20 Jahre Substitutionsambulanz Grüne Straße
10.05.2023

Es war ein revolutionärer
Versucht: In mehreren deutschen Städten wurde 2002 ein Modellprojekt zur
heroingestützten Behandlung Opiatabhängiger gestartet. Schwerstabhängige
Menschen erhielten Diacetylmorphin – also pharmakologisch reines Heroin – statt
sich die Droge illegal anderweitig zu beschaffen. 2003 schloss sich auch
Frankfurt der sogenannten Heroinstudie an – trotz eines teils heftigen
Widerstands in der Öffentlichkeit. Die Ergebnisse der Behandlung waren
beeindruckend und führten zur Gründung der Substitutionsambulanz Grüne Straße
(SAGS) im Frankfurter Ostend. Nun feiert die Einrichtung ihr zwanzigjähriges
Bestehen.
„Die Gründung der Ambulanz vor
20 Jahren war ein Meilenstein. Vorher wurden in der Substitutionsbehandlung
noch ausschließlich Ersatzmittel wie z. B. Methadon verabreicht. Eine damals
gestartete Vergleichsstudie mit pharmakologisch reinem Heroin führte zu besseren
Behandlungsergebnissen bei von Opiaten schwerstabhängigen Menschen – und zwar
eindeutig: Die Abbruchquote der Suchtkranken ging merklich zurück und ihr
körperlicher und psychischer Zustand verbesserte sich signifikant. Zudem
verringerte sich die Beschaffungskriminalität der Studienteilnehmer“, erläutert
Dietmar Paul, ärztlicher Leiter der Ambulanz, die Ergebnisse von damals.
Die Mitarbeiter:innen der
Ambulanz versorgen Betroffene heute bis zu dreimal täglich mit pharmakologisch
reinem Heroin. Darüber hinaus überwachen sie die Einnahme von lebensnotwendigen
Medikamenten. Die psychosoziale Betreuung durch die Mitarbeiter:innen des
Vereins „Jugendberatung und Jugendhilfe“ vor Ort unterstützt die Patient:innen
in der Bewältigung der Probleme im Lebensalltag. Heute betreut die Ambulanz
über 80 Menschen, einige von ihnen seit ihrer Gründung vor 20 Jahren. „Die
Behandlungsdauer liegt im Schnitt bei fünf bis sechs Jahren. Wenn man
berücksichtigt, dass es sich um schwerstabhängige, teils erheblich multimorbide
Patient:innen handelt, ist diese Haltequote ein sehr großer Erfolg des Teams“,
ergänzt Paul.
Das vorrangige Ziel der
Behandlung, die Mortalität, also die Sterbegefahr, für die Suchtkranken zu
verringern und den körperlichen wie auch seelischen Gesundheitszustand zu
verbessern, wird sehr gut erreicht. Im weiteren Zeitverlauf kann durch die
intensive Betreuung das Bedürfnis nach Rausch sukzessive verringert werden.
Tatsächlich wünschen fast alle Patient:innen im Laufe der langen
Behandlungszeit von sich aus eine Dosisreduktion. Einigen der ehemals schwer
Suchtkranken gelingt es, das Substitutionsprogramm erfolgreich ganz zu beenden.
„Die ärztlich kontrollierte
Vergabe von Ersatzstoffen, insbesondere Diamorphin, hat sich als zentrale und
wirksame Behandlungsform bewährt, um die gesundheitliche und soziale Situation
von Drogenabhängigen nachhaltig zu verbessern und ihnen neue Perspektiven und
Teilhabemöglichkeiten zu eröffnen“, sagt Gesundheitsdezernent Stefan Majer. „Die
Menschen stabilisieren sich und können zum Teil sogar wieder arbeiten gehen.
Die diamorphingestützte Behandlung war ein Meilenstein der Substitution.“
Als
größten Hemmschuh für eine breitere Inanspruchnahme bezeichnet der
Gesundheitsdezernent die strengen gesetzlichen Voraussetzungen, damit die
diamorphingestützte Behandlung überhaupt gestattet wird. „Wir brauchen dringend
die seit Jahren geforderte Gesetzesänderung, denn wir hätten noch genug
Kapazitäten und auch die Nachfrage, um mehr Menschen mit der
diamorphingestützten Behandlung zu helfen.“
Seit 2009 wird die
Diamorphinvergabe an Betroffene von den Krankenkassen finanziert. Die
Aufnahmekriterien sind aber streng reglementiert und die Hürden hoch: Bei den
Patient:innen muss eine seit mindestens fünf Jahren bestehende
Opioidabhängigkeit verbunden mit schwerwiegenden somatischen und psychischen
Störungen bei überwiegend intravenösem Konsum vorliegen. Zudem müssen zwei
Behandlungen der Opioidabhängigkeit bereits gescheitert sein. Neben Frankfurt
existieren heute bundesweit 12 weitere Substitutionsambulanzen.
Pressekontakt
Silvio Wagner
Bürgerhospital und Clementine
Kinderhospital gGmbH
Bürgerhospital Frankfurt am
Main - Clementine Kinderhospital
Nibelungenallee 37-41
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1500 – 1242 E-Mail: si.wagner@buergerhospital-ffm.de