Wenn die Gesundheit nur Homeschooling erlaubt
Die Schülerin Mona Ali und die Lehrerin Thekla Ahlrichs berichten von ihrem Schulalltag in Pandemie-Zeiten.
„Zu Beginn des Homeschoolings war die Ungewissheit groß. Wie wird dieser ‚Zuhause-Unterricht‘ sein? Die gesamte Lockdown-Situation war unheimlich. Die Schließung der Schulen zeigte, dass die Situation ernst ist und wir Schüler dazu beitragen müssen, andere zu schützen“, erklärt Mona.
Ihr Schultag beginnt meist um 8.30 Uhr am Schreibtisch in ihrem Zimmer. Fürs Homeschooling benötigt sie Laptop, Tablet und ein Handy. Kommuniziert wird über das Schulportal LANiS des Landes Hessen. Darüber kann sie ihren Lehrern schreiben, Dokumente wie Hausaufgaben oder Aufgabenblätter down- und uploaden. „Das ist eine optimale Plattform. Zudem nutzen wir für Videokonferenzen Tools wie Zoom oder Big Blue Button. Das klappt gut“, sagt Mona. Die Online-Sessions mit ihren Lehrern finden meist zwischen 8 und 18 Uhr statt – dafür gibt es einen Stundenplan. „Dafür nutze ich den Laptop – meine Notizen während dieser Gespräche mache ich mit dem Tablet“, erklärt die Schülerin. Die Online-Sessions finden ausschließlich für Mona statt. Während ihre Mitschüler im Klassenraum sitzen und dem Unterricht folgen, bearbeitet Mona alleine ihre Aufgaben in ihrem Zimmer. Ihre Lehrer stehen dann zum virtuellen Unterricht für sie bereit, alles durch einen Stundenplan geregelt. Dieser Unterricht wird nur für sie gehalten.
„Das ist wie im Unterricht, nur sitzt man eben nicht im Klassenraum. Man bekommt die Aufgaben, die Lehrer erklären diese und fragen, ob alles soweit klar ist. Offene Fragen klären wir gemeinsam und dann bearbeiten wir Aufgaben auch mal zusammen“, erklärt Mona den Ablauf – nach einem dreivierteljahr Routine für die Frankfurter Schülerin. Der Lehrer ist in diesen Online-Sessions immer dabei, je nach Stundenplan 45 oder 90 Minuten lang. Inhaltlich sei sie zufrieden. Sie habe nicht das Gefühl, dass sie etwas verpasse oder benachteiligt sei, was den Unterricht angeht. Doch eines fehlt ihr sehr: ihre Freunde, Mitschüler und Lehrer. „Ich vermisse die Schule als Ort. Ich bin gut sieben Jahre zur Schule gegangen und plötzlich kann ich nicht mehr hin“, sagt Mona. Den Kontakt zu ihren Freunden und Mitschülern hält sie seit Monaten virtuell über verschieden Plattformen. Das Schulgebäude betritt Mona nur für Klassenarbeiten. Diese schreibt sie in einem Einzelraum. „Der beste Zeitraum dafür ist 7 Uhr oder 13.45 Uhr, da sind dann keine Schüler auf dem Hof oder im Schulgebäude. Der Fachlehrer sagt mir, in welchem Raum ich die Arbeit schreiben werde. Dort bin ich dann unter Aufsicht alleine.“
Viel Disziplin und Selbstorganisation sind gefragt
Sie hat sich mit dem Programm One Note eine Art Hausaufgabenheft und Checkliste angelegt, auch ihre Notizen legt sie dort ab. Deutsch, Mathe, Spanisch, Ethik, Musik, Geschichte, Erdkunde, Chemie, Physik, Biologie und Sport sind einige der Fächer, die Mona nun per Videokonferenz mit ihren Lehrern lernt. Auch Sport wird per Unterricht zuhause vermittelt – sie bekommt Übungen und Aufgaben, die sie dann zuhause macht. Zudem steigt sie jeden Tag für 20 Minuten auf ihren Crosstrainer. „Homeschooling könnte über die Pandemie-Zeit hinaus weitergehen – nicht als kompletter Ersatz, aber im Wechselmodell“, sagt Mona. Auch wenn anfangs eine große Unsicherheit herrschte, sieht sie nach neun Monaten Homeschooling die Situation anders: „Ich blicke optimistisch in die Zukunft. Wir sind durch die Pandemie auch zusammengewachsen. Haben in Sachen Digitalisierung der Schule viel vorangebracht. Ich mag den Satz von Goethe: ‚Alles ist schwierig bevor es einfach ist.‘ Und es ist einfacher geworden. Die Unterrichtstunden sind entzerrt und ich habe einen Stundenplan wie alle anderen Schüler auch.“ Und wenn sie doch mal nicht weiterkommt mit einer Aufgabe, dann schreibt sie ihren Lehrern, die schnell antworten, oder fragt die Eltern oder den älteren Bruder. Dennoch ist ihr größter Wunsch, dass die Pandemie vorbei ist.
Die Notlösung brachte einen Erfahrungsschatz hervor
Während des Unterrichts sieht sie die gesamte Klasse
auf ihrem Bildschirm. „Aber, wenn ein Schüler möchte, kann er seine Kamera auch
ausschalten“, erklärt sie. Der Unterricht bei Thekla Ahlrichs beginnt für ihre
Schüler um 7.30 Uhr zuhause am Computer. Nach der Unterrichtsstunde fahren die
Kinder dann zum Präsenzunterricht. „Ich bin mit Leib und Seele Lehrerin, mir
fehlt der persönliche Kontakt zu meinen Schülern und zu meinen Kollegen. Aber
für den Schutz meines Mannes verzichte ich auf all das. Seine Gesundheit ist
mein Motor, um das auszuhalten“, sagt die Lehrerin.
Für das Lehrerkollegium war das Unterrichten von
zuhause aus auch Neuland. Ahlrichs war die erste am Goethe-Gymnasium, die es
ausprobiert und für alle optimiert hat. Ihre IT-Kenntnisse und ihre Stellung
als Beauftragte für diesen Bereich waren dabei sehr hilfreich. „Ich war ganz
neugierig zu schauen, wie es am besten geht. Ich bin eine Tüftlerin, ich habe
ein Konzept erarbeitet, Dinge ausprobiert und es hat geklappt“, berichtet
Ahlrichs. Bis zu den Herbstferien habe sie sieben Wochen Erfahrung gesammelt
und ihr Konzept sei aufgegangen; das Feedback ihrer Schüler sei sehr gut
gewesen: „Die Notlösung brachte einen Erfahrungsschatz für alle, das Wissen
habe ich meinen Kollegen weitergegeben. Wir alle sind in der Lage, optimal
online zu unterrichten. Ich bin sehr stolz auf unsere Schule.“ Auch Schüler und
Eltern hätten das mit Verständnis aufgenommen und die Maßnahme mitgetragen:
„Ich bin dankbar für die Solidarität der Schüler, Eltern und des
Elternbeirats.“
Unterrichten bedeutet auch eine Beziehung aufbauen
Wie Mona Ali kommuniziert auch Ahlrichs mit ihren
Schülern neben den Videokonferenzen über Lernplattformen. Dort sendet sie ihren
Schülern Aufgaben und Hausaufgaben zu, empfängt die erledigten Aufgaben ihrer
Schüler, um sie zu korrigieren und Feedback zu geben. Auch die Lehrerin musste
ihren Tag neu strukturieren. „Normalerweise habe ich viel Bewegung im
Schulalltag. Jetzt sitze ich viel am Schreibtisch und mein Bewegungsradius ist
auf die Wohnung beschränkt.“ Ahlrichs fehle das Dynamische des Schulalltags.
Wenn sie und ihr Mann geimpft werden, kann die Lehrerin wieder am
Präsenzunterricht teilnehmen. „Wieder vor den Schülern zu stehen, darauf freue
ich mich am meisten. Unterricht heißt nicht nur Wissen vermitteln, sondern
Bezug zu seinen Schülern haben. Im Klassenraum kriegt man jeden Schüler mit –
wie ist die Stimmung, welcher Schüler ist traurig oder in sich gekehrt, welcher
ist aufgekratzt? Da kann ich als Lehrerin besser reagieren und nachfragen, was
los ist. In dieser Beziehung ist Homeschooling ein gewisser Kontrollverlust für
den Lehrer“, sagt Ahlrichs.
Eine positive Seite des Homeschoolings betonen Mona
Ali und Thekla Ahlrichs: Die Pandemie hat der Digitalisierung der Schulen und
des Unterrichtens einen enormen Schub beschert. „Technisch haben wir viel
vorangebracht. Und die Schüler mussten sehr viel schneller lernen, mit
Programmen wie Word oder PowerPoint zu arbeiten und all diese Dokumente
strukturiert abzulegen und abzurufen. Viele Jugendliche sind fit im Umgang mit
Smartphones, aber das Arbeiten mit Programmen müssen sie lernen und das ist im
vergangenen Jahr sehr viel schneller geschehen. Ich bin auch sehr dankbar, dass
jeder Schüler, der es sich nicht leisten konnte, vom Bildungsdezernat mit
entsprechender Hard- und Software ausgestattet wurde“, sagt Ahlrichs.
Für die Schülerin Mona Ali und die Lehrerin Thekla
Ahlrichs gibt es jedoch nur einen Wunsch für das neue Jahr: Endlich wieder in
die Schule gehen zu können und Freunde, Mitschüler und Kollegen wiedersehen.
Text: Pelin Abuzahra