Ein KZ mitten in Frankfurt – Gedenken in der Paulskirche
25.03.2025, 07:23 Uhr

80 Jahre Todesmarsch von Frankfurt nach Hünfeld
„In der Tat war es auf diesen Märschen wahrscheinlicher zu sterben als zu überleben." (Andrzej Branecki, Überlebender Todesmarsch)
Es ist genau 80 Jahre her, als
kurz vor Ende des Zweiten Weltkriegs vom KZ „Katzbach“ in den Frankfurter
Adlerwerken aus der so genannte „Todesmarsch“ startete und im Anschluss das KZ
aufgelöst wurde. Die Stadt Frankfurt hat an diesen 24. März 1945 in einer
Gedenkstunde in der nahezu voll besetzten Paulskirche erinnert.
„In dieser Stunde vor 80 Jahren passierte in Frankfurt Grauenvolles. Etwa 360
abgemagerte und erschöpfte Männer zogen zu Fuß und von bewaffneten SS-Wachen
angetrieben von den Adlerwerken im Stadtteil Gallus aus über das nördliche
Mainufer, über die Hanauer Landstraße nach Fechenheim, über Dörnigheim, an Hanau
vorbei und weiter durch zahlreiche Städte und mehr als 20 Dörfer in Hessen. Ihr
Ziel war das osthessische Hünfeld. Dies waren die noch am Leben verbliebenen
und zum Gehen fähigen Häftlinge des Konzentrationsaußenlagers in den
Adlerwerken“, sagte die Kultur- und Wissenschaftsdezernentin Ina Hartwig zu
Beginn der Veranstaltung.
Angehörige der Opfer besuchen
Frankfurt
Von August 1944 bis März 1945 bestand in den Frankfurter Adlerwerken das
KZ-Außenlager unter dem Decknamen „Katzbach“. Insgesamt 1616 Menschen aus
elf Nationen, vorwiegend aus Polen mussten hier Zwangsarbeit für die
nationalsozialistische Rüstungsproduktion leisten. Noch Jahrzehnte nach dem
Todesmarsch sagte der Überlebende Andrzej Korczak-Branecki: „Frankfurt war der
schlimmste Ort, an dem ich in meinem ganzen Leben gewesen war“. Sein Sohn
Zbigniew, der für die Gedenkfeierlichkeiten aus Warschau angereist ist, teilte
die bewegte Geschichte seines Vaters mit den über 500 Gästen in der Paulskirche
und hielt eine ergreifende Rede.
Auch Jennifer Hauwert-Swistak, die Tochter des Überlebenden des KZ „Katzbach“
Zygmunt Świstak, ist der Einladung zur Veranstaltung aus dem über 16.000
Kilometer entfernten Melbourne in Australien gefolgt und sprach ebenfalls in
der Paulskirche. Hauwert-Swistaks Vater, Onkel und Großvater wurden während des
Warschauer Aufstandes im Sommer 1944 von Nationalsozialisten festgenommen und
über das KZ Dachau in das KZ „Katzbach“ deportiert. Von den dreien überlebte
nur ihr Vater die Frankfurter Haft. In ihrer Rede erzählte sie von den
unmenschlichen Bedingungen, die im KZ „Katzbach“ herrschten: „Sie wurden
gezwungen, an Maschinen zu arbeiten, die Komponenten für Militärfahrzeuge
herstellten. Sie waren sadistischer Grausamkeit ausgesetzt. Mein Vater stürzte
bei der Arbeit schwer und wurde in die medizinische Einrichtung des
Konzentrationslagers gebracht. Dort erhielt er die Nachricht, dass sein Bruder
Tadeusz ermordet worden war. Er war von SS-Soldaten zu Tode geprügelt worden.“
Nach den Reden der beiden Angehörigen, folgte ein Podiumsgespräch. Umrahmt
wurde die Gedenkveranstaltung von Musik polnischer Komponisten. Unter den
zahlreichen Gästen im Publikum waren auch weitere 18 Angehörige der einstigen
Häftlinge des KZ „Katzbach“. Sie kommen unter anderem aus Polen wie die
Warschauer Zwillingsbrüder Branecki, aus Holland, England, Australien und auch
aus Deutschland.
Kranzniederlegung am
Mahnmal für die Opfer der NS-Gewaltherrschaft
„Die positive Resonanz der Angehörigen auf unsere Einladung erfüllt mich mit
Dankbarkeit und Freude. Ich bewundere es, dass sie für die
Gedenkfeierlichkeiten zum Teil von sehr weit her angereist sind, um die
Erinnerung wachzuhalten und den Jahrestag mitzuerleben. Es ist ein wichtiges
Zeichen, das wir sehr schätzen. Es unterstreicht die Bedeutung der
erinnerungskulturellen Bemühungen rund um das Thema KZ „Katzbach“ und
Zwangsarbeit in Frankfurt“, sagte der Leiter des Geschichtsorts
Adlerwerke, Thomas Altmeyer.
Im Anschluss an das Programm gingen alle gemeinsam mit Kulturdezernentin
Hartwig nach draußen, um einen Kranz am Mahnmal für die Opfer der
NS-Gewaltherrschaft an der Westseite der Paulskirche niederzulegen.
Kommunenübergreifendes
Veranstaltungsprogramm anlässlich des Jahrestages
Anlässlich des 80. Jahrestages des Beginns des Todesmarsches und damit der
Auflösung des KZ in den Adlerwerken wurde vom Frankfurter Kulturdezernat
zusammen mit dem Geschichtsort Adlerwerke ein kommunenübergreifendes
Veranstaltungsprogramm zum Gedenken und Erinnern an die Opfer initiiert.
Zahlreiche Kommunen und Initiativen schlossen sich zusammen und entwickelten
ein vielfältiges Programm entlang der einstigen Todesmarschroute. Die zentrale
Gedenkstunde wurde bewusst auf das exakte Datum gelegt, an dem der Todesmarsch
startete und holte das Thema in die Stadtmitte, an den Ort der deutschen
Demokratiegeschichte, die Paulskirche. Weitere Aktionen, Ausstellungen,
Führungen, Gedenkveranstaltungen, Gottesdienste, Konzerte, Lesungen,
Performances und Vorträge finden noch bis Ende März in Frankfurt, Maintal,
Gelnhausen, Wächtersbach, Schlüchtern, Fulda und Hünfeld statt. Darüber
informiert ein Flyer und die extra für das Projekt eingerichtete Website 80 Jahre Todesmarsch
Frankfurt–Hünfeld.
Die Geschichte des KZ „Katzbach“ und des Todesmarsches im März 1945 von
Frankfurt nach Hünfeld wird noch bis Ende März als Wanderausstellung in der
Paulskirche gezeigt.