Zur Situation geflüchteter Menschen in Frankfurt
30.11.2023
Seit Beginn des vierten Quartals kommen wieder geflüchtete Menschen nach Frankfurt – derzeit rund 85 pro Woche. Was bedeutet das konkret für Hessens größte Stadt? Können die Geflüchteten überhaupt alle untergebracht werden? Und wie sind die Abläufe? Das zuständige Sozial- und Gesundheitsdezernat beantwortet die wichtigsten Fragen zum Thema.
Seit wann genau kommen wieder Geflüchtete nach Frankfurt?
Seit Oktober 2023 nimmt Frankfurt wieder regelmäßig Geflüchtete auf. Das sind schutzsuchende Menschen, die der Stadt vom Regierungspräsidium (RP) in Darmstadt im Auftrag des Landes Hessen zugewiesen werden. Das RP ist in Hessen für die Verteilung geflüchteter Menschen auf die Kommunen und Landkreise zuständig. Es geht dabei nach festgelegten Kriterien und Verteilungsschlüsseln vor. Weil Frankfurt im letzten Jahr freiwillig überdurchschnittlich viele Geflüchtete vor allem aus der Ukraine aufgenommen hat, war die Stadt in den ersten neun Monaten dieses Jahres von den Zuweisungen ausgenommen.
Was passiert mit den Geflüchteten, wenn sie in Frankfurt angekommen sind?
Die Menschen, die nach Frankfurt kommen, waren vorher in einer der zentralen Erstaufnahmeeinrichtungen des Landes Hessen untergebracht. Dort werden sie registriert, medizinisch versorgt und beraten. In Frankfurt werden sie zentral empfangen und innerhalb weniger Tage auf die Unterkünfte verteilt. Dabei wird unter anderem auch darauf geachtet, dass Familien nicht getrennt und dass Menschen mit Behinderungen bedarfsgerecht untergebracht werden.
Was gibt es eigentlich für Unterkünfte?
In Frankfurt gibt es Gemeinschaftsunterkünfte. Sie werden in Not- und Übergangsunterkünfte unterteilt. Notunterkünfte sind meist Hallen, in denen Menschen auf engstem Raum mit wenig Privatsphäre untergebracht und versorgt werden. Derzeit sind zwei Notunterkünfte in Betrieb. Von dort aus werden die Geflüchteten so schnell wie möglich in die Übergangsunterkünfte gebracht. Die Übergangsunterkünfte sind im gesamten Stadtgebiet verteilt und von außen in der Regel nicht erkennbar. Einen eigenen Mietvertrag bekommen die von der Stadt untergebrachten Menschen nicht. Grundsätzlich werden in Frankfurt geflüchtete und wohnungslose Personen gemeinsam untergebracht.
Wie sieht das Leben in den Unterkünften aus?
Die Bandbreite der Unterkünfte ist in Frankfurt groß. Manche Unterkünfte haben den Standard einer einfachen Neubauwohnung. In vielen anderen sind die Menschen jedoch sehr einfach untergebracht und müssen sich Küche und Bad mit anderen teilen. Zusätzlich hat die Stadt Hotels angemietet. In den Notunterkünften werden die Geflüchteten zentral mit Essen versorgt. Das ist nicht nur teuer, sondern es beschneidet sie vor allem in ihrer Autonomie – weil sie essen müssen, „was auf den Tisch kommt“. Ziel ist immer, die Menschen in Unterkünften mit Privatsphäre, Kochgelegenheiten und eigenem Sanitär unterzubringen, da die Verweildauer oft mehrere Jahre beträgt.
Warum bleiben die Menschen denn so lange in den Übergangsunterkünften?
In den Übergangsunterkünften bleiben Geflüchtete und Wohnungslose in der Regel, bis sie ein eigenes Zuhause gefunden haben. Doch in Frankfurt eine bezahlbare Wohnung zu finden, ist sehr schwierig. Gerade Geflüchtete haben wegen bestehender Vorurteile oftmals kaum eine Chance auf dem freien Wohnungsmarkt. Daher werden die Plätze in den Übergangsunterkünften nicht so schnell frei, wie es notwendig wäre.
Kann da die Stadt nichts machen?
Doch. Die Stadt Frankfurt errichtet seit Jahren so viele Übergangsunterkünfte wie möglich. Aktuell gibt es im Stadtgebiet rund 100 solcher Unterkünfte. Dabei greift die Stadt auch auf leerstehende Büroimmobilien zurück – sofern sie zu akzeptablen Preisen angeboten werden. Zudem werden bestehende Unterkünfte saniert, um die Wohnqualität zu verbessern.
Was passiert, während die Menschen auf eine eigene Wohnung warten?
Die Unterkünfte werden von den Trägern der Freien Wohlfahrtspflege im Auftrag der Stadt betrieben. Diese kümmern sich darum, dass die Bewohner:innen beraten werden und sich besser in der Gesellschaft zurechtfinden. Die Menschen werden in Sprachkurse vermittelt, im Umgang mit Schulen und Behörden unterstützt und bei der Jobsuche beraten. Wenn geflüchtete Menschen eine Arbeitserlaubnis haben und ein Einkommen erzielen, zahlen sie der Stadt eine Gebühr für ihre Unterbringung. Viele Menschen können jedoch aus ausländerrechtlicher Sicht, wegen der Kindererziehung oder krankheitsbedingt keiner Lohnarbeit nachgehen.
Warum bekommen geflüchtete Menschen eigentlich keine Sachleistungen sondern Geld für ihren Lebensunterhalt?
Geflüchtete Menschen haben ohnehin bei ihren Ausgaben so gut wie keinen Handlungsspielraum, denn sie bekommen nicht einmal das Existenzminimum an Geld. Sie erhalten weniger als Menschen im Sozialleistungsbezug. Sachleistungen würden die Autonomie der Menschen noch weiter einschränken. Außerdem wäre der Verwaltungsaufwand viel zu hoch. Denn die Stadt müsste Händler:innen finden, die bereit wären, Gutscheine zu akzeptieren und diese hinterher abzurechnen.
Wie lange kann Frankfurt überhaupt noch Menschen aufnehmen?
Die Stadt hat sich zum „Sicheren Hafen“ erklärt und bietet aus politischer Überzeugung und gesellschaftlicher Verantwortung heraus vor Krieg und Vertreibung, vor Repression und Gewalt geflüchteten Menschen einen sicheren Ort, an dem sie ankommen können. Wenn Menschen in ein anderes Land flüchten müssen, um ihre Kinder und sich selbst in Sicherheit zu bringen, dann stellt sich nicht die Frage, ob man helfen muss oder kann – sondern es stellt sich ausschließlich die Frage: Wie kann man helfen? Allerdings kommt auch die Stadt Frankfurt perspektivisch an ihre Grenze. Das könnte bedeuten, dass die kommunalen Mindeststandards für die Unterbringung möglicherweise in Zukunft deutlich herabgesetzt werden müssen.
Wie viele geflüchtete Menschen leben aktuell in der Stadt und wie ist die Prognose?
Aktuell leben in den Übergangsunterkünften der Stadt und den angemieteten Hotel insgesamt 4956 geflüchtete und 3884 wohnungslose Menschen. Das sind zusammen 8840 Menschen (Stand: 20. November 2023). Den aktuellen Prognosen zufolge wird Anfang des kommenden Jahres die Marke von 10 000 erstmals überschritten.
Inwiefern verschärft die Lage im Nahen Osten die Situation?
Das lässt sich aktuell noch nicht abschätzen. Die meisten Menschen, die derzeit in die hessischen Erstaufnahmeeinrichtungen kommen, stammen aus Syrien, Afghanistan und der Türkei. Sozial- und Gesundheitsdezernentin Elke Voitl hat die zu Beginn des Ukraine-Kriegs gegründeten Krisenstäbe wieder aktiviert. Seit dem 1. November erarbeiten sie anhand bestehender Ablaufpläne mögliche Szenarien, um auf die aktuelle Entwicklung der Lage schnell und erfahren reagieren zu können.