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Bahnhofsvorplatz heißt jetzt „Emilie-und-Oskar-Schindler-Platz“

27.04.2025, 20:40 Uhr

Enthüllung des „Emilie-und-Oskar-Schindler-Platz“-Schildes
Enthüllung des „Emilie-und-Oskar-Schindler-Platz“-Schildes © Stadt Frankfurt am Main, Foto: Martin Leissl

Am Sonntag, 27. April, wurde der Vorplatz des Frankfurter Hauptbahnhofs offiziell in „Emilie-und-Oskar-Schindler-Platz“ umbenannt. Es war der Vorabend von Oskar Schindlers 118. Geburtstag. Oberbürgermeister Mike Josef, Ortsvorsteher Michael Weber und Prof. Dr. Dr. Michel Friedman, der Schindler persönlich kannte, dessen Eltern von ihm gerettet wurden und der sich seit langem für die Benennung engagiert, enthüllten am Nachmittag das neue Straßenschild. Am Abend wurde der neue „Emilie-und Oskar-Schindler-Platz“ in Frankfurt im Kaisersaal des Rathauses mit einem Empfang gefeiert. Neben den Genannten sprachen in einer von Michael Weber moderierten Runde die stellvertretende Vorsteherin des Ortsbeirats 1, Petra Thomsen, sowie die Zeitzeugin Prof. Erika Rosenberg-Band und der Zeitzeuge Michael Trautwein.

„Wenn ich an Oskar Schindler und seiner Ehefrau Emilie denke, fällt mir immer dieser Satz aus dem Talmud ein: Wer ein Leben rettet, rettet die ganze Welt. Er wird oft mit den Schindlers in Verbindung gebracht, die während des Holocausts viele Leben retteten. Der Spruch drückt die immense Bedeutung des Lebens eines einzelnen Menschen aus und betont, dass das Retten eines Lebens gleichbedeutend ist mit dem Retten der gesamten Menschheit“, sagte Oberbürgermeister Josef. „Als ich den Spielberg-Film ,Schindlers Liste‘ sah, wurde ich das erste Mal mit dem Leben und Wirken des Ehepaars konfrontiert. Der Film berührt mich noch heute zutiefst“. Mit der Benennung dieses zentralen Platzes am Hauptbahnhof nach Emilie und Oskar Schindler will die Stadt Frankfurt ein Zeichen setzen. Das ist laut Mike Josef längst überfällig. „Denn es bedarf viel Mut, sich unter einer Terrorherrschaft wie dem Naziregime unter Einsatz des eigenen Lebens für andere einzusetzen. Wir können, das Andenken an die Schindlers und Ihre Verdienste ehren indem wir heute unsere Demokratie verteidigen“, betonte Josef.

Kaum jemand weiß, dass Oskar Schindler zehn Jahre in Frankfurt lebte

Kultur- und Wissenschaftsdezernentin Ina Hartwig sagte: „Oskar Schindler ist heute weltweit vielen Menschen ein Begriff, nicht zuletzt durch Steven Spielbergs Film ,Schindlers Liste‘. Nur wenige wissen dagegen, wie bedeutend die Rolle seiner Frau Emilie Schindler gewesen ist und dass Oskar Schindler in der Nachkriegszeit fast zehn Jahr lang in Frankfurt lebte. Mit der Benennung dieses zentralen Platzes nach dem Ehepaar direkt am Frankfurter Hauptbahnhof würdigt die Stadt den Heldenmut der Schindlers und macht die historische Verbindung zu Oskar Schindler dauerhaft im öffentlichen Raum sichtbar.“

Und Michael Weber, Vorsteher des Ortsbeirats 1, sagte: „Emilie und Oskar Schindler haben mit außergewöhnlicher Zivilcourage und Menschlichkeit gehandelt – in einer Zeit, in der Wegschauen einfacher gewesen wäre. Ihr Mut, sich für das Leben anderer einzusetzen, bleibt ein leuchtendes Vorbild und ein eindrucksvolles Zeugnis dafür, was Einzelne bewirken können.“

Das Ehepaar Schindler rettete mehr als 1200 Jüdinnen und Juden vor der Ermordung

Oskar Schindler zog 1939 in das von der deutschen Wehrmacht besetzte Krakau, wo er eine Fabrik aufbaute und als Geschäftsmann von der Kriegssituation profitieren konnte. Emilie Schindler folgte ihm 1941. In den folgenden Jahren wandelte sich Schindler vom opportunistischen NSDAP-Mitglied zum Gegner des Systems und rettete gemeinsam mit seiner Ehefrau mehr als 1200 Jüdinnen und Juden vor der Ermordung in den Vernichtungslagern der Nationalsozialisten. Das Ehepaar Schindler riskierte dabei das eigene Leben und setzte sein gesamtes Vermögen dafür ein.

Die Eltern des bekannten Publizisten, Philosophen und Juristen Prof. Dr. Dr. Michel Friedman wurden von den Schindlers vor den Nationalsozialisten gerettet. Er sagte: „Nach der Befreiung haben die meisten Deutschen, wenn man sie gefragt hat, warum sie nicht Nein zu Hitler gesagt haben, geantwortet: ,Was kann ein Einzelner schon tun? Was kann ein Einzelner schon gegen die da oben tun?‘ Oskar Schindler hat getan und bewiesen, dass die Hilflosigkeit nur eine billige Ausrede war von feigen Deutschen, opportunistischen Deutschen, gleichgültigen Deutschen, Nazi-Deutschen. Wer heute in einer demokratischen Freiheit lebt, und statt sich zu engagieren, wieder sagt ,Was kann ein Einzelner schon tun?‘ macht sich mitverantwortlich, dass die Gegner der Demokratie, die Menschenhasser, lauter und erfolgreicher werden. Oskar Schindler hätte ihnen zugerufen: ,Macht euch auf den Weg. Tut was. Im Gegensatz zu mir, der im Krieg handelte, seid ihr im freiesten Deutschland, dass es ja gab‘“.

Prof. Erika Rosenberg-Bands lernte Emilie Schindler 1990 in Argentinien kennen, wurde zu ihrer Biografin und war bis zu ihrem Tod eng mit ihr befreundet. Sie sagte: „Emilie Schindler war eine unglaublich starke und bewundernswerte Frau: Mutig, zivilcouragiert, selbstlos und dabei mütterlich und menschlich. Auf die Frage, warum sie Juden rettete, antwortete sie immer: ,Ich sah die zu Sklaven erniedrigten und wie Tiere behandelten Juden, denen alles und jedes verboten war. Ich sah sie ihres gesamtes Besitzes, sogar ihrer Familien beraubt, ohne jedes Recht und konnte angesichts ihres furchtbaren Schicksals nur Mitleid fühlen. Ich musste schnell handeln...! Angst hatte ich keine. Angst ist ein schlechter Begleiter.‘ Diese Worte haben mich sehr beeindruckt. Leider stand und steht Emilie Schindler immer ein wenig in Oskars Schatten. Doch sie trug genau wie ihr Mann maßgeblich dazu bei, dass so viele Jüdinnen und Juden gerettet werden konnten. Ich habe sie sehr gemocht und auch ein bisschen bewundert.“

Hans-Michael Trautwein ist der Sohn des Frankfurter Ehepaars Trautwein, das mit Oskar Schindler befreundet war. Sein Vater, der Pfarrer Dieter Trautwein, war in den 1960er Jahren einer der ersten, der sich für die Würdigung Oskar Schindlers einsetzte: „Für uns Kinder war Oskar Schindler ein großherziger Onkel, der uns reichlich beschenkte und kuriose Geschichten erzählte. Was er Großes getan hatte, bekamen wir schon mit, konnten es aber erst nach seinem Tode richtig erfassen“, sagte Hans-Michael Trautwein.

Nach dem Krieg zogen Oskar und Emilie Schindler aus Deutschland weg, er kehrte später nach Frankfurt zurück

In der Nachkriegszeit lebten Emilie und Oskar Schindler zeitweise in Argentinien und betrieben eine Nutriafarm, bis diese 1957 wirtschaftlich scheiterte und Oskar Schindler nach Deutschland zurückkehrte. Emilie Schindler blieb in Argentinien. Von 1957 bis zu seinem Tod 1974 lebte Oskar Schindler in der Nähe des Frankfurter Hauptbahnhofs, reiste aber immer wieder zu längeren Aufenthalten nach Jerusalem, wo er zahlreiche Kontakte zu von ihm geretteten Jüdinnen und Juden und ihren Familien hatte. Hier wurde Oskar 1962, Emilie Schindler 1994 in Yad Vashem als „Gerechte unter den Völkern“ ausgezeichnet. Emilie Schindler starb 2001 bei einem Besuch in Deutschland, wenige Wochen, nachdem sie gemeinsam mit dem damaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder eine Ausstellung im Haus der Geschichte eröffnet hatte.

Die Benennung des Bahnhofsvorplatzes nach dem Ehepaar Schindler wurde bereits 2023 beschlossen und nun umgesetzt, um die Erinnerung an seine Verdienste sowie den Bezug Oskar Schindlers zu Frankfurt im öffentlichen Raum der Stadt zu verankern.

Der Roman „Schindlers Liste“ aus dem Jahr 1982 von Thomas Keneallys und besonders die gleichnamige Verfilmung von Steven Spielberg von 1993 machten die Geschichte der Schindlers weltbekannt.


Bildunterschrift:
Stadtverordnetenvorsteherin Arslaner, Oberbürgermeister Josef, Ortsvorsteher Michael Weber und Prof. Michel Friedman während der Enthüllung des „Emilie-und-Oskar-Schindler-Platz“-Schildes, Copyright: Stadt Frankfurt am Main, Foto: Martin Leissl
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