FRANKFURT.DE - DAS OFFIZIELLE STADTPORTAL

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Dezernat VIII

„Wir werden diese Erfolgsgeschichte der Zeit anpassen“

02.05.2024

Sozial- und Gesundheitsdezernentin Elke Voitl im Gespräch mit dem Leiter des Frankfurter Drogenreferats, Dr. Arthur Schroers.
Sozial- und Gesundheitsdezernentin Elke Voitl im Gespräch mit dem Leiter des Frankfurter Drogenreferats, Dr. Arthur Schroers (r.). © Stadt Frankfurt am Main, Foto: Peter Hillgärtner

Stadträtin Elke Voitl erläutert Hintergründe zu geplantem Drogenhilfezentrum

Sozial- und Gesundheitsdezernentin Elke Voitl will den wegweisenden Frankfurter Weg der Drogenpolitik in die Zukunft führen und plant dazu unter anderem ein Integriertes Drogen- und Suchthilfezentrum. Dazu erklärte sie am Donnerstag (2. Mai 2024) in der Stadtverordnetenversammlung:

„Der Frankfurter Weg ist eine Erfolgsgeschichte. Denn er ist mit das Beste, was die Drogenpolitik in Deutschland in den vergangenen Jahrzehnten hervorgebracht hat. Der Frankfurter Weg rettet Menschenleben. Er ist Vorbild geworden für viele Städte.

Erinnern Sie sich noch an die 90er Jahre hier in Frankfurt? Als Heroin die Stadt überschwemmte? Da konnten Sie morgens durch die Taunusanlage gehen und Leichen einsammeln! Totkranke Menschen, die wir nachts auf offener Straße haben sterben lassen! Fast jeden zweiten Tag ein Toter. Fast jeden zweiten Tag ein Mensch, den unsere Gesellschaft buchstäblich im Stich gelassen hat. Mit der Einführung des Frankfurter Wegs hat sich das grundlegend geändert.

Er hat einen Paradigmenwechsel eingeläutet. Er hat dafür gesorgt, dass drogenkranke Menschen nicht mehr als Kriminelle angesehen werden. Er hat auch dafür gesorgt, dass Schwerstabhängigen sichere und saubere Orte zur Verfügung gestellt wurden. Zunächst für den Aufenthalt, dann für den Konsum. Die Folge: Die Zahl der Drogentoten hat sich von 147 im Jahr 1991 innerhalb kurzer Zeit auf rund 20 jährlich verringert und hält sich seitdem – übrigens entgegen dem Deutschlandtrend – auf diesem Niveau. Und noch nie ist in einem der Druckräume der Stadt ein Mensch an einer Überdosis gestorben. Auch ein Erfolg unserer Drogenpolitik.

Ja – eine Erfolgsgeschichte, die Leben rettet. Aber diese Erfolgsgeschichte hat Risse bekommen. Sie wissen das alle hier. Daher müssen wir diese Erfolgsgeschichte den sich ändernden Anforderungen der Zeit dringend anpassen. Unser gemeinsames Ziel: Der Frankfurter Weg 2.0! Weil dieses Ziel so wichtig ist haben wir es auch im Koalitionsvertrag verankert.

Ihnen ist sicher bekannt, dass sich der Konsum illegaler Drogen in den letzten Jahren deutschlandweit verändert hat. Weg von Heroin, hin zu Crack. Eine Droge, die ein völlig anderes Suchtbild erzeugt. Und da setzen wir gerade den Hebel an. Mit einem Integrierten Drogen- und Suchthilfezentrum. Eine Einrichtung, die den veränderten Bedingungen Rechnung trägt. Auch wenn es gelegentlich gern behauptet wird, werden wir dort selbstverständlich kein Crack verteilen. Wir wollen vielmehr einen Ort, wo wir schwerst Suchtkranken helfen – auch, um sie damit von der Straße zu bekommen.

Diesen Ort suchen wir gerade. Neben der Bereitschaft der Eigentümer zu einer solchen Nutzung spielen dabei natürlich der bauliche Zustand der Immobilie, der Umfang der nötigen Umbauarbeiten sowie die Kosten und Vertragsgestaltung eine Rolle. Derzeit sind ein paar interessante Objekte in der Endauswahl, soviel kann ich hier schon verraten. Für dieses Drogen- und Suchthilfezentrum braucht es aber nicht nur eine Immobilie. Es braucht auch andere rechtliche Rahmenbedingungen.

Denn viele Hilfen können wir aktuell noch gar nicht so anbieten, wie es wünschenswert wäre. Ein Beispiel dafür: Die Immobilie, die wir aktuell verhandeln, braucht einen Innenhof. Denn nur dort – unter freiem Himmel – kann der Konsum von Drogen und Substitutionsmitteln unter bestimmten Voraussetzungen überhaupt geduldelt werden kann. Würden wir das in einem hygienisch einwandfreien Raum – trocken und sauber – erlauben, würden wir uns nach aktueller Auslegung strafbar machen. Das darf doch nicht sein! Deshalb brauchen wir dringend andere rechtliche Rahmenbedingungen und Rechtssicherheit. Auch für unsere Betriebe und Mitarbeitenden.

Konkret notwendig wäre eine Änderung der Konsumraumverordnung sowie der Landesverordnung zum Drug Checking, wie sie der Bundestag bereits auf den Weg gebracht hat. Nur mit der Zeit angepassten rechtlichen Rahmenbedingungen können – und dürfen – wir testen, welche Behandlungsmethoden bei Crack-Abhängigen wirken und wo wir weitere Handlungsspielräume haben. Grundsätzlich denkbar sind etwa Ersatzbehandlungen mit Diamorphin, Amphetaminen, Kokain oder Cannabis. Denn eine echte Substitution von Crack gibt es nicht. Doch zu dieser gesamten Fragestellung fehlen belastbare Studien – und die wenigen existierenden Untersuchungen lassen sich kaum auf Deutschland übertragen. Warum nicht? Ganz einfach: Weil wir Vieles nicht dürfen.

Daher bin ich dem Hessischen Innenminister dankbar, dass er dieses Thema aufgreift. Ich hoffe doch, dass Roman Poseck jetzt dafür sorgt, dass das Land diese dringend notwendigen Rechtsgrundlagen schnellstmöglich auf den Weg bringt. Und nicht nur fordert, im Bahnhofsviertel müsse sich etwas tun. Denn die Zeit läuft uns allmählich davon. Lassen Sie uns das ändern! Lassen Sie uns stattdessen gemeinsam hier in Frankfurt unsere Erfolgsgeschichte in die Zukunft führen! Lassen Sie uns unbeirrt weiter Menschenleben retten! Und lassen Sie uns so ein internationales Vorbild erfolgreicher Drogenpolitik bleiben!“

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