Cannabis auf Kassenrezept
17.10.2024, 11:22 Uhr
Drogenreferat begrüßt Neuregelung
bei Verschreibung von Medizinalcannabis und unterstützt mit Angeboten für
Fachkräfte und Patient:innen
Ab sofort benötigen zahlreiche Ärzt:innen keine Genehmigung
der Krankenkasse mehr, um medizinisches Cannabis zu verordnen. Dr. Artur
Schroers, der Leiter des Frankfurter Drogenreferats, verspricht sich davon spürbare
Verbesserungen für viele Menschen mit schwerwiegenden Erkrankungen. „Mit der
Teil-Abschaffung des Genehmigungsvorbehalts entfällt eine große Hürde für die Verwendung
von medizinischem Cannabis. Patient:innen erhalten leichteren Zugang zu einer
vielversprechenden Therapie-Option.“
Der Gemeinsame Bundesausschuss, das höchste Gremium der Selbstverwaltung im deutschen Gesundheitswesen, hat am 18. Juli die Abschaffung des Genehmigungsvorbehalts für einen großen Teil der Ärzteschaft beschlossen. Seit Donnerstag, 17. Oktober, ist der Beschluss in Kraft. Sechzehn Facharztgruppen, darunter auch Fachärzt:innen für Allgemeinmedizin, und zahlreiche Ärzt:innen mit bestimmten Zusatzbezeichnungen können nun direkt ein Kassenrezept für Medizinalcannabis ausstellen. Eine umständliche Kostengenehmigung bei der Krankenkasse ist für sie nicht mehr nötig. Den Wegfall von Bürokratie begrüßt Schroers. „Ärzt:innen sollten über die Verschreibung von Cannabis-Medikamenten allein unter Abwägung medizinischer Gesichtspunkte entscheiden.“ Das könne durch die Neuregelung besser gelingen.
Bürokratische Hürden für Cannabis auf Rezept
Bislang gestaltet sich der Zugang zu Medizinalcannabis oft als schwierig, obwohl die Kosten für eine Cannabis-Behandlung in Deutschland seit 2017 von den Krankenkassen übernommen werden. Vom Drogenreferat in Auftrag gegebene wissenschaftliche Studien zeigen, dass nur wenige Ärzt:innen bereit sind, Cannabis zu verschreiben. Viele scheuen den hohen bürokratischen Aufwand. Denn für jede Behandlung war bislang ein umfangreicher Antrag auf Kostenübernahme bei der Krankenkasse erforderlich.
Unter den Patient:innen, die keine Kassenärzt:innen finden, bildet sich eine Art „Zweiklassensystem“: Wer es sich leisten kann, nutzt teure privatärztliche Anbieter:innen, die Rezepte für Selbstzahler:innen ausstellen. Die übrigen Personen setzen sich entweder den Risiken einer Selbstmedikation aus oder verzichten auf eine erfolgversprechende Behandlungsmöglichkeit.
Vielfältige Einsatzfelder bei schwerwiegenden Erkrankungen
Eingesetzt wird medizinisches Cannabis unter anderem bei chronischen Schmerzen, bei Multipler Sklerose, bei Übelkeit und Erbrechen infolge einer Chemotherapie, aber auch bei psychiatrischen Erkrankungen wie dem Tourette-Syndrom. Nur schwerstkranke Menschen kommen für ein Kassenrezept in Frage. Laut einer Studie des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) leiden Patient:innen in Deutschland durchschnittlich zehn Jahre an ihrer Erkrankung, bevor sie medizinisches Cannabis erhalten. 70 Prozent von ihnen wurden zuvor mit Opioiden behandelt. Umso beeindruckender fällt der Erfolg der Cannabis-Behandlung aus. Bei fast drei von vier Fällen wird in der Studie des BfArMs von einer deutlichen oder moderaten Verbesserung der Symptomatik berichtet.
Doch auch in Zukunft werden viele Ärzt:innen wohl kein Cannabis zu Lasten der gesetzlichen Krankenkasse verordnen, gibt sich Drogenreferatsleiter Schroers überzeugt. Der jetzt teilweise wegfallende Genehmigungsvorbehalt sei ein guter Schritt, andere Schwierigkeiten bestünden aber fort, zum Beispiel die hohen und auslegungsbedürftigen rechtlichen Voraussetzungen für eine Cannabis-Verordnung und die daraus resultierenden Regressrisiken für die Ärzteschaft. Außerdem fehle es teilweise am erforderlichen Wissen. Der Einsatz von Cannabis-Medikamenten ist in der deutschen Medizin noch relativ neu, und viele Ärzt:innen haben mit dem Thema bislang wenig Berührungspunkte.
Angebote des Drogenreferats
Das Drogenreferat hat deshalb bereits im Jahr 2021 ein regionales Netzwerk für medizinische und pharmazeutische Fachkräfte initiiert. Viermal im Jahr treffen sich die Teilnehmenden, um aktuelle fachliche Fragen zu besprechen. Informationen bieten auch eine eigens eingerichtete Projektwebsite (www.medizinisches-cannabis-frankfurt.de) und ein quartalsmäßig erscheinender Newsletter des Drogenreferats (Anmeldung: medizinisches.cannabis@stadt-frankfurt.de).
Speziell an Patient:innen richtet sich eine monatliche
Telefonsprechstunde. Ein Arzt und ein Jurist beraten im Auftrag des
Drogenreferats kostenfrei zu allen medizinischen und rechtlichen Fragen rund um
das Thema Medizinalcannabis (Telefonische Anmeldung:
Rückfragen an das Drogenreferat, Telefon