Goldblatt, Keile Klara, Sally, Helene, Selma, Abraham und Pepi

Goldblatt, Keile Klara, Sally, Helene, Selma, Abraham und Pepi

Stolperstein-Biographien in der Innenstadt

Goldblatt, Keile Klara, Sally, Helene, Selma, Abraham und Pepi

Klara (Kajla, Kaile) Goldblatt wurde in Sokolow/Galizien als Tochter von Max (Markel) und Eidel Diamant geboren; sie hatte einen Bruder Georg Diamant, der mit seiner Familie ebenfalls in Frankfurt wohnte. Sie war verheiratet mit Wolf oder Wolfgang (Ze’ev) Goldblatt (4.9.1891-19.5.1930), mit dem sie sechs Kinder hatte: Abraham, Pnina (Pepi), Sali (Sally) Max Herbert (14.8.1926), Helene und Selma. Bis auf den ältesten Sohn wurden alle Kinder in Frankfurt geboren. Die Familie kam 1919 oder 1920 nach Frankfurt, nachdem infolge des Ersten Weltkriegs das einst zur österreichisch-ungarischen Donaumonarchie gehörende galizische Sokolow zu Polen kam. Die Familie hatte die polnische Staatsbürgerschaft.

 

Der Ehemann betrieb seit etwa 1924 mit Unterbrechung 1926 und 1930 in Frankfurt ein Lederwarengeschäft für Schuhmacherbedarfsartikel, Leder und eine Filzsohlenstanzerei in der Töngesgasse 22, um 1930 in der Reineckstraße 21. Nach seinem frühen Tod am 19. Mai 1930 führte Klara Goldblatt laut Adressbuch das Geschäft mindestens bis 1935 weiter; nach der Geschäftsaufgabe unbekannten Datums arbeitete sie laut Zeugenaussage in der koscheren Geflügelhandlung der Firma „Halberstadt“ in der Allerheiligenstraße.

 

1929 war der dreijährige Sohn Max Herbert gestorben und im Jahr darauf, fünf Monate vor der Geburt des jüngsten Kindes, verlor Klara ihren Ehemann. Alleine mit fünf Kindern, die sie zu versorgen hatte, gab sie den fünfjährigen Sali und die fast dreijährige Helene am 16. Januar 1931 in die Obhut des Israelitischen Waisenhauses am Röderbergweg 87. Dort besuchten die Geschwister zunächst den Kindergarten des Heims und dann die Jüdische Volksschule am Röderbergweg.

 

Die jüngste Tochter Selma lebte bei der Mutter und besuchte ab etwa 1933 ebenfalls den Kindergarten des Israelitischen Waisenhauses zusammen mit ihrem Cousin Max und ihrer Cousine, Margot Diamant, den Kindern von Keiles Bruder.

 

1934 verließ der älteste Sohn Abraham als 15-Jähriger Deutschland und ging nach Palästina. Seine zwei Jahre jüngere Schwester Pepi (Pnina) folgte ihm 1936 dorthin. Sie lebte dort später als verheiratete Reiztenshtein.

 

Die Tochter Selma, verheiratete Hirschberg, berichtete später, dass sie während der „Polenaktion“ als damals Achtjährige zusammen mit ihrer Mutter am 28. Oktober 1938 nach Beuthen an der polnischen Grenze abgeschoben wurde. Sie hätten aber wieder nach Frankfurt zurückkommen können, wo sie ihre Vier-Zimmer-Wohnung in der Ostendstraße 28 teilweise ausgeraubt und zerstört vorfanden. Deshalb seien sie nach Sachsenhausen in die Schwanenstraße 22 gezogen.

 

Wie die Kinder im Israelitischen Waisenhaus, darunter Helene und Sali Goldblatt, die November-Pogrome erlebten, schilderte später ihr Cousin Max Diamant. Er war mit seinen Geschwistern ebenfalls dort untergebracht, weil ihre Mutter infolge der „Polenaktion“ einen Herzanfall erlitten hatte und im Krankenhaus war: „Wir waren alle im Bett, da sind der Direktor und seine Frau hereingekommen. Sie haben uns aus den Betten geholt. Wir haben dann im Speisesaal gegessen und noch ein bisschen dort gesessen. Wir haben gehört, wie sie auf der Straße herumgezogen sind und gesungen haben: Köpfe rollen, Juden heulen, heute nur Deutschland, morgen die ganze Welt…Dann sind sie ins Waisenhaus reingekommen. Sie haben den Herrn Direktor Marx geschlagen, das habe ich mit angesehen. Sie haben ihn und einen Lehrer mitgenommen.“

 

Am 15. November 1938 konnten Sali und Helene Goldblatt mit der ersten Kinderverschickung des Israelitischen Waisenhauses nach Holland gelangen. Sie wurden zuerst im Bürgerwaisenhaus in Naarden untergebracht. Am 22. November 1938 nahm das Portugiesische Waisenhaus in Amsterdam, Plein Middenlaan 80, die Geschwister auf. Sali besuchte dort wie seine Schwester die Schule und anschließend alleine eine Berufsschule.

 

Klara Goldblatt, die mit ihrer jüngsten Tochter Selma allein in Frankfurt zurück geblieben war, wollte 1939 mit Selma nach Belgien flüchten, was aber scheiterte. Spätestens ab Mai 1939 lebte sie von Wohlfahrtsunterstützung. Vom 22. August 1942 bis 24. September 1942 war Klara Goldblatt als Zivilarbeiterin, das heißt vermutlich als Zwangsarbeiterin, beim 2. Polizeirevier in Frankfurt registriert. Ihre letzte Frankfurter Adresse und vermutlich auch Arbeitsstelle war das Krankenhaus der Israelitischen Gemeinde, Gagernstraße 36. Von dort wurde sie zusammen mit den Beschäftigten des Krankenhauses, insgesamt 237 Personen, deportiert.

 

Nach Mitteilung des Internationalen Suchdienstes starb Sali Goldblatt an Lungenentzündung. Am 24. Dezember 1942 hatte Helene Goldblatt noch folgende Zeilen an ihre Geschwister in Palästina geschrieben: „Liebste Geschwister! Briefe erhalten. Mir geht’s gut, Euch auch? Salli und Mamma sind in Abrahams Geburtsland. Gehe auf eine höhere Schule.“

 

Selma Goldblatt, die von 1938 bis 1940 das Philanthropin besucht hatte, wurde von ihrer Mutter schließlich ebenfalls in die Obhut des Israelitischen Waisenhauses gegeben. Von hier konnte sie im März 1940 mit einer Kinderverschickung zusammen mit 15 anderen Mädchen des Waisenhauses nach Palästina gelangen. Die im Waisenhaus beschäftigte Regina Levithus - für sie sowie ihren Sohn Josef wurden 2007 Stolpersteine in der Höhenstraße 18 gelegt - begleitete die Mädchen, unter denen auch ihre Tochter Hanna war. Die Gruppe fuhr in Frankfurt am 15. März 1940 mit dem Zug über Innsbruck nach Triest und ging dort mit 144 weiteren jüdischen Kindern aus ganz Deutschland an Bord des Schiffes „Marco Polo“. Am 4. April im Hafen von Haifa angekommen, wurden die Mädchen nach Jerusalem gebracht. Dort besuchten sie die von der Familie Rothschild gestiftete und finanzierte Evelina-de-Rothschild-Schule und wohnten in einem für sie eingerichteten Heim in Schulnähe. Das Heim erhielt den Namen von Ella Schwarzstein, der früheren Leiterin der Mädchenabteilung des Frankfurter Israelitischen Waisenhauses, die vor dem Ersten Weltkrieg an der Evelina-de Rothschild-Schule unterrichtet hatte und im August 1939 in Frankfurt gestorben war.

 

Die Stolpersteine wurden initiiert von Ami Granek, Ramat Gan /Israel, Sohn von Jacob und Pepi Granek, geb. Goldblatt

 

Bei der Verlegung waren anwesend: Ami Granek, Nurit mit Lior Levinson, Petach-Tikva (Tochter von Pepi Goldblatt), Ruth mit Moshe Zaideman, Kiryat Motzkin, Tochter von Selma Goldblatt), Boaz Hirshberg, New York (Sohn von Selma Goldblatt), Zeev Goldblatt, Givataim, (Sohn von Avraham Goldblatt), Doron Goldblatt, Tel Aviv, (Sohn von Avraham Goldblatt) mit Tochter Gil Goldblatt und den Söhnen Roee und Amir Goldblatt

 

Ein Brief von Sali an Peppi:

 

Liebe Peppi!

 

Wie geht es dir? Wir hatten vor einer Woche noch Schnee, da machten wir einen Ausflug in den Taunus.Wir gingen auf den Fuchstanz. Ich möchte dir einmal den Ausflug ganz ausführlich beschreiben. Wir fuhren erst mit der Trambahn bis nach Rödelheim. Von Rödelheim aus fuhren wir mit der Eisenbahn nach Kronberg. Dann wanderten wir bis nach zu dem Fuchstanz. Dort kehrten wir ein und aßen unsere Brote, und bestellten für jeden eine Tasse Kaffee. Vom Fuchstanz aus kann man prima rodeln. Wir bereuten sehr, daß wir keinen Schlitten mitgenommen hatten. Aber es ging auch ohne Schlitten. Wir wanderten dann weiter bis nach Oberursel.Von Oberursel aus fuhren wir mit der Eisenbahn bis nach Rödelheim. Von Rödelheim aus fuhren wir mit der Straßenbahn bis nach Hause. Es war ein sehr schöner Ausflug. Der Schnee lag an vielen Stellen über 1 m hoch. Jetzt ist der Schnee schon wieder geschmolzen. Ich habe dir ja gar nichts von Chanukah . geschrieben. Es ist zwar schon lange her aber es mach nichts wenn ich dir doch von Chanuka schreibe. Es war sehr schön. Wir spielten wie immer etwas vor. . Helene und ich machten auch wir ein Stück mit. Wir spielten Zwickel (?) und G"ttes Segen. Ich habe sehr viel Geld genommen Helene auch. Ich hätte ja Bald etwas ganz wichtiges vergessen. Herr Neumann der - Musiklehrer in der Schule, kam am Chanuka mit ein ganzem Haufen Künstler ins Waisenhaus und spielt etwas vor. Es war sehr schön . Es gibt nichts mehr Neues die besten Grüßen an Abraham und Chaje. Schreibe Mir bald wieder Helene schreibt auf Michtberg (?) dazu. Viele Grüße und Küsse Salli

 

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Keile Goldblatt © privat / Ami Granek, Foto: Keine Angabe

 

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Sali Goldblatt © privat / Ami Granek, Foto: Keine Angabe

 

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Helene Goldblatt, November 1938 © privat / Ami Granek, Foto: Keine Angabe

 

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Helene und Sali Goldblatt, 9-jährig © privat / Ami Granek, Foto: Keine Angabe

 

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Sali Goldblatt © privat / Ami Granek, Foto: Keine Angabe

 

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Markel Max Diamant © privat / Ami Granek, Foto: Keine Angabe

 

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Keile Goldblatt mit Helene und Sali © privat / Ami Granek, Foto: Keine Angabe

 

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Helene und Sali Goldblatt © privat / Ami Granek, Foto: Keine Angabe

 

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Klara und Wolf Goldblatt © privat / Ami Granek, Foto: Keine Angabe

 

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Selma, Abraham und Pepi Goldblatt © privat / Ami Granek, Foto: Keine Angabe

 

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Pepi und Abraham Goldblatt mit Kindern © privat / Ami Granek, Foto: Keine Angabe

 

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Elfriede Meyer, Helene Goldblatt, Hannelore Löwenstein © privat / Ami Granek, Foto: Keine Angabe

 

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Sali und Helene Goldblatt, links neben Betreuer Sigmund Baumann © privat / Ami Granek, Foto: Keine Angabe

 

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Brief von Helene Goldblatt © privat / Ami Granek, Foto: Keine Angabe

 

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Brief von Helene Goldblatt © privat / Ami Granek, Foto: Keine Angabe

 

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Brief von Helene Goldblatt © privat / Ami Granek, Foto: Keine Angabe

 

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Brief von Helene Goldblatt © privat / Ami Granek, Foto: Keine Angabe

 

 

Keile Klara Goldblatt, geb. Diamant

Geburtsdatum:

Deportation:

Todesdatum:

20.10.1892

24./26.09.1942 Raasiku

unbekannt

 

Sally Goldblatt

Geburtsdatum:

Flucht:

Deportation:

Todesdatum

7.8.1925

22.11.1938 Holland

15.6.1942 Westerbork Auschwitz

13.8.1942

 

Helene Goldblatt

Geburtsdatum:

Flucht:

Deportation:

Todesdatum:

15.2.1928

22.11.1938 Holland

15.6.1942 Westerbork Auschwitz

19.11.1943

 

Selma Goldblatt

Geburtsdatum:

Flucht:

16.10.1930

1940 Flucht Palästina

 

Abraham Goldblatt

Geburtsdatum:

Flucht:

7.8.1919

1934 Palästina

 

Pepi Goldblatt

Geburtsdatum:

Flucht:

2.6.1921

1936 Palästina

 

 

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Stolpersteine Carl-Theodor-Reiffenstein-Platz 5, Keile Klara Goldblatt © Initiative Stolpersteine Frankfurt am Main, Foto: Keine Angabe

 

 

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Stolpersteine Carl-Theodor-Reiffenstein-Platz 5, Sally Goldblatt © Initiative Stolpersteine Frankfurt am Main, Foto: Keine Angabe

 

 

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Stolpersteine Carl-Theodor-Reiffenstein-Platz 5, Helene Goldblatt © Stadt Frankfurt am Main

 

 

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Carl-Theodor-Reiffenstein-Platz 5, Selma Goldblatt © Initiative Stolpersteine Frankfurt am Main, Foto: Keine Angabe

 

 

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Stolpersteine Carl-Theodor-Reiffenstein-Platz 5, Abraham Goldblatt © Initiative Stolpersteine Frankfurt am Main, Foto: Keine Angabe

 

 

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Stolpersteine Carl-Theodor-Reiffenstein-Platz 5, Pepi Goldblatt © Initiative Stolpersteine Frankfurt am Main, Foto: Keine Angabe

 

 

 

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