200 Jahre Amtsblatt

200 Jahre Amtsblatt

Amtsblatt der Stadt Frankfurt am Main

Still und leise, ganz auf seine Weise

Das Amtsblatt feierte im Jahr 2018 seinen 200. Geburtstag

Die mehr als 200-jährige Geschichte des Frankfurter Amtsblattes in Bildern zusammengefasst
Die mehr als 200-jährige Geschichte des Frankfurter Amtsblattes in Bildern zusammengefasst © Stadt Frankfurt am Main, Foto: Rainer Rüffer
Seine Geschichte ist wechselvoll und kontinuierlich zugleich. Es hat in den 200 Jahren seines bisherigen Lebens unterschiedlichen Herren gedient und mehrfach seinen Namen gewechselt, auch die Inhalte changierten. Aber die Funktion des Amtsblattes blieb immer die gleiche: Verlautbarungen der Stadt und ihrer Regenten zu verkünden. Ein runder Geburtstag ist immer ein Grund, zu gratulieren sowie Geschichte und Geschichten Revue passieren zu lassen.

Die Anfänge
Angefangen hat alles im Jahr 1819. Der Senat der Freien Stadt Frankfurt beschloss, alles was er für wichtig hielt, in schriftlicher Form unters Volk zu bringen. Die Publikation hieß damals wie heute „Amtsblatt“. Dazwischen wechselte sie allerdings mehrfach ihren Namen. So nannte sie sich auch - mit Abwandlungen -„Anzeigenblatt der städtischen Behörden“, ebenso „Mitteilungen der Stadtverwaltung - amtliches Bekanntmachungsblatt“. Geblieben ist jedoch bis heute der Zweck, Offizielles zu verkünden. „Beispielweise Satzungen, Bebauungspläne, Gefahrabwehrverordnungen treten erst mit ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt in Kraft“, erläutert Susana Pletz. Die gelernte Verwaltungsbeamtin im Hauptamt und Stadtmarketing kümmert sich seit 2010 darum, dass die Publikation jeden Dienstag erscheint und unter https://frankfurt.de/service-und-rathaus/verwaltung/amtsblatt-der-stadt-frankfurt-am-mainInternal Link abrufbar ist.

Mit der Gefahrenabwehr beschäftigten sich die Verantwortlichen auch in der ersten Ausgabe, erschienen ohne exaktes Datum Anfang Januar. Das „Polizei-Amt“ wies in einer „Bekanntmachung“ darauf hin, dass die am „27. Jänner 1815 erneuerten polizeilichen Vorschriften wegen des Schließens öffentlicher Wirthschaften“ weiterhin zu beachten seien. Deshalb müsse die Kneipe spätestens um 23 Uhr schließen. Alles andere würde den „Hange zu Unordnungen“ fördern und gar „die Lust zur Arbeit tödten“. Fester Bestandteil des Amtsblattes waren damals – im Gegensatz zu heute – auch Personenstandsmitteilungen. Der Leser erfuhr, wer wen ehelichen wollte, wo es Nachwuchs gab oder von Trauerfällen.

Allerdings verkündete die Verwaltung nicht nur, sondern fragte auch. So interessierte sich die Obrigkeit am 18. Januar 1865 dafür, wer der unbekannte Selbstmörder war, der „von Hombourg kommend“ zusammen „mit einem Frauenzimmer“ in einem „Gasthof ersten Ranges“ übernachtete. Denn der im Fremdenbuch angegebene Name St. Comte de Plato schien nicht zu stimmen. Durch Augenschein belegt war allerdings das Äußere des Mannes, er sah laut Amtsblatt „verlebt“ aus. Mehr wussten die Ermittler allerdings über die Kleidungsstücke und „Effecten“ des Verstorbenen: Neben „gestrickten Hosenträgern“ und anderem fand sich in dem Zimmer auch ein „goldner Nasenklemmer (Pince-nez)“. Unbekannte oder steckbrieflich gesuchte Personen sowie abhanden gekommene Gegenstände finden sich immer wieder im Amtsblatt jener Zeit. So wurde am 21. Juli informiert, dass in Bornheim „etwas Geld“ gefunden wurde und „Eigenthumsansprüche“ binnen 14 Tagen geltend zu machen seien. Ehrlich währt am längsten!

Frankfurt unter preußischer Besatzung
Große Veränderungen kommen im Amtsblatt eher leise daher. Am 16. Juli 1866 erscheint zum letzten Mal das „Amtsblatt der freien Stadt Frankfurt“, danach verschwindet das Wörtchen „frei“ im Titel. Die Preußen hatten Frankfurt besetzt. In der Ausgabe befand sich der Hinweis, Militärbefehlshaber General Eduard Vogel von Falckenstein habe beschlossen, den bisherigen Bürgermeister Victor Fellner im Amt zu belassen. Dieser war damit ab sofort Repräsentant der Stadt und zugleich preußischer Regierungsbevollmächtigter. Eine tragische Geschichte nahm ihren Lauf. Als die Preußen der Stadt eine zweite Kriegskontribution von 25 Millionen Gulden abverlangten – sie hatte bereits 5,75 Millionen Gulden bares Silber abgeliefert – geriet Fellner in ein Dilemma. Die Organe der Stadt lehnten die Forderung ab. Fellner versuchte zu vermitteln, erfolglos. Denn die Besatzungsmacht verlangte jetzt eine Liste der politisch Verantwortlichen, um das Geld selber einzutreiben. Fellner beging aus Verzweiflung in seinem Haus in der Seilerstraße Selbstmord.

Die Preußen sollten Frankfurt in den kommenden Jahren ihren Stempel aufdrücken. Es war nach der Annexion kein Stadtstaat mehr, sondern eine Gebietskörperschaft mit beschränkter Selbstbestimmung. In der Stadt regierte aufgrund der Stein-Hardenbergschen Reformen nicht mehr ein Senat, sondern der Magistrat. Auch die Publikation änderte ihren Namen; sie hieß aufgrund eines Erlasses des preußischen Innenministers ab 1869 für ein Jahr „Amtsblatt für den Stadtkreis Frankfurt am Main" und danach „Anzeigenblatt der städtischen Behörden zu Frankfurt am Main“.

Organ nationalsozialistischer Herrschaft
Bei der Kommunalwahl am 12. März 1933 erlangten die Nationalsozialisten 47,9 Prozent der Stimmen. Sie vertrieben den jüdischen Oberbürgermeister Ludwig Landmann aus dem Amt und ersetzten ihn durch Friedrich Krebs. Das Amtsblatt hieß zwar bereits seit 1. Juli 1922 „Städtisches Anzeigeblatt“, doch jetzt bekam es eine zusätzliche Funktion. Verwaltungsverlautbarungen gab es weiterhin, etwa eine „Satzung über die Benutzung öffentlicher Abwasseranlagen“. Doch gleichzeitig wurde es zum Agitationsorgan. Immer wieder finden sich Reden, in denen Krebs die „Volksgenossen“ auf die NS-Doktrin einschwört. Er dankt am 21. Juni 1935 Adolf Hitler „in unwandelbarer Gefolgschaftstreue“ dafür, dass Frankfurt sich ab sofort „Stadt des deutschen Handwerks“ nennen dürfe. Das Amtsblatt wird danach diesen Titel in der Kopfzeile führen. Bereits am 1. April hatte das Amtsblatt „Personalveränderungen im Frankfurter Kulturleben“ gemeldet. Krebs verfügte die Absetzung der Spitzen von Oper, Schauspiel und anderen Institutionen. Die Gleichschaltung von Staat und Gesellschaft war schon in vollem Gange.

Im November 1938 – dem Monat der Reichspogromnacht - findet sich in ihm ein Aufruf an die Bürger der Stadt, die Ausstellung „Ewiges Volk“ zu besuchen. Die rassistische und antisemitische Schau trennt zwischen „deutscher“ und „jüdischer“ Kultur. Auch im schlichten Verwaltungshandeln finden sich Hinweise auf die rechtlose Situation jüdischer Frankfurter. Eltern mit Nachwuchs müssen weniger Abgaben zahlen, lautete auch damals der Grundsatz. Doch das Amtsblatt formuliert die Ausnahme: „Kinder, die Juden sind, sind nicht auf die Steuerkarte einzutragen“, heißt es im Amtsblatt vom 25. November.

Deutlich sichtbarer sind die Spuren, die der Krieg in der Publikation hinterlässt. Eine ganzseitige „Ehrentafel“ nennt die Namen der städtischen Angestellten, die einen Kriegsorden bekommen hatte: So erhielt ein Oberfeldwebel und zugleich ehemaliger technischer Inspektor der Baupolizei das Ritterkreuz zum Eisernen Kreuz und das Panzervernichtungsabzeichen. Doch Orden gab es nicht nur für Soldaten. Kriegsverdienstkreuze unterschiedlicher Stufen gingen etwa an Rektoren, Schulhausverwalter, Büroangestellte und andere Mitarbeiter der Stadtverwaltung. Auch der Schrecken bekam ein Gesicht im Amtsblatt. Am 29. Januar sowie 4., 8. und 11. Februar 1944 legten alliierte Bomberverbände weite Teile der Altstadt in Schutt und Asche. Ebenfalls auf einer ganzen Seite benennt die Publikation die städtischen „Gefolgschaftsmitglieder der Stadtverwaltung“, die bei den „Terrorangriffen“ „ihr Leben für Führer und Vaterland“ gaben.

Die Auswirkungen des Krieges betreffen jetzt das Amtsblatt unmittelbar. Am 22. September erscheint es in Maschinenschrift, behelfsmäßig kopiert. Ihm liegt ein kleiner Zettel bei, der Angriff habe die Druckerei Eberwein beschädigt. Es werde bis zu deren „Wiederinstandsetzung“ in der „vorliegenden Form“ hergestellt. Ab dem 19. Januar 1945 erscheint das Amtsblatt wieder in gesetzter Schrift. Die letzte Ausgabe der Publikation trägt das Datum 16. März. Unter anderem findet sich in ihm eine Mitteilung über gekürzte Lebensmittelrationen sowie der Hinweis, beim Einreichen von Belegen an den Rechnungsschluss zu denken.

Neuanfang nach Kriegsende

Am 17. Juli 1945 erscheint das Amtsblatt wieder, jetzt als „Mitteilungen der Stadtverwaltung“. Herausgeber ist zwar der Oberbürgermeister, aber die amerikanische Besatzungsmacht schaut der Redaktion über die Schulter. „Die Veröffentlichung dieses Mitteilungsblattes geschieht mit Genehmigung der Militärregierung, Oberstleutnant R. K. Phelps“, heißt es in der Kopfzeile von Ausgabe Nummer eins. Der neue, offene Geist zeigt sich im Detail: „Nachdruck erbeten!“ heißt es unter der Überschrift. Unter den Nationalsozialisten hingegen galt es noch als Verschlusssache. Inhaltlich dokumentiert die erste Ausgabe die Anstrengung der Verwaltung, trotz aller Kriegsschäden als funktionierendes Ganzes zu agieren. Die „Uebersicht über die städtischen Amts- und Dienststellen“ informiert auf den ersten beiden Seiten nicht nur über die aktuellen Adressen der oftmals ausgebombten Ämter, sondern auch über die Verteilstellen des Ernährungsamtes. Gleichzeitig erfährt der Leser, welche Rationen es für welche Lebensmittel- und Raucherkarten gibt.

Die Besatzung stellt die Verwaltung vor neue Aufgaben. Denn sie muss mit der amerikanischen Militärregierung kommunizieren. So prangt auf der selben Seite eine Stellenanzeige „Dolmetscher gesucht“ des Hauptverwaltungsamtes, am besten zum sofortigen Diensteintritt und mit perfekten Englischkenntnissen. Auch die damals noch konsequente Entnazifizierung löst Personalbedarf aus. Auf Seite drei heißt es: „Für die Stellen der entlassenen Mitglieder der NSDAP sucht die Stadtverwaltung zur sofortigen Einstellung“. Der Bedarf muss groß gewesen sein. Denn gesucht wurde vom Amtstierarzt über den Gemeindesteuerspezialisten bis zum Busfahrer fast alles.

Auch an anderer Stelle ist von der Entnazifizierung zu lesen. Am 16. September lautet die Überschrift „Verordnung betr. Behandlung der Parteigenossen in Wohnungsangelegenheiten“. NSDAP-Mitglieder, die „in besonderen Maße aktiv“ für die Ziele der Partei eingetreten sind, haben keinen Anspruch auf Vermittlung durch das Wohnungsamt und müssen damit rechnen, ihre Unterkunft zugunsten von Unbelasteten zu verlieren.

Bis heute
Am 29. April 1946 findet sich der Aufruf zu ersten freien Stadtverordnetenwahl nach der NS-Zeit. Das neue Kommunalparlament wiederum lässt die Stellen von Oberbürgermeister und hauptamtlichen Stadträten am 8. Juli ausschreiben. Die Stadtverordneten wählen am 25. Juli Walter Kolb (SPD) zum Nachfolger des von den Amerikanern eingesetzten Kurt Blaum (CDU). Kolb verstirbt im September 1956 im Amt. Sein Name steht synonym für den Wiederaufbau nach dem Krieg. Etwa 100.000 Frankfurter begleiten den imposanten Trauerzug für das Stadtoberhaupt.

Die Nachkriegsjahre erscheinen im Amtsblatt wie ein ruhiger Fluss. Nachzulesen sind Beschlüsse der Stadtverordnetenversammlung und Ortsbeiräte oder zu Bebauungsplänen, etwa am 18. Februar 1963 zum Bau des Müllheizkraftwerkes Heddernheim. Die daneben entstehende Nordweststadt will versorgt sein. Am 13. Oktober 1968 findet der Leser im Amtsblatt, dass seit einigen Tagen die neue U-Bahn fahre und die Finanzierung für die S-Bahn stehe. Diese nimmt zehn Jahre später ihren Betrieb auf.

1995 findet sich die Ausschreibung zur Wahl eines neuen Stadtoberhauptes. Wurde dieser zuvor noch von den Stadtverordneten gekürt, dürfen jetzt die Bürger direkt über den Oberbürgermeister bestimmen. Eine Änderung der Hessischen Gemeindeordnung macht es möglich. In der ersten Direktwahl der Stadtgeschichte setzt sich Petra Roth (CDU) gegen ihren Amtsvorgänger Andreas von Schoeler (SPD) durch. Der hatte sich abwählen lassen, nachdem die ihn tragende Koalition zerbrochen war. Roth wird als erste Oberbürgermeisterin bis 2012 amtieren. Ihr folgt Peter Feldmann (SPD), der 2018 das Mandat für eine zweite Amtszeit von sechs Jahren bekommen hat.

2019 wird das Amtsblatt auf seinem Deckblatt den 150. Jahrgang ausweisen, obwohl der 200. Geburtstag ansteht. Der Grund: Nach dem preußischen Erlass 1869 erschien wieder eine Ausgabe Nummer eins. Geblieben ist aber die Präzision eines Schweizer Uhrwerkes, mit der es seit 1819 erscheint. Jeden Freitag gibt Susana Pletz es in Druck – nur in Ausnahmefällen öfter. Etwa bei Wahlen oder wenn ein neuer Mietspiegel erscheint. Das sind die typischen Anlässe, die Sonderausgaben erfordern.

Die Auflage beträgt 1200 Exemplare, wovon etwa 800 an zahlende Abonnenten gehen. Die verbleibenden 400 sind für kommunale Mandatsträger wie Stadtverordnete und Ortsbeiräte sowie die Verwaltung bestimmt. Wer das Amtsblatt für zwei Euro pro Ausgabe bezieht, schätzt es „als solide Basis, um über Informationen zu verfügen“, wie es etwa von der Caritas heißt. Unter den Abonnenten befinden sich weitere soziale Träger, Banken, Immobiliengesellschaften, Bau-, Handels- und Handwerksunternehmen. Für sie liegt der wirtschaftliche Nutzwert in den städtischen Ausschreibungen, die im Amtsblatt erscheinen. Immobiliengesellschaften und Baufirmen finden in ihm die veröffentlichte und damit rechtsgültige Fassung von Bebauungsplänen, welche quasi die räumlichen und rechtlichen Grenzen ihrer Projekte vorgeben.

Es ist eben genau diese Vielfalt, die Susana Pletz an ihrer Stelle schätzt. „Ich habe mit allen Ämtern und Stellen zu tun. Das macht den Job spannend“, sagt sie. Sie bespricht mit ihren Ansprechpartnern, was in die aktuelle Ausgabe kommt – immer den Redaktionsschluss fest im Blick. Dazu sind Fragen zu klären, die sich bei Lektüre der Zulieferungen stellen. Ist das geschafft, bespricht sie Druck und Satz. Das bringt eine weitere Eigenschaft ihres Jobs mit sich, die Susana Pletz ebenfalls schätzt: „Ich habe immer einen kleinen Informationsvorsprung“, sagt sie augenzwinkernd. Schließlich kennt sie die Inhalte der Publikation, bevor sie das Licht der Öffentlichkeit erblicken. So wird sie sich zum 200. Geburtstag des Amtsblatts weiter dafür einsetzen, dass es zuverlässig erscheint - 52 Mal im Jahr, jeden Dienstag.

Text: Ulf Baier


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