Lachgas als Party-Gag immer beliebter
31.08.2023, 16:28 Uhr
Gesundheitsdezernentin Elke Voitl setzt auf Aufklärung
und die Verantwortung des Handels, Kartuschen mit Luftballons nicht an
Minderjährige zu verkaufen
„Der Konsum von Lachgas ist in Frankfurt
aktuell so hoch wie noch nie.“ Dr. Artur Schroers, Leiter des Drogenreferats
der Stadt Frankfurt, verweist auf erste Ergebnisse der jährlichen Drogentrendstudie Monitoring System Drogentrends (MoSyD). Gefördert vom Drogenreferat der Stadt
Frankfurt befragt das Centre for Drug Research der Goethe Universität seit 2002
dafür rund 1.500 Schülerinnen und Schüler zwischen 15 und 18 Jahren.
Bei der Befragung für das Berichtsjahr 2022
gaben 17 Prozent der 15- bis 18-Jährigen an, dass sie schon einmal Lachgas
genommen haben – so viele wie nie zuvor. Im Jahr davor sagten das noch 13
Prozent. Sechs Prozent der Befragten gaben 2022 an, Lachgas in den vergangenen
30 Tagen genommen zu haben. 2021 waren es fünf Prozent.
Rausch-Videos in Sozialen Netzwerken
„Bei Lachgas erleben wir seit den 1990er
Jahren immer wieder, dass der Konsum bei jungen Menschen zwischen 15 und 21
Jahren in Mode kommt und dann wieder abebbt“, sagt Schroers. Diesmal halte sich
der Hype nicht nur lange, seit 2021 steigt die Verbreitung. Eine wichtige Rolle
könnte dabei die Internetplattform Tiktok spielen: Jugendliche posten
Kurz-Videos von ihren Lachgas-Challenges, die dadurch eine schnelle und
weltweite Verbreitung finden. „Das erklärt, dass Lachgas auch in anderen
europäischen Ländern ein absoluter Trend ist. Wir hören das sogar aus
Australien“, sagt Schroers.
Beliebt ist Lachgas vor allem in der
Partyszene, wo auch Alkohol konsumiert wird. Konsumierende berichten zum Teil
von verstärkten Sinneseindrücken, Euphorie und einem Kribbeln am ganzen Körper.
„Der Spaßfaktor steht eindeutig im Vordergrund, für die meisten ist es ein Gag
beim gemeinsamen Feiern“, sagt Schroers. Die meisten sähen darin auch ein
harmloses Vergnügen. Zum einen, weil die Wirkung nur wenige Minuten anhält –
manchmal ist sogar schon nach 30 Sekunden alles vorbei – zum anderen verursacht
Lachgas keinen Kater.
Risiken werden unterschätzt
Und: Lachgas ist legal, für wenig Geld in
jedem Supermarkt zu haben. In der Regel wird es aus simplen Sahne-Kartuschen in
Luftballons gefüllt und daraus inhaliert. „Dabei werden die Risiken leider oft
unterschätzt“, sagt Schroers. Negative Folgen sind meistens Schwindelanfälle,
Übelkeit und Lähmungserscheinungen. Bei exzessiven Konsum über einen längeren Zeitraum
kann das Gas auch zu Schäden am zentralen Nervensystem führen. Riskant ist
außerdem, wenn das Gas direkt aus der Kartusche konsumiert wird, warnt der
Leiter des Drogenreferats: „Das kann zu schweren Erfrierungen an den Lippen und
im Mund- und Rachenbereich führen.“
Längst sind auch Produzenten und Handel, vor
allem per Online-Shop, auf den Trend aufgesprungen. Im Internet werden verschiedene
partytaugliche Spraysysteme inklusive Luftballons angeboten, ebenso große
Einwegkartuschen und Zwei-Kilotanks zum Nachfüllen oder zum Mieten.
„In den Online-Shops wird ganz offen mit
Lachgas als Equipment für Partys, Feten oder für die Disco geworben“, sagt
Schroers. „Der Markt ist bunt und offensiv. In Frankfurt sind Kartuschen
inzwischen schon an Kiosken zu haben.“
Einige europäische Länder haben inzwischen
mit Verboten oder Zugangsbeschränkungen für Minderjährige reagiert. In
Frankreich und Belgien ist die Abgabe an Minderjährige seit Juni 2021 bzw.
Februar 2022 verboten. Auch in den Niederlanden ist der Besitz und Verkauf von
Lachgas seit Januar dieses Jahres verboten. Lachgas darf nur noch für
medizinische und technische Zwecke verwendet werden.
Aufklärung statt Verbote
Frankfurts Gesundheitsdezernentin Elke Voitl
sieht Verbote kritisch, zumal es bei Lachgas ja ähnlich wie bei
Schnüffelstoffen um die Zweckentfremdung eines legalen Stoffs gehe: „Uhu oder
Pattex würde auch niemand verbieten, weil sie mitunter als Schnüffelstoffe
zweckentfremdet werden.“ Im Übrigen, so Voitl, würden Verbote meist nicht weiterhelfen. Es gehöre zum Erwachsenwerden, dass
Jugendliche Dinge ausprobieren.
Ob und was Jugendliche konsumieren, hängt in der Regel mit den Peer-Groups zusammen – den Freunden und Szenen, in denen sich junge Leute bewegen, bestätigt Schroers. Oder eben mit Modeerscheinungen, die teilweise medial, aber auch vom Handel gesteuert sind.
Ebenso wie Drogenreferatsleiter Schroers
setzt die Dezernentin deshalb „konsequent auf Aufklärung.“ Mit aufsuchenden
Angeboten und Infoständen in der Partyszene wie mit dem Projekt „Safe Party
People“ des Trägers BASIS – Beratung, Arbeit, Jugend & Kultur e.V. würden
junge Menschen direkt in den entsprechenden Szenen, beim Feiern angesprochen.
„Die jungen Leute sollen gut über Risiken und
Möglichkeiten zu Harm Reduction Bescheid wissen“, sagt Schroers. Das
Drogenreferat finanziert dafür verschiedene Träger im Bereich Suchtprävention, unter
anderen den Verein für Arbeits- und Erziehungshilfe e.V., der bei vielfältigen
Angeboten an Schulen auch über Lachgas aufklärt.
Gesundheitsdezernentin Voitl setzt auch auf
die Unterstützung von Einzelhändler:innen und Kioskbetreiber:innen: „Sie können
aktiv mithelfen, indem sie Lachgas als Party-Gag mit Luftballons gar nicht erst
ins Sortiment aufnehmen und nicht an Minderjährige verkaufen.“
Bei Rückfragen wenden Sie sich gerne an das
Drogenreferat, Telefon 069-212-30124.