Epstein, Fritz, Margarethe, Werner und Alfred

Epstein, Fritz, Margarethe, Werner und Alfred

Stolperstein-Biographien im Westend

Epstein, Fritz, Margarethe, Werner und Alfred

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Epstein, Fritz © privat/Daniela Epstein, Foto: keine Angaben

 

Fritz Epstein wurde in Dresden geboren. Seine Eltern waren Siegfried Epstein (1847-1917) und Line, geb. Pitsch (1851-1921), die 1870 in Breslau geheiratet hatten und zuletzt in Frankfurt lebten. Fritz Epstein hatte sechs Geschwister, darunter die am 17. Juni 1886 geborene Gertrud. Er heiratete am 28. Oktober 1902 in Magdeburg Margarethe, geb. Mayerstein, die in Egeln in der Magdeburger Börde geboren wurde. Die beiden hatten zwei Söhne: Werner Hugo Epstein wurde in Kassel, Alfred Ernst Epstein in Frankfurt geboren. Die Familie wohnte um 1910 in der Mainzer Landstraße 134, später in der 1913 von Fritz Epstein selbst erbauten Villa in der Unterlindau 29.

 

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Epstein, Fritz 2 © privat/Daniela Epstein, Foto: keine Angaben

 

Fritz Epstein erhielt seine Ausbildung an der Kunstgewerbeschule in Dresden, an der Baugewerkschule in Berlin und an der TH Berlin-Charlottenburg. Als Architekt war er in Wesel, Mannheim, Dresden, Kassel und ab 1904 in Frankfurt am Main tätig. Hier unterhielt er auf der Zeil 81 eine Architektengemeinschaft mit Hans Schönbein.

 

Seine Bautätigkeit umfasste rund 150 Gebäude in Frankfurt. Er war Mitglied der Gesellschaft zur Erforschung jüdischer Kunstdenkmäler, Mitglied des Verbandes Jüdischer Ingenieure für den technischen Aufbau Palästinas, Mitbegründer und Vorsitzender des Reichsverbandes der technischen Berufe Deutschlands, beratender Architekt des Vorstandes der Israelitischen Gemeinde Frankfurt, Vorsitzender des jüdischen Arbeitsamtes, Begründer und Vorstandsmitglied der Gemeinnützigen Gesellschaft für Wohnungsbau Frankfurt. Er war auch ehrenamtlicher Armenpfleger, bis 1913 zahlte er alle Unterstützungen in seiner Wohnung aus.

 

Fritz Epstein war auch Beauftragter Architekt der von Rothschildtischen Stiftungen und Gebäude (Paris/Wien). Das frühere Geschäftshaus der Firma M. A. Rothschild & Söhne in der Fahrgasse wurde von ihm zum Verwaltungsgebäude der Israelitischen Gemeinde Frankfurt umgebaut, wobei das erste Stockwerk das Privatbüro der letzten Frankfurter Rothschilds erhalten und außerdem dort das Museum für jüdische Altertümer untergebracht werden sollte. Dieses Haus an der Bornheimer Pforte, 1912 durch Schenkung in den Besitz der Israelitischen Gemeinde gekommen, hatten die Brüder Amschel, Salomon und Carl Mayer von Rothschild 1809/10 erbauen lassen an der Stelle der 1796 durch Bombardement der Franzosen beschädigten bzw. zerstörten Häuser Goldene Scheuer, Goldener Mörser, Roseneck, Weiße Rose und Rosenkranz. Von 1813 bis 1901 diente es als Geschäftshaus der Bank M. A. Rothschild & Söhne. Im August 1921 erfolgte der Umzug der Israelitischen Gemeindeverwaltung vom früheren Büro in der Hochstraße ins ehemalige Rothschildtische Geschäftshaus.

 

Fritz Epstein war organisierter Zionist und Mitglied der Frankfurter Zionistischen Vereinigung. Schon früh wollte er nach Palästina auswandern. 1920 schrieb er an einen Bekannten: „Mir ist Palästina gut bekannt. Ich habe fast das ganze Land bereist, hatte Fühlung mit den Eingeborenen, kenne Boden, Topographie, Klima. Dies während des Krieges in meiner Eigenschaft als Zahlmeister einer Fliegerabteilung, zu der ich mich freiwillig gemeldet hatte, um Palästina kennen zu lernen. Mein Interesse an P. ist ein großes. Der sicher eintretende Aufschwung wird für Techniker und Baumeister große und vielseitige und den Schaffenden befriedigende Aufgaben stellen. Meine hiesige Tätigkeit würde ich u.U. aufgeben, wenn ich eine gesicherte Position dort finden könnte, allerdings meiner bisherigen Tätigkeit entsprechend an erster Stelle."

 

1933 wurde Fritz Epstein aus der Liste der Mitglieder des Bundes Deutscher Architekten (BDA) gestrichen. Im selben Jahr 1933 flüchtete er mit seiner Frau und dem Sohn Alfred, der auch Architekt war, nach Palästina. Sie ließen sich in Tel Aviv nieder.

 

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Alfred, Margarethe und Werner Epstein © privat/Daniela Epstein, Foto: keine Angaben

 

Alfred Epstein; der die Merton-Oberrealschule besuchte hatte und bei dem von Professor Hans Poelzig verantworteten Bau der Zentralverwaltung für den I.G. Farben-Konzern mitwirkte, heiratete am 1. November 1942 in Jerusalem Lotte Kaufmann. Dieser und ihrer Schwester Gertrude war 1935/36 die Flucht von Frankfurt nach Palästina gelungen. Alfred und Lotte Kaufmann hatten einen Sohn und eine Tochter, Gad Bernard Epstein (1943-2011) und Daniela Epstein (Jg.1950).

 

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Alfred Margarethe und Werner Epstein 2 © privat/Daniela Epstein, Foto: keine Angaben

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Epstein, Alfred © privat/Daniela Epstein, Foto: keine Angaben

 

Werner Hugo Epstein besuchte von 1910 bis 1913 die Wöhlerschule, anschließend das Goethe-Gymnasium. Er studierte an der Kunstschule Frankfurt und wurde Maler und Grafiker. 1926 gestaltete er den Schiffsfestzug zur Einweihung der Alten Brücke mit, er wurde Reklameleiter der Schleussner-Werke und richtete ein eigenes Werbeatelier ein. 1932 wurde er von der Stadt Frankfurt mit dem Goethe-Preis für ein Aquarell ausgezeichnet. Er wohnte zuletzt in der Battonnstraße 40, 1934 flüchtete er nach Frankreich, wo er am 28. April 1935 in Paris die in Mainz geborene Else Elisabeth Gunter heiratete. Beide lebten 1936/37 für ein Jahr in Palästina, kehrten dann aber wieder nach Frankreich zurück. Sie wurden im Rahmen der Aktion „Rafle du Vélodrome d’Hiver“ (Razzia des Wintervelodroms) am 16. und 17. Juli 1942 in Paris mit 13.000 französischen Bürgerinnen und Bürger jüdischen Glaubens und ausländischen Juden festgenommen und anschließend in das französische Internierungslager Gurs nordöstlich der Pyrenäen deportiert.

 

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Epstein, Werner © privat/Daniela Epstein, Foto: keine Angaben

 

Werner und Else Epstein gelang es aus Gurs nach Gap (Hautes Alpes) zu fliehen. Dort lernten sie im September 1942 den katholischen Priester Vater Joseph Richard Duchamblo kennen. Dieser leitete ein Katholisches Seminar in Charance bei Gap und war Mitglied der Résistance. Er vermittelte Werner Epstein eine Stelle als Deutschlehrer in dem Seminar. Dort arbeitete er unter falschem Namen und erhielt Kost und Logis. Damit die Leute glaubten, er sei Katholik, wurde ihm empfohlen, das Vaterunser und das Gebet „Heilige Maria“ zu lernen, an Sonntagen die Wohnung zu verlassen und in die Kirche zu gehen. Ein Rat lautete: „Während der Gebete und Segen bleibe in einer ehrfürchtigen Haltung stehen. Ich möchte nicht, dass du Kreuzzeichen machst, aber bewege leicht deine Hand vor deine Brust, so dass die Schüler und andere, die an Kreuzzeichen gewohnt sind, glauben, dass du ein guter Katholik bist.“

 

Im April Juli 1944 wurde Werner Epstein in Gap, als er während der Osterferien dort seine Frau besuchte, erkannt und bei der Gestapo denunziert. Festgenommen, gelang es ihm zu flüchten und sich im Krankenhaus von Gap zu verstecken. Trotz des starken Polizeiaufgebots gelang es dem von Else Epstein kontaktierten Vater Joseph, Werner Epstein aus Krankenhaus zu holen und ihn bis zur Befreiung im August 1944 zu verstecken. Werner und Else Epstein lebten nach der Befreiung wieder in Paris, wo 1948 ihre Tochter Monique geboren wurde. Pater Joseph Richard Duchamblo (1906-2003) wurde für seine Rettungstaten 1974 als "Gerechter unter den Völkern" von Jad Vaschem ausgezeichnet (Liste der Gerechten Frankreichs, Dateinummer 870). Werner Hugo Epstein starb 1987 in Paris.

 

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Epstein Abschied aus Frankfurt © privat/Daniela Epstein, Foto: keine Angaben

 

Fritz Epstein zog ein Jahr nach dem Tod seiner Frau im Jahr 1955 wieder nach Frankfurt und lebte dort im jüdischen Altersheim in der Gagernstraße 36. Er starb am 5. April 1960 in Bad Ems und wurde in Frankfurt auf dem jüdischen Friedhof in der Eckenheimer Landstraße beerdigt. Alfred Epstein organisierte in den 1960er Jahren Reisen junger Israelis in die Bundesrepublik Deutschland und schuf zusammen mit seiner Frau damit die Grundlage für den Deutsch-Israelischen Jugendaustausch‚ den es heute noch gibt, wofür er von Bundespräsident Gustav Heinemann mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet wurde. Er starb 1977 in Jerusalem.

 

An Fritz Epsteins Schwester Gertrud und ihren Ehemann Siegmund Gotthelf erinnern seit 2011 Stolpersteine in der Böhmerstraße 4. Seit Juni 2014 liegen Stolpersteine für Lotte (später Epstein) und Gertrude Kaufmann und ihre Eltern Mathilde und Siegmund Kaufmann in der Gaußstraße 9, und für Ida und Abraham Adolf Kaufmann sowie deren Tochter Susi und deren Ehemann Adolf Dukat in der Straße Am Tiergarten 32. Gertrud und Siegmund Gotthelf, Ida und Abraham Adolf Kaufmann sowie Susi und Adolf Dukat wurden am 19. Oktober 1941 von Frankfurt nach Lodz deportiert und dort ermordet. Wohin Mathilde und Siegmund Kaufmann deportiert und wann sie ermordet wurden, ist nicht bekannt.

 

Die Stolpersteine wurden initiiert von Daniela Epstein/Jerusalem, die Tochter von Alfred Epstein. Sie hat mit ihrer Tochter Ronn, mit Dr. Anat Epstein/Jerusalem, Ex-Ehefrau von Gad Epstein, dem Sohn von Alfred Epstein, und mit Monique Epstein/Paris, Tochter von Werner Epstein, und ihrem Sohn Roy/Jerusalem an der Verlegung teilgenommen.

Margarethe Epstein, geb. Mayerstein

Geburtsdatum:

Deportation:

27.12.1876

Flucht: 1933 Palästina

Alfred Ernst Epstein

Geburtsdatum:

Deportation:

06.03.1912

Flucht 1933 Palästina

Werner Hugo Epstein

Geburtsdatum:

Deportation:

Todesdatum:

31.10.1903

Flucht: 1934 Frankreich, interniert in Gurs

Flucht, versteckt, überlebt

Fritz Epstein

Geburtsdatum:

Deportation:

04.12.1877

Flucht: 1933 Palästina

 

 

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Stolperstein Unterlindau 29 Fritz Epstein © Initiative Stolpersteine Frankfurt am Main

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Stolperstein Unterlindau 29 Margarethe Epstein © Initiative Stolpersteine Frankfurt am Main

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Stolperstein Unterlindau 29 Werner Hugo Epstein © Initiative Stolpersteine Frankfurt am Main

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Stolperstein Unterlindau 29 Alfred Ernst Epstein © Initiative Stolpersteine Frankfurt am Main


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