„Viele sind froh, dass sie sich überhaupt treffen können“
Nicola Wagner, pädagogische Mitarbeiterin im Bereich Kultur, berichtet, wie Corona ihre Arbeit und den Kursalltag der VHS verändert hat.
Auch die Erwachsenenbildung wurde durch die Pandemie und die Maßnahmen stark eingeschränkt. Betroffen ist hiervon auch die Frankfurter Volkshochschule (VHS). Die VHS Frankfurt ist mit rund 5.600 Veranstaltungen im Jahr (Kurse, Seminare, Workshops, Vorträge, Online-Angebote, Führungen, Bildungsurlaube und Ausstellungen) die größte öffentliche Weiterbildungseinrichtung in Hessen. Im Interview erzählt Nicola Wagner, pädagogische Mitarbeiterin im Bereich Kultur, wie Corona ihre Arbeit und den Kursalltag der VHS verändert hat.
Frau Wagner, beschreiben Sie bitte kurz Ihren Job bei der Volkshochschule
Frankfurt.
NICOLA WAGNER: Ich bin pädagogische Mitarbeiterin bei
der VHS im Bereich Kultur, den ich mit drei Kolleginnen organisiere. Darunter
fallen unter anderem Literatur, Theater, Tanz, Kunsthandwerk, und ich bin
zuständig für Fotografie, Malen und Zeichnen sowie im Bereich Musik für die
Instrumentalkurse. Als pädagogische Mitarbeiterin leite ich selbst keine Kurse,
sondern konzipiere das Kursprogramm und in Zusammenarbeit mit den Kursleitenden
die Inhalte. Natürlich bin ich ab und zu in Kursen dabei und hospitiere. Gerade
im letzten Jahr hatten wir Phasen, in denen zwar Präsenzunterricht
stattgefunden hat, allerdings unter strengen Hygienevorgaben. Da war ich
häufiger in den Kursen, um zu sehen wie das läuft.
Wie sah das Hygienekonzept konkret aus?
WAGNER: Zunächst wurde das ganze Gebäude mit einer
Wegeführung ausgestattet, sodass man den Abstand zueinander wahren kann, wenn
man aneinander vorbeiläuft. Dann wurden die einzelnen Unterrichtsräume
ausgemessen, um die Tische so umzustellen, dass man im notwendigen Abstand
zueinander sitzen kann. Natürlich waren die Räume dadurch nicht mehr so nutzbar
wie zuvor, also wurden auch die Kursgrößen entsprechend reduziert. Zusätzlich
haben wir auch die Maskenpflicht im Präsenzunterricht zusammen mit einem
Lüftungskonzept eingeführt. All diese Konzepte wurden im März 2020 erarbeitet
und vom Gesundheitsamt genehmigt.
Welche Auswirkungen hatten die Maßnahmen auf den Arbeitsalltag der VHS?
WAGNER: Wir haben jetzt natürlich ganz andere Abläufe,
die wir erstmalentwickeln mussten und jetzt noch optimieren. Gerade im
Kulturbereich gab es ganz praktische Probleme. Wir haben hier vor Ort zum
Beispiel kein festes Atelier. Die Kursteilnehmenden nehmen sich die Staffeleien
aus dem Lager oder tauschen Materialien normalerweise auch untereinander. Das
geht seit Corona natürlich nicht mehr. Daher musste ich mit jedem Kursleitenden
überlegen, wie wir gewährleisten, dass Materialien selbst mitgebracht oder dann
nachher desinfiziert werden. Im Bereich Musik mussten wir Kurse für Gesang und
für Blasinstrumente komplett einstellen. Nach den Empfehlungen des
Gesundheitsamtes hätten wir hier wesentlich größere Räume gebraucht und dann
noch mit Maske – das funktioniert einfach nicht.
Und wie funktioniert der Online-Unterricht aktuell im Kulturbereich?
WAGNER: Wir haben insgesamt versucht, so viel wie
möglich in den Online-Unterricht zu retten. Das hat im Kulturbereich zum
Beispiel mit den Schreibwerkstätten im Bereich meiner Kollegin gut geklappt.
Aber in der Kunst probieren wir immer noch viel aus, was geht und was nicht.
Kurse wie Urban Sketching bieten sich jetzt im Frühjahr und Sommer sehr gut an,
da sie größtenteils draußen stattfinden. Die Teilnehmenden treffen sich vorab
online, erhalten Input von den Kursleitenden zu Techniken und zum Vorgehen. Im
Anschluss gehen die sie dann alleine raus und zeichnen Szenen in der Stadt, die
in der folgenden Sitzung online wieder besprochen werden. In der Fotografie ist
es ähnlich: Einheiten mit Technik oder thematischen Besprechungen finden online
statt gefolgt von individuellen Exkursionen im Freien.
Im Musikbereich sieht das anders aus. Hier kommen bei
Online-Kursen teilweise noch Probleme bei der Tonübertragung dazu, was das
gemeinsame Musizieren erschwert. Unser Dozent für die Ukulele hat hier aus der
Not eine Tugend gemacht. Er hat im Online-Unterricht ein Thema in den Fokus
genommen, das vor Ort im Moment nicht möglich ist: Singen. Gerade wer das
Instrument neu lernt, ist noch mit den ganzen neuen Griffen beschäftigt und
manche trauen sich auch gar nicht, zu singen. Online können alle lauthals
singen beim Üben, weil sie sich stumm schalten. Und da stört es ja dann auch
niemanden – außer vielleicht die Nachbarn.
VHS-Kurse zeichnen vor allem ihre Gruppendynamik und das Miteinanderlernen
aus. Kann man diesen Aspekt überhaupt für den Online-Unterricht erhalten?
WAGNER: Durch die Hygienemaßnahmen war das leider auch
schon im Präsenzunterricht eingeschränkt. Wesentliche Aspekte unserer Kurse
sind das persönliche Treffen und der direkte Austausch untereinander. Wir haben
aber festgestellt, dass die Leute mittlerweile eher offen sind für neue,
digitale Konzepte – wahrscheinlich, weil die ganze Corona-Situation schon so
lange andauert und sie sich an den Austausch über Zoom oder Skype gewöhnt
haben. Daher haben wir auch im Musik- und Kunstbereich langsam umgestellt.
Viele sind froh, dass sie sich überhaupt treffen können.
Wie hat sich die Zahl der Kursnachfrage im vergangenen Jahr entwickelt?
WAGNER: Das lässt sich gar nicht so genau sagen. Wir
hatten das erste Halbjahr 2021 mit Präsenzkursen geplant, mussten diese dann
aber ab Januar wieder in weiten Teilen einstellen. Allerdings sind die
Anmeldungen aktuell auch sehr zaghaft. Einige Kurse mussten wir bereits
absagen, da sie aufgrund der geringen Anmeldungen gar nicht zustande gekommen
wären. Zwischen Januar und März hatte ich ursprünglich etwa 90 Kurse geplant,
etwa ein Drittel haben wir verschoben, in der Hoffnung, dass es irgendwann nach
Ostern weitergeht. Und fast ein weiteres Drittel sind Online-Kurse, entweder
bereits so geplant oder nachträglich auf online umgestellt.
Wie planen Sie für generell die Zukunft? Kann man derzeit überhaupt viel im
Voraus planen?
WAGNER: Bei den meisten Kursen in meinem Bereich muss
man von Einzelfall zu Einzelfall schauen. Nur auf Sicht zu fahren geht aber nicht.
Wir wollen unseren Teilnehmenden ja auch ein vollständiges Programm anbieten.
Unser derzeitiges Programm läuft bis in den Sommer und berücksichtigt
Alternativen, sollten diese nötig werden. Dies bedeutet oft doppelte Arbeit,
weil alles zweifach geplant und vorbereitet werden muss und ist mittlerweile
schon fast schon Routine.
Gibt es auch positive Aspekte, die durch das letzte Jahr in Gang gesetzt
wurden?
WAGNER: Auch vor Corona haben wir schon über digitale
Angebote nachgedacht und die auch teilweise umgesetzt, aber das letzte Jahr hat
den Prozess natürlich extrem beschleunigt. Ich war teilweise selbst überrascht,
was man doch alles machen kann. Schön für meinen Bereich ist ein sehr
spannendes Ausstellungsprojekt, das im letzten Jahr entstanden ist und das wir
bald in der VHS zeigen werden. Meistens organisiere ich mit Kursleitenden
zusammen Ausstellungen der Kursergebnisse, also mit Werken von Teilnehmenden
und natürlich mit einer feierlichen Eröffnung. Das war letztes Jahr nicht
möglich. Deswegen habe ich mich sehr gefreut, als mir eine Kursleiterin von
ihrem Fotografie-Projekt erzählt hat.
Worum geht es in diesem Projekt?
WAGNER: Sie hat vergangenes Jahr verschiedene Menschen
aus Frankfurt porträtiert und sie dazu interviewt, wie Corona ihren Alltag
verändert hat. Das Projekt hat sie „Corona – eine Chance?“ genannt. Da war
beispielsweise ein junger Cafébesitzer, der sein Café gerade erst aufgemacht
hatte und sich dann nach Alternativen umschauen musste. Aber er hat auch
erzählt, dass er Frankfurt und Umgebung ganz anders kennengelernt hat und viel
in der Natur unterwegs war. Derzeit ist die Fotografin noch mit der
Zusammenstellung und Konzeptionierung beschäftigt, daher planen wir die
Ausstellung im April nach Ostern zu eröffnen. Die Herausforderung bei dem
Projekt ist allerdings, dass wir keine Vernissage oder Rundgänge machen können,
bei denen nochmal mehr Menschen ins Haus kommen würden. Daher werden wir auch
hier ein wenig experimentieren und das Projekt online begleiten und
dokumentieren.
Und worauf freuen Sie sich am meisten, wenn die Maßnahmen beendet werden
können?
WAGNER: Das ist gar nicht so leicht zu beantworten
ist. Also, ich freue mich einfach für uns alle, wenn wieder mehr Orte geöffnet
sind und öffentliches Leben wieder möglich ist. Ich als Kulturfrau denke
natürlich auch an Orte der Kultur, die aktuell brachliegen. Es ist wichtig,
wieder geistige Nahrung zu bekommen und sich nicht nur mit Ängsten und
Einschränkungen zu beschäftigen. Wobei ich mich ehrlich gesagt am meisten
darauf freue, wenn die Schwimmbäder wieder offen sind. Als erstes werde ich
schwimmen gehen.
Interview: Maximilian Scharffetter
Mit ihrer „VHS im Wohnzimmer“ hat die Frankfurter Volkshochschule ein umfangreiches Alternativprogramm zu den sonst in Präsenz stattfindenden Kursen geschaffen. Auch online kann man an der VHS Sprachkenntnisse trainieren, sich beruflich weiterbilden, kreativ werden, aktuelle Themen diskutieren oder etwas für die körperliche Fitness tun. Das Angebot wird kontinuierlich erweitert und einige der Kurse und Infoveranstaltungen sind sogar entgeltfrei. Weitere Infos finden sich hier.External Link
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