprechstunde für Menschen ohne Krankenversicherung

Für Dr. Petra Tiarks-Jungk ist ihr Engagement in der Studentischen Poliklinik ein Jungbrunnen. „Die Arbeit mit den Studierenden macht sowas von Spaß“, sagt sie. Und dann breitet sich ein riesiges Lächeln auf ihrem Gesicht aus. Tiarks-Jungk war viele Jahre im Gesundheitsamt Frankfurt beschäftigt, leitete unter anderem seit 2001 die Humanitäre Sprechstunde. Vergangenes Jahr ging sie in den Ruhestand. Als Ärztin ist sie dennoch weiterhin aktiv. Jeden Dienstag zwischen 17 und 19 Uhr kommt sie ins Gesundheitsamt in die Breite Gasse 28, wo die Sprechstunden der Studentischen Poliklinik, kurz StuPoli, stattfinden, und steht den Studierenden bei ihren Untersuchungen und Behandlungen mit Rat und Tat zur Seite.
 
Im Juni feiert die StuPoli, eine akademische Einrichtung des Fachbereichs Medizin der Goethe-Universität, ihr zehnjähriges Jubiläum. Seit 2014 untersuchen und behandeln Medizinstudierende, die im klinischen Abschnitt ihres Studiums das Wahlpflichtfach StuPoli belegt haben, Patientinnen und Patienten ohne Krankenversicherung kostenlos und begleiten sie bei Bedarf über einen längeren Zeitraum hinweg. Angeleitet werden sie von erfahrene Ärztinnen und Ärzten. Petra Tiarks-Jungk ist seit der ersten Stunde der StuPoli dabei. Die Idee, in Frankfurt eine Sprechstunde nach Vorbild der US-amerikanischen Student Run Free Clinics, also eine von Studierenden organsierte Sprechstunde für nicht Krankenversicherte zu etablieren, entstand im Kreis der Medizinstudierenden. Ihr damaliger Studiendekan Prof. Dr. Dr. Dr. Robert Sader unterstützte sie bei der Umsetzung. Bei Prof. Dr. Dr. René Gottschalk, dem damaligen Leiter des Gesundheitsamts, liefen sie mit ihrer Initiative offene Türen ein: Das Gesundheitsamt stellt seither kostenlos Räumlichkeiten und Logistik zur Verfügung.
 
„Bevor es mit der StuPoli wirklich losging, hospitierten die Studierenden in verschiedenen Einrichtungen, unter anderem bei uns in der Humanitären Sprechstunde. Dort lernte ich sie und ihr Projekt kennen“, erzählt Tiarks-Jungk. Zunächst sei sie ein wenig skeptisch gewesen – können Studierende ihre Patientinnen und Patienten auf demselben Niveau versorgen wie Ärztinnen und Ärzte? „Aber dann habe ich während der Hospitation erlebt, wie engagiert und versiert die Studierenden waren.“ Als sie gefragt wurde, ob sie die StuPoli als Supervisorin unterstützen möchte, hat sie sofort zugesagt. „Ich dachte, das könnte eine Bereicherung sein.“
 
Und eine Bereicherung wurde es denn auch: Die Studierenden profitieren vom Know-How der Ärztin, sie wiederum lässt sich vom Elan der jungen Leute anstecken. Als Tiarks-Jungk im Gesundheitsamt noch aktiv im Dienst war, arbeitete sie nach Feierabend in der StuPoli mit. „Natürlich war ich manchmal müde und dachte auch immer mal, dass es schöner wäre, jetzt nach Hause zu gehen. Aber kaum war ich in der Sprechstunde, war alles vergessen und ich wieder hellwach.“ 

Für die Studierenden ist Tiarks-Jungk nicht nur Instanz, sondern auch Vertrauensperson. „Wenn man zum ersten Mal direkt mit einem Patienten in Kontakt kommt, hat man schon Respekt und kann auch ein bisschen ängstlich sein“, erzählt Léon Lück, angehender Mediziner und seit 2019 bei der StuPoli dabei. „Bei Petra Tiarks-Jungk fühlt man sich sofort gut aufgehoben.“
 
Es sei ein Miteinander auf Augenhöhe zwischen ihr und den Studierenden, sagt Tiarks-Jungk. Die Atmosphäre in der StuPoli beschreibt sie als freundschaftlich und locker. Immer zwei Studierende, insgesamt sind es über 50, untersuchen die Patientinnen und Patienten: Studierende mit Erfahrung und Studierende, die eine erste praktische Prüfung abgelegt haben. Die Neulinge erheben die Anamnese, nehmen beispielsweise Blut ab oder führen eine Ultraschalluntersuchung durch, die Erfahrenen betreuen sie. Bei Fragen wenden sich beide an den begleitenden Arzt oder die begleitende Ärztin. „Wir sind immer die letzte Instanz und tragen die Verantwortung“, erklärt Tiarks-Jungk.
 
Es sind hauptsächlich akute Erkrankungen oder auch chronische Leiden wie Bluthochdruck oder Diabetes, mit denen Menschen ohne Krankenversicherung – das können deutsche Staatsbürgerinnen und -bürger sein, EU-Bürgerinnen und -bürger und auch Migrantinnen und Migranten ohne geklärten Aufenthaltsstatus –  in die Sprechstunden kommen. Einige von ihnen untersuchen die Studierenden wenige Mal, andere kommen über Jahre hinweg wie in eine Hausarztpraxis. „Pro Sprechstunde haben wir rund zehn Patientinnen und Patienten“, sagt Léon Lück. Die Studierenden untersuchen ausschließlich Erwachsene. „Falls jemand ein krankes Kind dabei hat, schauen wir natürlich auch nach ihm und verweisen dann auf die Humanitäre Sprechstunde für Kinder des Gesundheitsamts“, erklärt der angehende Mediziner. Und wenn ein Patient oder eine Patientin nicht ausreichend versorgt werden kann, weil die Erkrankung zu gravierend ist?  „Versuchen wir, ihn oder sie an einer anderen Stelle unterzubringen. Für mich ist es immer wieder eine große Motivation und Freude zu sehen, mit wie viel Engagement sich alle bei uns in der StuPoli einsetzen, um unsere Patientinnen und Patienten zu versorgen. Dadurch besteht auch ein ganz besonderes Gemeinschaftsgefühl.“
 
„Die Studierenden können sich wirklich Zeit nehmen für ihre Patientinnen und Patienten. Dass sich jemand auf diese Weise um sie kümmert, wertschätzen die Patientinnen und Patienten sehr“, weiß Dr. Petra Tiarks-Jungk. Für die Studierenden wiederum ist es sehr wertvoll, durch ihr Engagement in der StuPoli nicht nur ihre klinischen Basisfähigkeiten auszubauen, sondern auch soziale Verantwortung zu übernehmen und ihre interkulturelle Kompetenz zu stärken. „Ich persönlich fühle mich dadurch für meinen ersten Dienst im Krankenhaus, den ich im kommenden Mai in meinem Praktischen Jahr antrete, besser gerüstet und gelassener“, sagt Lück.
 
Die StuPoli ist für alle ein Gewinn: Für Menschen ohne Krankenversicherung, für die Medizinstudierenden und auch für die Ärztinnen und Ärzte, die sie betreuen. „Hätte es dieses Fach schon während meines Studiums gegeben, ich hätte mich sofort dafür angemeldet“, sagt Tiarks-Jungk.

Informationen zu StuPoli
Die StuPoli Frankfurt bietet dienstags von 17 bis 19 Uhr und mittwochs von 18 bis 20 in den Räumlichkeiten des Gesundheitsamtes in der Breiten Gasse 28, 2. Obergeschoss, ihre kostenlose Sprechstunde für Menschen ohne Krankenversicherung an. Dienstags findet außerdem die studentische Sozialberatung „Beratungslotsen – Verweisstelle in soziale Beratung für Personen ohne Krankenversicherungsschutz“ statt. Studierende der Sozialen Arbeit der Frankfurt University of Applied Sciences führen die Beratung unter Anleitung der Sozialarbeiterin Ramona Brinkmann aus dem Gesundheitsamt durch.

Im Jahr 2017 hat die Studentische Poliklinik den Hessischen Hochschulpreis für Exzellenz in der Lehre erhalten.

Text: Anja Prechel

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