Weichbrodt, Raphael und Dorrit

Weichbrodt, Raphael und Dorrit

Stolperstein-Biographien im Bahnhofsviertel

Weichbrodt, Raphael und Dorrit

mainzer_landstr_23_weichbrodt
Weichbrodt, Raphael © Initiative Stolpersteine Frankfurt am Main, Foto: keine Angaben

 

Raphael Weichbrodt wurde in Labischin bei Bromberg geboren. Er stammte aus einer jüdischen Familie, seine Eltern waren Wolf Weichbrodt und Therese, geb. Moses. Der Vater war als Kaufmann tätig, die Familie gehörte dem gutsituierten Mittelstand an. Raphael Weichbrodt war seit 1919 mit Meta, geb. Markus, geb. 20. Juni 1895 in Mühlheim/Ruhr, verheiratet. Das Ehepaar hatte zwei Töchter, die 1920 geborene Ruth und Dorrit. Raphael Weichbrodt war gehbehindert (Klumpfüße).

 

Das Ehepaar wohnte zuerst in der Feldstraße 78, einer Dienstwohnung der Klinik, ab 1921 in der Eschersheimer Landstraße 237. Ein Jahr später zog die Familie in die Savignystraße 6 und 1926 in eine Erdgeschosswohnung in die Mainzer Landstraße 21. Im Jahr 1940 war Raphael Weichbrodt am Blittersdorfplatz 33 gemeldet.

 

Nach dem Abitur 1906 in Bromberg studierte Weichbrodt Medizin in Berlin, Heidelberg, Freiburg und München. Sein Staatsexamen, Approbation und Promotion erfolgte in München, Abschluss 1912. Nach Praktika und Assistenzzeit in Berlin trat er 1915 als Stationsarzt der Städtischen Irrenanstalt in den Dienst der Stadt Frankfurt. 1920 wird er Privatdozent der Universität Frankfurt und ab 1926 außerordentlicher Professor und Facharzt für Nervenkrankheiten und Psychiatrie, 1932 Leiter des Chemisch-serologischen Laboratoriums der Universitätsklinik für Gemüts- und Nervenkranke in Frankfurt.
1933 wurde Weichbrodt gemäß dem „Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ die Lehrbefugnis entzogen. Er wurde aus städtischen Diensten entlassen. Durch Verordnung vom 31. März 1933 wurde die Zulassung nichtarischer Ärzte zu den Krankenkassen eingeschränkt und später vollends aufgehoben. Das am 4. Oktober 1933 erlassene Reichsschriftleitergesetz verbot Juden jede journalistische und schriftstellerische Tätigkeit. Dadurch wurde Raphael Weichbrodt, der sich neben Fachaufsätzen literaisch/poetisch betätigte, besonders mit vielen Gedichten an seine Frau Meta, jegliche selbstständige Berufstätigkeit unmöglich gemacht.

 

Seine Gutachtertätigkeit für die Reichsbehörden Bahn und Post konnte Weichbrodt zunächst noch fortsetzen, da die Reichsbahndirektion in einem Schreiben vom 23. Mai 1933 ihm für seine Tätigkeit dankte und ihm mitteilte, auf seine Mitarbeit nicht verzichten zu wollen.

 

Raphael Weichbrodt hatte in den Jahren seiner Hochschultätigkeit zahlreiche Veröffentlichungen zu seinem Fachthema publiziert, sowie an zwei umfangreichen Werken als Mitherausgeber gewirkt, dem Handbuch der ärztlichen Begutachtung (2 Bände) und dem Handbuch der gesamten Unfallkunde. Mittelpunkt seiner Arbeit blieb aber die Vollendung seines eigenen Werkes über den Selbstmord. Im November 1931 machte ihm der Barth-Verlag in Leipzig einen Vertragsvorschlag, verschob die Herausgabe dann aber um ein Jahr. Erst im Laufe des Jahres 1933 konnte an eine Erscheinung gedacht werden, dann war es aber zu spät. Das Buch erschien erst 1937 in der Schweiz.

 

Meta Weichbrodt starb 1932 in Frankfurt am Main an Krebs. Ihr Grab befindet sich auf dem Neuen Jüdischen Friedhof. Die Grabrede hielt Rabbiner Salzberger.

 

Als 1940 Raphael Weichbrodts Werk über den „Versicherungsbetrug“ in der Schweiz erschien, ließ er über den Verlag ein Exemplar an seine bereits nach New York geflüchtete Tochter Ruth übersenden. Die Tochter Dorrit blieb bei ihrem Vater in Frankfurt. Sie arbeitete seit 1937 als Sekretärin beim Palästinaamt in Frankfurt. Danach ist sie noch ab 15. Mai 1941 als Schülerin in der Röntgen-Abteilung des Jüdischen Krankenhauses tätig. Eine Bestätigung darüber, datiert vom 24. Juli 1941, ist das letzte Lebenszeichen.

 

Raphael Weichbrodt wurde im Mai 1942 von Frankfurt aus in den Osten deportiert, wahrscheinlich mit dem Transport vom 24. Mai 1942 in die Region Lublin nach Groß Rosen. Er wurde am 31. Mai 1942 ermordet. Seine Tochter Dorrit wurde zur selben Zeit nach Mauthausen deportiert. Für sie wurde dasselbe Todesdatum festgelegt.

 

Die Tochter Ruth Weichbrodt, verheiratete Josel, lebte später in Sao Paulo/Brasilien. Nach ihrer 1992 bei einem Besuch in Frankfurt erfolgten Darstellung hat ihr Vater wenige Tage nach seiner Festnahme Selbstmord begangen habe. Er hätte immer Gift bei sich getragen.

 

Raphael Weichbrodt

Geburtsdatum:

Deportation:

Todesdatum:

21.09.1886

1942 Groß-Rossen, Mauthausen

31.05.1942

Dorrit Weichbrodt 

Geburtsdatum:

Deportation:

Todesdatum:

27.09.1921

1942 Mauthausen

unbekannt

 

 

 

stolperst_mainzer_landstrasse_23_weichbrodt_dr_raphael
 

 

stolperst_mainzer_landstrasse_23_weichbrodt_dorrit
 

 


 

inhalte teilen