FRANKFURT.DE - DAS OFFIZIELLE STADTPORTAL

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Stadtkämmerei

Europäisches Beihilferecht

23.04.2021, 07:46 Uhr

Die EU-Kommission führt nach Maßgabe des Artikel 108 AEUV (Vertrag über die Arbeitsweise der EU, einer der Kernregelungen des sog. Lissabon-Vertrags; Amtsblatt der EU Nr. C 115 v. 09.05.2008) die Überprüfung der Vereinbarkeit von Einzelbeihilfen und Beihilfenregelungen mit dem Binnenmarkt durch. Dabei überprüft sie fortlaufend, in Zusammenarbeit mit den Mitgliedsstaaten, die bestehenden Beihilfenregelungen, zu denen auch etwaige Betrauungsakte hinsichtlich der Finanzierung von sog. Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse (DAWI) gehören. Die Stadt Frankfurt am Main als Beihilfengeberin hat stets dafür Sorge zu tragen, dass die Betrauungsakte in der Praxis tatsächlich umgesetzt werden. Die Mitgliedstaaten sind gemäß Artikel 8 des DAWI-Beschlusses 2012/21/EU verpflichtet, während des gesamten Betrauungszeitraums und mindestens zehn Jahre nach Ende des Betrauungszeitraums alle Informationen verfügbar zu halten, die der EU-Kommission ermöglichen sollen, zu prüfen, ob die gewährten Ausgleichsleistungen mit dem DAWI-Beschluss 2012/21/EU vereinbar sind.

Beihilfeverbot (Art. 107 Absatz 1 AEUV)


Eine verbotene Beihilfe nach Artikel 107 Abs. 1 AEUV ist jeder gewährte wirtschaftliche Vorteil ohne angemessene Gegenleistung, den das (Beteiligungs-) Unternehmen unter marktüblichen Bedingungen nicht erhalten hätte. Als klassisches Beispiel für verbotene Beihilfen sind direkte Zuwendungen (z. B. Betriebsmittelzuschuss, Bürgschaft), aber auch indirekte Zuwendungen (wie z. B. Personalüberlassung zu marktunüblichen Konditionen, Grundstücksveräußerungen unter Wert) zu nennen.

Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse (DAWI)


Gemäß Artikel 106 Abs. 2 AEUV gilt auch für Unternehmen, die mit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse, also mit der klassischen Daseinsvorsorge, wie die städtischen Beteiligungsunternehmen betraut sind - und oftmals strukturell defizitär arbeiten - das Beihilfeverbot. Allerdings hält das EU-Beihilferecht hier Erleichterungen bereit z. B. mit dem Freistellungsbeschluss, dem Kern des sog. Almunia-Pakets (Mitteilung der EU-Kommission 2012/C 8/02). Danach können tatbestandsmäßige Beihilfen mittels eines Betrauungsaktes legitimiert werden. Ziel des Betrauungsverfahrens ist es, eine Überkompensation bzw. eine Quersubventionierung anderer erwerbswirtschaftlicher Unternehmensbereiche durch staatliche Zuwendungen zu verhindern. Dementsprechend wichtig sind Dokumentation und Kontrolle. Der Betrauungsakt muss an ein bestimmtes Unternehmen gerichtet und rechtlich verbindlich sein.


Umsetzung durch die Stadt Frankfurt am Main


Die Umsetzung des EU-Beihilfenrechts hat das Beteiligungsmanagement in den letzten Jahren vor große Herausforderungen gestellt. Denn mit dem Erlass eines Betrauungsakts allein ist es nicht getan. Trennungsrechnung und Überkompensationskontrolle beispielsweise zählen zu den laufenden Aufgaben, deren Überprüfung durch den/die Abschlussprüfer/in im Zusammenhang mit der jährlichen Abschlussprüfung daher auch bereits im Frühjahr 2014 vom Beteiligungsmanagement der Stadt Frankfurt am Main auf den Weg gebracht wurde. Basierend auf den gewonnenen Erfahrungen in den ersten Jahren der Geltung des Prüfungsstandard (PS) 700 des Instituts der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e.V. (IDW) hat das Beteiligungsmanagement der Stadt Frankfurt am Main das Prozedere im Zusammenhang mit der Jahresabschlussprüfung optimiert, um für alle Seiten das Handling transparenter zu gestalten. Dazu wurde ein Prüfungsstandard für die Jahresabschlussprüfung betrauter Beteiligungsunternehmen von dem Beteiligungsmanagement der Stadt Frankfurt am Main (mit Wirkung zum 01.01.2015) entwickelt.
Die Jahresabschlussprüfung ist für das Beteiligungsmanagement eines der wichtigsten Instrumente im Rahmen der Überkompensationskontrolle als beihilfengewährende Stelle. Insofern ist die Dokumentation der Abschlussprüfung von besonderer Bedeutung. Mit dem Frankfurter Prüfungsstandard für die Jahresabschlussprüfung von betrauten städtischen Beteiligungsunternehmen wurde durch eine klare Strukturierung der Anforderungen an das Berichtswesen ein hohes Maß an Transparenz geschaffen, um den gesetzlichen Anforderungen des europäischen Beihilfenrechts Rechnung zu tragen.
Wie wichtig dieses Thema ist, wurde durch das Prüfverfahren der EU-Kommission im Bereich Wirtschaftsförderung (SA.44264/MX) deutlich. Im Schreiben vom 31.01.2019 weist die EU-Kommission ausdrücklich darauf hin, dass „…insbesondere eindeutige Betrauungsakte, die eine Beschreibung des Ausgleichsmechanismus und ex ante aufgestellte Parameter für die Berechnung, Überwachung und Änderung der Ausgleichsleistungen umfassen (häufig in Deutschland; Verf.) fehlen. Darüber hinaus sind Betrauungsakte häufig unbefristet und/oder es gibt keine buchhalterische Trennung zwischen (möglichen) DAWI und (höchstwahrscheinlich) kommerziellen Tätigkeiten. Aus einer vorläufigen Würdigung ergibt sich daher, dass für eine Reihe von Fördermaßnahmen zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht überzeugend nachgewiesen werden kann, dass die Anforderungen der DAWI-Vorschrift erfüllt sind…. .“ Diese generelle Aussage der EU-Kommission trifft für die Betrauungen der Stadt Frankfurt am Main jedoch nicht zu, die alle Anforderungen der DAWI-Vorschriften erfüllen.

Ausblick


Der Trend der Europäischen Kommission geht klar zu einer Verdichtung der Kontrolle. So gibt es bei dem jüngsten Legitimationsinstrument der Allgemeinen Gruppenfreistellungsverordnung (AGVO) keine Meldetermine mehr, sondern es tritt an deren Stelle eine Veröffentlichungspflicht sowie eine Meldepflicht an die EU-Kommission binnen 20 Arbeitstagen. Dabei erfolgt die Kurzmitteilung der Stadt Frankfurt am Main an das Hessische Ministerium für Wirtschaft, Energie Verkehr und Wohnen (HMWEVW), das über eine elektronische Webanwendung (SANI – State Aid Notification Interactive) die Weiterleitung an das Bundeswirtschaftsministerium veranlasst, welches die Daten ebenfalls durch Freigabe (Validierung) an die EU-Kommission übermittelt.
Trotz der besonderen Bedingungen des Dienstbetriebs des Beteiligungsmanagements durch die Corona-Pandemie (ad hoc Aufstockung der Home-Office-Arbeitsplätze von 12,5 % auf nahezu 100 % bei gleichzeitigem Schichtbetrieb durch ein kleines Kernteam in den Diensträumen) erfolgten die Meldung für die Jahre 2018 und 2019 fristgemäß im April 2020 an das Hessische Ministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Wohnen (HMWEVW) in Wiesbaden. Dabei ist die Anzahl der meldepflichtigen städtischen Betrauungen kontinuierlich über die Meldetermine 2014, 2016, 2018 und 2020 gestiegen. Der nächste Meldetermin gemäß Artikel 9 des Freistellungsbeschlusses ist am 30.06.2022 (für die Jahre 2020 u. 2021).

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