FRANKFURT.DE - DAS OFFIZIELLE STADTPORTAL

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Dezernat VIII

Gesundheitsdezernentin Voitl berichtet zum geplanten Hilfezentrum

26.05.2025

Hier in der Niddastraße 76 soll nach dem Vorschlag des Magistrats Frankfurts neues Hilfezentrum entstehen.
Hier in der Niddastraße 76 soll nach dem Vorschlag des Magistrats Frankfurts neues Hilfezentrum entstehen. © Stadt Frankfurt am Main, Foto: Christian Rupp

Sozial- und  Gesundheitsdezernentin Elke Voitl hat am 23. Mai in der Sitzung des Ausschusses für Soziales und Gesundheit über die Pläne der Stadt zum Hilfezentrum Niddastraße berichtet. Hier die Rede der Stadträtin im Wortlaut:

Wie Sie wissen, soll in der Niddastraße 76 ein neues Hilfezentrum entstehen.
Der Magistrat hat am vergangenen Freitag, 16. Mai, den entsprechenden Beschluss gefasst.
Abschließend müssen die Stadtverordneten dem Vortrag des Magistrats zustimmen.
Das geschieht voraussichtlich in der Sitzung am 3. Juli im regulären Verfahren.
Sowohl im Ortsbeirat 1 als auch hier im Ausschuss gibt es also ausreichend Zeit für die Beratungen zum Hilfezentrum. [...]
Das Thema steht am 24. Juni auf der Tagesordnung im Ortsbeirat 1 und am 17. Juni auf der Tagesordnung hier im Ausschuss. [...]
Außerdem planen wir aktuell Informationsveranstaltungen für die Anwohnenden und auch für unterschiedliche Initiativen im Viertel.
Selbstverständlich nehme ich die Sorgen und Befürchtungen, die in den letzten Wochen geäußert wurden, ernst.
Deswegen war und ist die Sozialverträglichkeit des Projekts ein wichtiger Faktor bei der Planung – und zwar von Beginn an.
Es wird ein Umfeldkonzept zu den Themenfeldern Sicherheit und Sauberkeit geben.
Außerdem planen wir bauliche Sicht- und Lärmschutzmaßnahmen im Hinterhof, um die Auswirkungen des Zentrums auf die unmittelbare Nachbarschaft weitestgehend zu minimieren.
Ergänzt wird das durch organisatorische Maßnahmen, die die Ordnung in und um die Einrichtung sicherstellen sollen: eine klare Hausordnung, die konsequent angewendet und eingehalten wird, und die permanente Präsenz von Personal während der Öffnungszeiten, das den Zugang reguliert und die Einhaltung der Hausordnung durchsetzt.
Dass ich diese Gespräche nun führe, nachdem der Magistrat zugestimmt hat, entspricht den regulären parlamentarischen Abläufen.
Das Zentrum soll insbesondere Lösungen für crackkonsumierende Menschen schaffen, die bislang so nicht vorhanden sind.
Wir entwickeln mit diesem Angebot unseren „Frankfurter Weg“ konsequent weiter und reagieren damit auf veränderte Konsummuster, neue Substanzen, aktuelle und erwartbare Bedarfe und Erfordernisse.
Die bestehenden Hilfseinrichtungen, die seit den 1990er Jahren im Zuge des „Frankfurter Wegs“ in der Drogenpolitik geschaffen wurden, richten sich in erster Linie an Konsument:innen von Opioiden und bieten diesen passgenaue Hilfsangebote.
Seit den 1990er Jahren konnten damit zahlreiche Leben gerettet werden.
Seit einigen Jahren jedoch dominiert Crack als vorherrschende Droge die Szene im Frankfurter Bahnhofsviertel.
Crack ist vergleichsweise einfach zu konsumieren.
Es wird in kurzen Intervallen geraucht und unterscheidet sich auch in der Wirkung sehr deutlich von dem Opioid Heroin.
So geraten die Konsumierenden schnell in einen psychisch und körperlich schlechten Zustand.
Außerdem putscht die Droge auf und beruhigt nicht – wie beispielsweise Heroin.
Das führt dazu, dass die Konsumierenden einen starken Bewegungsdrang haben, sehr unruhig und vereinzelt auch aggressiv werden.
Um auch Crack-Konsumierende von der Straße in die Drogenhilfeeinrichtungen zu holen, sind passende Hilfsangebote notwendig.
Und zwar genau dort, wo sich die Konsumierenden aufhalten.
Das ist in Frankfurt das Bahnhofsviertel.
Schaffen wir keine passende Einrichtung genau da, wird sich die derzeitige Situation nicht verbessern.
Die offene Drogenszene, die aufgrund der Verbreitung von Crack inzwischen große Verelendungserscheinungen aufweist, wird sich dann auch weiterhin im Bahnhofsviertel aufhalten.
Und die Szene wird dann auch weiterhin dort den öffentlichen Raum, Anwohner:innen, Gewerbetreibende und Besucher:innen belasten.
Die bestehenden Probleme werden nicht von selbst verschwinden.
In anderen Worten: nichts tun ist keine Lösung.
In den vergangenen Jahren hat die Stadt bereits zahlreiche wichtige Maßnahmen auf den Weg gebracht um die Situation im Bahnhofsviertel zu verbessern.
In den bestehenden Konsumräumen wurden Rauchplätze für Crack eingerichtet.
Die Straßensozialarbeit wurde personell aufgestockt und auch das medizinische und psychiatrische Angebot im Bahnhofsviertel wurde erweitert.
Mehrmals pro Woche sind die Mediziner:innen und ganz neu auch Psychiater:innen auf der Straße unterwegs und versorgen die Menschen auch vor Ort.
Mit dem Nachtcafé gibt es einen niedrigschwelligen Rückzugsort, der auch tagsüber und am Wochenende geöffnet ist.
Und die Zahl der Notschlafstellen wurde und wird weiter aufgestockt – aktuell auf insgesamt 143.
Mit dem nun geplanten Hilfezentrum erweitern und ergänzen wir bestehende Angebote und führen zahlreiche Hilfen unter einem Dach zusammen.
So trägt das Zentrum also einerseits dazu bei, schwersterkrankte Drogenkonsumierende von der Straße zu holen und damit ihr Überleben zu sichern.
Andererseits hat es auch das Potenzial, das sichtbare Elend auf der Straße zu minimieren und so den öffentlichen Raum deutlich zu entlasten.
Wir sind daher davon überzeugt, dass sich mit dem Neuen Frankfurter Hilfezentrum die Situation für alle Beteiligten im Frankfurter Bahnhofsviertel verbessern wird.
Bevor ich Ihnen nun die geplante Einrichtung vorstelle, möchte ich ein paar wichtige Punkte vorwegnehmen:

  • Im Hilfe-Zentrum sollen Frankfurter Suchterkrankte einen geschützten Raum für ihren Konsum sowie weitere Unterstützung erhalten.
  • Auswärtige Konsumierende sollen in der Einrichtung einmalig im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen notversorgt und dann aktiv in die Hilfsangebote ihrer Heimatregion vermittelt werden.
  • Es erfolgt kein Handel mit Drogen in der Einrichtung.
  • Mit der Eröffnung des Zentrums soll es konsequente repressive Maßnahmen der Polizei im Viertel geben.
  • Der Konsum auf der Straße wird dann nicht mehr toleriert, sondern geahndet, damit die Menschen in das Hilfezentrum gehen.
  • Die neue Einrichtung kommt nicht zusätzlich. Sie wird den Drogennotdienst in der Elbestraße ersetzen.

Das Haus soll gemeinsam von mehreren erfahrenen Trägern der Drogen- und Suchthilfe betrieben werden, die für unterschiedliche Bereiche der Einrichtung zuständig sind.
Die drei Träger sind die Malteser, die Integrative Drogenhilfe (idh) sowie der Verein Jugendberatung und Jugendhilfe (jj).
Die idh soll den Frauenbereich betreuen, die Malteser den psychiatrischen Notdienst und die medizinische Versorgung. jj wird die Konsumbereiche, das Café und Notübernachtungen verantworten.
Erstmals werden in einem Hilfezentrum mehrere Angebote der Drogenhilfe unter einem Dach zusammengeführt – von der Befriedigung grundlegender Bedürfnisse bis hin zu passgenauer Beratung: Es gibt Duschen und Waschgelegenheiten, eine Kleiderkammer, ein Krankenzimmer, eine Substitutionsambulanz, eine Wundversorgung, Notübernachtungen und Tagesruhebetten.
Das Ziel ist glasklar: weg von der Straße, raus aus der offenen Drogenszene und raus aus dem Bahnhofsviertel.
Außerdem gibt es Angebote nur für Frauen, einen großen Ruhebereich und Kochmöglichkeiten sowie Rechts- und Migrationsberatung.
Lediglich ein Viertel der Fläche ist als Konsumbereich geplant.
Im Hof und im Souterrain befinden sich die Konsumbereiche.
Auf ca. 180m² können hier rund 50 Menschen unter hygienischen Bedingungen und unter Aufsicht konsumieren.
Auch im Hinterhof wird während der Öffnungszeiten des Zentrums durchgängig Personal vor Ort sein, das den Zugang zum Hof und den Aufenthalt dort reguliert.
Zusätzlich wird es im Hof bauliche Sicht- und Lärmschutzmaßnahmen geben, um die Auswirkungen auf die unmittelbare Nachbarschaft weitestgehend zu minimieren.
Am Empfang im Souterrain wird auch eine sogenannte „Clearing-Stelle“ eingerichtet.
Hier erfolgt die Aufnahme der Menschen, die Abklärung des unmittelbaren Hilfebedarfs und die Prüfung der Personalien.
Hilfesuchende, die ihren Wohnsitz außerhalb des Stadtgebiets haben, werden nach einer Notversorgung im Zentrum in ihre Heimatorte zurückvermittelt.
Im Hochparterre planen wir einen großen Aufenthaltsbereich.
Die Menschen bekommen dort kostengünstig Getränke und Essen, das in der hauseigenen Küche zubereitet wird.
Außerdem gibt es einen Ruhebereich, in den sie sich zurückziehen und sich dort ausruhen können.
Wir wollen die Menschen auch direkt mit einbeziehen: als Hilfe in der Küche, der Essensausgabe und der Reinigung des Cafés.
Durch solche Arbeitsprojekte können sie in einem sicheren Umfeld eine Tagesstruktur entwickeln und gleichzeitig einen Nutzen für die Gemeinschaft erbringen.
Im 1. OG befinden sich die medizinischen und Hygiene-Angebote.
Neben Duschen und einer Kleiderkammer wird es hier ärztliche Behandlungszimmer geben, eine psychiatrische Versorgung, die Wundbehandlung sowie die Methadon-Vergabe.
Im 2. OG befinden sich Zimmer für Tagesruhe und Notübernachtung. Insgesamt können wir hier 26 Personen unterbringen – Männer und auch Frauen.
Neben den Schlafmöglichkeiten gibt es auf dieser Etage ebenfalls Duschen und auch einen Aufenthaltsraum.
Im Stockwerk darüber, dem 3. OG, entsteht ein Frauenbereich, hier werden nur Frauen und weiblich gelesene Menschen Zugang haben.
Auch hier gibt es Zimmer für Tagesruhe und Notübernachtung, in denen insgesamt 8 Frauen Platz haben.
Auch für sie gibt es Duschen und einen Aufenthaltsraum, der für niemanden sonst zugänglich ist.
Wir planen hier auch spezifische Frauenangebote, z.B. eine gynäkologische Sprechstunde und Gewaltschutzberatung.
Neben dem Frauenbereich wird es auf diesem Stockwerk auch Räume geben, in denen andere Beratungsangebote untergebracht werden – wie beispielsweise Migrations-, Rechts- oder Schuldnerberatung, sowie weitere Räume für Beschäftigungs- und Tagesstrukturangebote.
Es ist klar, dass die Arbeit vor Ort mindestens herausfordernd sein wird.
Die Mitarbeitenden werden täglich mit einer sehr besonderen Zielgruppe zu tun haben.
Um auch den Mitarbeitenden einen Rückzugsort zu bieten, an dem sie ungestört ihre Pausen verbringen und einfach mal durchatmen können, wird es für sie hier einen eigenen Aufenthaltsraum geben. Das ist mir wichtig.
Und im Dachgeschoss schließlich werden Büros für die Verwaltung, Sozialarbeitende sowie ein Büro des Drogenreferat untergebracht.
Wie Sie sehen, führen wir im Hilfezentrum also zahlreiche Angebote der Drogenhilfe unter einem Dach zusammen.
Dieser Ansatz eröffnet die große Chance, Konsumenten direkt und ohne Umwege in weitere Hilfe zu vermitteln und ihnen einen Weg aus ihrer Sucht zu zeigen.
Wir machen mit diesem Ansatz den Frankfurter Weg der Drogenpolitik zukunftsfähig.
Das Hilfezentrum ist ein bislang einmaliges Projekt in Deutschland – es gibt daher keine Vorlage, die wir einfach kopieren können.
Die Stadt Frankfurt betritt Neuland und ist wie bereits in den 1990er Jahren ein Vorreiter der schutzorientierten Drogenpolitik in der Bundesrepublik.
Wir wollen und werden hier mutig Neues wagen.

Hilfezentrum Niddastraße

FAQ Hilfezentrum Niddastrasse (pdf , 129KB)Download Link

Querschnitt Hilfezentrum Niddastrasse (pdf , 83KB)Download Link

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