Kirchherr, Walter

Kirchherr, Walter

Stolperstein-Biographien im Nordend

Kirchherr, Walter

 

Walter Jakob Kirchherr wurde in Frankfurt am Main geboren. Seine Eltern waren Gotthilf Kirchherr und Anna Kirchherr (geb. Liese): Sie hatten am 24. April 1909 in Frankfurt geheiratet, Gotthilf Kirchherr war Ingenieur, hatte ein Patent für ein kombiniertes Sicherheitsschloss für Fahrräder und Dynamos herausgebracht und starb 1935 an Magenkrebs. Walter Jakob Kirchherr hatte zwei Schwestern, Anni Kirchherr, später Pfister oder Pfisterer, und Else Kirchherr, später Funk. Die Familie wohnte 1924 in der Seckbacher Landstraße 9, 1935 in der Rendeler Straße 21, 1936 in der Schleiermacherstraße 11 und dann in der Berger Straße 84.

 

Walter Kirchherr lernte den Beruf des Drehers, seine Ausbildung schloss er 1933 bei der Firma Messer & Co. GmbH in Frankfurt/Main ab. Er trat im Mai 1928 der sozialistischen Arbeiterjugend und der SPD bei und wurde Vorsitzender der Ortsgruppe Frankfurt-Bornheim. 1930/31 trat er in öffentlichen Versammlungen als Redner auf, war Führer der sozialistischen Reichsbannerjugend. Am 6. März 1933 wurde er erstmals verhaftet und am 10. März wieder freigelassen. In der Folgezeit musste er sich beim zuständigen Polizeirevier regelmäßig melden. Zu seiner persönlichen Sicherheit verließ er zunächst Frankfurt am Main und arbeitete in Magdeburg. Nach seiner Rückkehr trat er 1934/35 in das elterliche Geschäft ein. Die laufende Überwachung durch die Gestapo dauerte an.

 

Walter Jakob Kirchherr wurde 1937 als „Arbeitshäusling“ in die Arbeitsanstalt Breitenau eingewiesen, unter dem Vorwand, er sei „arbeitsscheu“, lehne Arbeit ab und versorge seine Mutter nicht. Tatsächlich hatte er seine Tätigkeit als Dreher aufgegeben, um das väterliche Geschäft aufrechtzuerhalten. Er kam 1938 wieder frei, war seither gesundheitlich angeschlagen und stand augenscheinlich ständig unter Beobachtung. Mit sechs weiteren Personen wurde er am 12. September 1940 verhaftet und 1941 vom Oberlandesgericht Kassel wegen Vorbereitung zum Hochverrat und fortgesetzten Rundfunkverbrechens zu sieben Jahren Zuchthaus verurteilt. Im April 1945 sollten alle politischen Häftlinge in Ludwigsburg getötet werden. Sie wurden in Züge in Richtung Dachau bzw. Mauthausen gesetzt. Die Züge kamen nach Donauwörth, da zwischenzeitlich die Bahnbrücke über die Donau von den Amerikanern gesprengt worden war. So wurden die Gefangenen ins nahe gelegene Kaisheim getrieben. In den Kaisheimer Gefangenbüchern sind vom 9. bis 11. April 1945 über 500 Neuaufnahmen registriert.

 

Nach seiner Befreiung konnte Walter Jakob Kirchherr nicht nach Frankfurt am Main zurückkehren, da dort die Ruhr ausgebrochen war. So blieb er zunächst in Donauwörth, wo er Katharina Dinger kennenlernte und 1946 heiratete. Er engagierte sich als vom Staatskommissar eingesetzter Betreuer der ehemals politisch Verfolgten in den Landkreisen Donauwörth, Neuburg und Nördlingen.

 

Seine berufliche Laufbahn nach dem Krieg war wenig erfolgreich. Er kam als gebrochener, kranker Mann aus dem Krieg. Von August 1945 bis Juni 1947 war Walter Jakob Kirchherr als Einkaufsleiter im Chemischen Baustoffwerk Nordendorf tätig, ab 1948 war er selbständiger Baustoffhändler, 1951 betrieb er einen Berufskleidungsversand, später baute er eine Werkbaukantine auf, dann war er Fließbandleiter und Dreher sowie Monteur im Rollladenbau, 1968 stellte er einen Rentenantrag.

 

Er litt unter schweren psychischen Problemen und machte 1960 einen Suizidversuch. Von 1954 bis 1968 verfiel er immer mehr dem Alkohol. Mehrere Entziehungskuren blieben ohne Erfolg. Die Ehe wurde 1962 geschieden. Er lebte aber weiterhin mit seiner geschiedenen Frau und mit dem 1948 geborenen Sohn Walter in Donauwörth in demselben Haushalt.

 

Als Enkelin Nicola Elsner im April 1968 geboren wurde, beendete Walter Jakob Kirchherr erfolgreich seine letzte Entziehungskur und kümmerte sich viel  um seine Enkelin. Ein älterer Mann betreut ein kleines Mädchen, das fiel in der ganzen Kleinstadt auf.

 

Walter Jakob Kirchherr und seine Frau heirateten 1974 erneut. Er starb am 13. November 1977 an einer Hirnblutung. Ihr Sohn erfuhr noch, dass ein Stolperstein für den Vater verlegt wird, er starb am 29. Januar 2021.

 

Der Stolpersteine wurde von der Enkelin Nicola Elsner/Frankfurt initiiert und von Alexander Bodtländer finanziert.

 

Walter Kircherr, jung ...
Walter Kircherr, jung ... © Privat, Nicola Elsner

... und älter
... und älter © Privat, Nicola Elsner

 

Walter Kirchherr 
Geburtsdatum:
1.12.1913 
Verfolgung:
Im Widerstand/SPD, 6.-10.3.1933, März 1937 – 1938 Breitenau, 12.9.940 Haft Frankfurt, Januar 1942 „Hochverrat“, 9.4.1945 Ludwigsburg, 11.4.1945 Kaisheim, 1.6.1945 befreit

 

 

Stolperstein Berger Straße 84, Kirchherr, Walter
Stolperstein Berger Straße 84, Kirchherr, Walter © Initiative Stolpersteine Frankfurt am Main

 

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