Versorgung mit medizinischem Cannabis gefährdet
07.02.2023, 14:22 Uhr

Die Stadt Frankfurt kritisiert neue
rechtliche Regelungen
für die Verordnung von Medizinalcannabis
Mit Sorge betrachtet die Stadt Frankfurt am Main die
geplanten Neuerungen bei der Verordnung von medizinischem Cannabis. Der
Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat Ende vorigen Jahres einen Entwurf zur
Änderung der Arzneimittelrichtlinie vorgelegt. Darin werden zahlreiche neue
Hürden für die Verordnung von Cannabis-Medikamenten vorgeschlagen, kritisiert Frankfurts
Gesundheitsdezernent Stefan Majer: Nur noch Fachärztinnen und Fachärzte sollen
medizinisches Cannabis verschreiben dürfen. Blüten wären zukünftig gegenüber
Extrakten und Fertigarzneimitteln auf Cannabis-Basis nachrangig. Weiterhin
werden zusätzliche Dokumentationspflichten für die behandelnden Ärztinnen und
Ärzte empfohlen.
„Höhere Hürden beim Zugang zu medizinischem Cannabis setzt die Erfolge, die wir in den letzten Jahren erzielt haben, aufs Spiel“, stellt Gesundheitsdezernent Majer fest. „Hier geht es ausschließlich um medizinisches Cannabis und nicht um den Freizeitkonsum. Wir sprechen von schwerkranken Menschen, bei denen alle anderen Therapien ausgereizt sind. Zahlreiche Studien geben Hinweise darauf, dass medizinisches Cannabis bei den unterschiedlichsten Erkrankungen zu einer Verbesserung der Symptome und zu einer Steigerung der Lebensqualität führt.“ Bei einer Umsetzung der Vorschläge vom G-BA, warnt Majer, würde der Zugang zu Medizinalcannabis deutlich erschwert. „Dabei ist die Versorgungssituation schon heute unbefriedigend. Das Thema Cannabis zum Freizeitkonsum muss separat betrachtet werden.“
Hindernisreicher Weg zur Behandlung
Seit 2017 können die Kosten für eine Cannabis-Behandlung
von den Krankenkassen übernommen werden. Das Drogenreferat der Stadt Frankfurt
am Main hat seitdem mehrere wissenschaftliche Studien zur regionalen
Versorgungslage veranlasst. Das zentrale Ergebnis: Der Weg zu einer
Cannabis-Therapie gestaltet sich für viele Patientinnen und Patienten sehr
hindernisreich.
Zunächst fällt es Betroffenen oft schwer, eine Ärztin oder
einen Arzt zu finden. Teile der Ärzteschaft lehnen Medizinalcannabis generell
ab. Anderen Ärztinnen und Ärzten fehlt das notwendige Wissen zu dem relativ
neuen Thema. Viele scheuen auch den bürokratischen Aufwand oder sorgen sich vor
möglichen Regressen.
Wenn eine Arztpraxis gefunden wurde, ist als nächster
Schritt eine Genehmigung der Krankenkasse erforderlich. Rund 40 Prozent der
Anträge werden abgelehnt. Aus den Studien des Drogenreferats lassen sich dafür
keine medizinischen Gründe ablesen. In einer Befragung von Patientinnen und
Patienten konnten keine Unterschiede hinsichtlich der Schwere der Erkrankungen
oder der Symptomatik zwischen den Gruppen mit und ohne Kostenübernahme
festgestellt werden.
Therapie auf eigene Rechnung oder Schwarzmarkt
Unter den Patientinnen und Patienten, die keine
Kostenübernahme erhalten, bildet sich eine Art „Zweiklassensystem“: Wer es sich
leisten kann, nutzt teure privatärztliche Anbieter. Die übrigen Personen setzen
sich entweder den Risiken einer Selbstmedikation über den Schwarzmarkt aus oder
verzichten auf eine erfolgversprechende Therapie zur Linderung ihrer Leiden.
Das Drogenreferat der Stadt Frankfurt am Main hat auf
diesen unhaltbaren Zustand reagiert und eine Reihe von Maßnahmen ergriffen.
Seit 2021 werden regelmäßig Fortbildungen für Ärztinnen und Ärzte zum Thema
Medizinalcannabis veranstaltet. Das Angebot stößt auf großes Interesse, die Termine
sind stets ausgebucht.
Weiterhin initiierte das Drogenreferat ein regionales
Netzwerk von medizinischen und pharmazeutischen Fachkräften. Sie treffen sich
regelmäßig, um sich über aktuelle fachliche Fragen auszutauschen. Weitere Informationen
bieten eine eigene Website www.medizinisches-cannabis-frankfurt.de und
ein zweimonatlich erscheinender Newsletter. Patientinnen und Patienten erhalten
Beratung zu medizinischen und juristischen Fragen rund um medizinisches
Cannabis in einer monatlichen Sprechstunde mit einem Arzt und einem
Rechtsanwalt.
Kritik an Genehmigungsvorbehalt durch Krankenkassen
Mit vielen kleinen Schritten konnte so die Versorgungslage in Frankfurt am Main verbessert werden, sagt Gesundheitsdezernent Majer. „Durch die Änderungsvorschläge des G-BA droht diesen Bemühungen nun ein schwerer Rückschlag. Die Neuerungen sind zwar noch nicht beschlossen, aber ein Anhörungsverfahren mit Fach- und Interessensverbänden ist bereits beendet. Mit einer Entscheidung des G-BA ist in Kürze zu rechnen.
Für den Leiter des Drogenreferats, Dr. Artur Schroers, geht
der Entwurf des G-BA in die völlig falsche Richtung: „Wir brauchen keine
zusätzlichen Hürden für die Verschreibung von medizinischem Cannabis. Im
Gegenteil: Wir sollten Hürden abbauen. Konkret wünsche ich mir die Abschaffung
des Genehmigungsvorbehalts durch die Krankenkassen.“ Aus seiner Sicht sollte die
Therapiehoheit bei medizinischem Cannabis ebenso wie bei anderen
Behandlungsmethoden alleine bei den Ärztinnen und Ärzten liegen. „Das
umständliche Antragsverfahren zur Kostenübernahme führt nur zu einer unnötigen
Belastung für alle Beteiligten: Patientinnen und Patienten, Ärztinnen und
Ärzten, Krankenkassen und Gerichten.“
Bei Rückfragen wenden
Sie sich gerne an das Drogenreferat, Telefon 069-212-30124, E-Mail:
drogenreferat@stadt-frankfurt.de