Wie das Projekt „SAME. Anders ist normal!“ des Gesundheitsamts Schülerinnen
und Schüler über psychische Erkrankungen aufklärt
Josephine Wascowitzers Tipp, wenn es um
psychische Gesundheit geht: „Ehrlich und offen sein – zu sich und auch zu den
anderen. Und sich jemandem zum Reden suchen.“ Das kann eine Freundin sein, der
Partner oder, wenn man noch zur Schule geht, ein Lehrer oder die Schulpsychologin.
Natürlich: Ehrlich und offen über das zu sprechen, was einen belastet, kann
Überwindung kosten. Doch es lohnt sich. Das will die Abteilung Psychische
Gesundheit des Frankfurter Gesundheitsamts jungen Menschen mit „SAME. Anders
ist normal!“ vermitteln. Die Psychologin Wascowitzer betreut das Projekt, das
mehrmals pro Monat an verschiedenen Frankfurter Schulen und in
Jugendinstitutionen zu Gast ist, und bei dem Betroffene eine tragende Rolle
spielen. Hier berichtet sie über „SAME“, ihre Erfahrungen, die Rückmeldungen
von Schülerinnen, Schülern und Lehrkräften und darüber, was das Projekt für sie
persönlich so wertvoll macht.
JOSEPHINE WASCOWITZER: „SAME. Anders ist normal!“ ist ein Projekt, mit dem
wir die psychische Gesundheit von jungen Menschen fördern wollen. Wir besuchen
Schulklassen ab der 9. Jahrgangsstufe in ganz Frankfurt, um sie für den Umgang
mit psychischen Krisen und Erkrankungen zu sensibilisieren. Dabei setzen wir
auf eine Mischung aus Informationen und persönlichen Geschichten. Wir sprechen
mit den Schülerinnen und Schülern über die häufigsten psychischen Erkrankungen
bei Jugendlichen, also über Ängste, Depressionen, auch Schizophrenie und
Psychosen. Wir geben ihnen Informationen an die Hand und Adressen, wo sie Hilfe
finden können. Wir stellen ihnen die Frage, was sie selbst machen können, um
sich etwas Gutes zu tun, zum Beispiel Freunde treffen, Musik hören, singen,
Sport treiben.
Sie besuchen die Klassen immer im Tandem?
WASCOWITZER: Während wir Workshop-Leiterinnen und -Leiter für die Infos sorgen,
berichten unsere Begleiterinnen und Begleiter aus ihrer persönlichen
Perspektive: Von ihrer psychischen Erkrankung, wie diese sich auf ihr Leben
auswirkt, was ihnen hilft. Sie stehen im Zentrum jedes Schulbesuchs.
So ein persönlicher Bericht kann bei Jugendlichen, die in Ihren Erzählungen
einen Freund oder vielleicht sich selbst wiederfinden, Verunsicherung auslösen.
Wie gehen Sie vor?
WASCOWITZER: Wir informieren uns vor jedem Besuch, ob es in der Klasse
besondere Vorkommnisse gab oder es etwas zu beachten gibt. Zudem holen wir die
Schülerinnen und Schüler durch den pädagogischen Info-Teil erstmal ab, bevor
die Begleiterinnen und Begleiter von sich erzählen. Während dieses Parts haben
die Begleiterinnen und Begleiter Zeit herauszufinden, wie die Klasse auf sie
wirkt und können sich Gedanken machen, was genau sie den Schülerinnen und
Schülern später erzählen werden.
Wie reagieren die Jugendlichen?
WASCOWITZER: Die jungen Menschen sind meist noch sehr offen und zugänglich für diese
Art Themen. Oftmals machen sie wunderbare und sehr kluge Aussagen oder es
kommen interessante Erkenntnisse zur Sprache. Die Erfahrungsberichte unserer
Begleiterinnen und Begleiter kommen besonders gut an – in den Feedbackbögen
bekommen sie immer die besten Bewertungen.
Es kommt auch vor, dass ein Schüler oder eine Schülerin nach der Projekteinheit
auf uns zukommt und unseren Rat sucht. Wir stellen in so einem Fall natürlich
keine Diagnose. Aber ein kurzfristiges Clearing ist immer möglich. Wir verweisen
auch auf spezifische Hilfsangebote, etwa die Angebote für junge Menschen bei
uns im Gesundheitsamt.
Wer hat „SAME“ ins Leben gerufen?
WASCOWITZER: Das Projekt startete 2009. Der damalige Abteilungsleiter hat
erkannt, dass in der Schule ein guter Anknüpfungspunkt zur Förderung der
psychischen Gesundheit im Allgemeinen ist. Ein Großteil der psychischen
Erkrankungen im Erwachsenenalter treten bereits in der Kindheit und Jugend auf
und sollten daher so früh wie möglich thematisiert und enttabuisiert werden.
Denn das kann dazu beitragen, dass sich betroffene Menschen früher Hilfe und
Unterstützung suchen. Und je früher eine Erkrankung erkannt und behandelt
werden kann, umso besser kann eine Genesung gelingen, den Betroffenen kann ein
unnötig langes Leiden erspart bleiben.
Warum ist es wichtig, dass es ein Projekt wie „SAME“ für Jugendliche gibt?
WASCOWITZER: Es sollte endlich normal sein, offen über psychische
Erkrankungen sprechen zu können – und zwar überall. Stigmatisierung ist
immer noch sehr ausgeprägt, auch in der Schule. Das kann dazu führen, dass sich
psychisch belastete Menschen nicht oder erst sehr spät die nötige Hilfe suchen.
Genau hier setzt „SAME“ an. Es zeigt, dass es sich lohnt, sich zu öffnen,
und es immer einen Weg gibt, auch wenn eine Situation noch so aussichtslos
erscheint. Es ist zudem sehr hilfreich und auch sinnvoll, diesen Weg nicht
alleine zu gehen und sich Unterstützung zu holen. Am besten so früh wie
möglich.
Warum liegt Ihnen persönlich dieses Projekt am Herzen?
WASCOWITZER: Mir persönlich liegt die Arbeit mit Jugendlichen sehr am Herzen.
Die persönlichen Erfahrungen unserer Begleiterinnen und Begleiter und auch die
Offenheit, Aussagen und Erkenntnisse der Jugendlichen sind ein wahrer Schatz.
Und wir haben das große Glück, ihn im Rahmen des Projekts immer wieder heben zu
dürfen. Wir können wirklich etwas bei den Jugendlichen bewegen. Eine meiner
Begleiterinnen sagte einmal: „Es heißt, es ist besser, eine Kerze anzuzünden,
als über die Dunkelheit zu klagen.“ Das ist es, was wir mit
„SAME“ versuchen.
Infos und Anmeldung
Weitere Informationen zu „SAME. Anders ist normal!“ kann man
bei Josephine Wascowitzer per E-Mail an [email protected]Internal Link anfragen. Auch wer Interesse hat, Teil der Tandems
zu werden und von seinen persönlichen Erfahrungen mit einer psychischen
Erkrankung zu berichten, kann sich an die Psychologin wenden.