Wenn Corona Mensch und Tier trennt
Ein Rundgang mit Kuratorin Sabrina Linn durch den Zoo Frankfurt in Zeiten der Pandemie.
Streng voneinander getrennte Teams versorgen die Tiere
Der Zoo hatte bereits für den ersten Lockdown ein genau durchdachtes Einsatzkonzept für seine Mitarbeiter erarbeitet – an erster Stelle steht die optimale Versorgung der Tiere. „Wir konzentrieren uns zurzeit auf die essenzielle Arbeit, nämlich, dass die Tiere ihre benötigte Pflege, ihr Futter und wenn notwendig die medizinische Versorgung erhalten“, sagt Sabrina Linn. Die Tierpfleger des Zoos sind für acht Reviere zuständig. Aktuell sind sie, wie im Frühjahr, in zwei Teams aufgeteilt. Zwischen den Teams ist der Kontakt strengstens untersagt. „Wir arbeiten mit Minimalbesatz. Sollte ein Pfleger oder eine Pflegerin, in einem Team infiziert sein, ist das andere Team immer noch voll einsatzfähig und kann weiterarbeiten“, erläutert sie. Das erfordert viel Kommunikation untereinander – Übergaben und wichtige Nachrichten werden nur per Telefon oder E-Mail weitergegeben. Das verlangt den Zoomitarbeitern nicht nur beruflich viel ab, sondern auch persönlich: Befreundete Pfleger, die nicht in einem Team arbeiten, dürfen sich nicht treffen. „Wir haben auch Partnerschaften oder Familien unter den Mitarbeitenden, das haben wir bei der Zusammenstellung der Teams berücksichtigt, aber Freundschaften müssen nun die Distanz aushalten“, sagt Linn, die ständig in Kontakt mit den Pflegern aus allen Teams steht und die Situation kennt. Alle seien sehr diszipliniert.
Manchen Tieren fehlt die Interaktion mit den Besuchern
Während einige Tiere die Menschen zu vermissen scheinen, müssen sich noch die kurz vor Ostern geborenen Zwergziegen an zweibeinige Besucher gewöhnen. „Es sind die schüchternsten Ziegen, die wir je hatten“, berichtet Linn. Mit dem ersten Lockdown wurde das Streichelgehege der Zwergziegen geschlossen und seitdem durften Kinder und Erwachsene nicht mehr rein. „Sie hatten bisher keinen direkten Menschenkontakt bis auf die Pflegerinnen und Pfleger“, sagt die Kuratorin. Aber sie ist zuversichtlich, dass auch diese Hürde von den Tieren gemeistert wird.
Alle Pfleger haben Grundwissen in der Versorgung der Tiere, dennoch kann nicht jeder Tierpfleger jedes Tier pflegen. „Gerade der Umgang mit gefährlichen Tieren wie den Raubkatzen oder Gorillas erfordert eine gewisse Routine, was Sicherheitsvorkehrungen betrifft. Und im Exotarium oder bei den Vögeln haben die Mitarbeiter eine besondere Expertise, beispielsweise beim Thema Nahrung. Die sind dann auch schwer zu ersetzen oder die Einarbeitung eines neuen Kollegen würde zu lange dauern.“ Personal, das normalerweise an der Kasse arbeitet, wird in anderen Bereichen eingesetzt. Gerade im Herbst bleibt das Laub der alten Bäume auf dem Zoogelände aber auch mal länger liegen. Die Tiere stört es nicht und die Kraftreserven der Angestellten nutzt der Zoo lieber für die Versorgung der Tiere.
Menschenaffen sind vom Virus besonders gefährdet
Besonders schwierig ist die Situation im Borgori-Wald. Denn Menschenaffen können an den allermeisten Krankheiten erkranken, die auch Menschen bedrohen. Schon ein vermeintlich „harmloser“ Grippevirus kann ein Jungtier töten. „Grundsätzlich könnten sie vermutlich auch an Covid-19 erkranken, bisher ist kein Fall bekannt. Dennoch müssen wir sehr vorsichtig sein“, erklärt Linn. Deshalb ist der Borgori-Wald auch seit Ende März für den Publikumsverkehr geschlossen. Fast 30 Menschenaffen leben dort. Die Bonobos, Gorillas und die Orang Utans haben nur noch Kontakt zu ihren Pflegern. Diese dürfen sich auch während ihrer gesamten Schicht nur im Affenhaus aufhalten. Das Futter für die Bewohner des Borgori-Waldes wird wie durch eine Schleuse geliefert – kontaktlos. Bonobos beispielsweise sind sehr selten in Europa und der Zoo Frankfurt hat einen wichtigen Bestand im europäischen Zuchtprogramm. „Es wäre nicht nur für uns persönlich dramatisch, wenn sie an einer Corona-Infektion sterben würden, sondern auch für die europäische Bonobo-Population“, sagt Linn. Ein infizierter Affe würde schlimmstenfalls zu einem Super-Spreader im Borgori-Wald werden. Deshalb herrscht auch für die Pfleger im Affenhaus eine strikte Maskenpflicht, um die Tiere vor einer Infektion zu schützen.
Eine Öffnung braucht ein neues Konzept
Auf dem gesamten Zoogelände tragen die Mitarbeiter Masken, in Bereichen mit potentiell gefährdeten Tierarten FFP2-Masken. „Zum Schutz der Tiere ist das unverzichtbar. Katzen und maderartige Tiere wie Nerze sind ebenfalls gefährdet.“ Wann der Zoo wieder aufmachen kann, ist noch ungewiss. Natürlich hoffen alle, dass die Besucher bald wiederkommen dürfen, aber auch da wird es ein anderes Konzept geben müssen. „Sollten wir in den Wintermonaten öffnen können, müssen wir bedenken, dass sich witterungsbedingt die Menschen vermehrt in den Tierhäusern aufhalten werden. Dafür muss ein anderes Hygienekonzept her. Das wäre eine neue Herausforderung“, erklärt Linn. Für die Arbeit des Zoos sind die Besucher sehr wichtig – denn über Themen wie Natur- und Artenschutz kann man am besten unmittelbar vor Ort informieren. Der Bildungsauftrag ist für den Zoo Frankfurt von höchster Bedeutung. „Gerade das Thema Corona ist aktuell und zeigt im Hinblick auf den Ursprung des Virus, was passiert, wenn der Mensch Tieren immer stärker den Lebensraum nimmt. Zoonosen wie Ebola, HIV oder Sars kommen immer wieder. Aber die Abstände werden immer geringer“, erklärt Linn, auch mit Blick auf die wissenschaftliche Aufarbeitung der aktuellen Pandemie.
Seit März ist das Leben im Frankfurter Zoo ein anderes, gezeichnet von Disziplin, Entbehrungen, geänderten Arbeitsabläufen und vielen Vorsichtmaßnahmen – alles für die Zeit, wenn wieder Kinderlachen, staunende und strahlende Menschen- und Tieraugen aufeinandertreffen.
Weitere Informationen zum aktuellen Geschehen im Zoo unter http://www.zoo-frankfurt.deExternal Link
Text: Pelin Abuzahra
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