„Wir mussten uns immer wieder neu erfinden!“
In der neuesten Frankfurter Corona-Geschichte berichtet Kai Günther, wie Corona die Arbeit der Kfz-Zulassungsstelle verändert hat.
Kai Günther arbeitet seit 20 Jahren in der
Zulassungsstelle für Kraftfahrzeuge am Römerhof. Wechselt ein Auto oder
Motorrad den Besitzer, führt der Weg in die Behörde am Rebstock. Möchte der
neue Eigentümer das nicht selber erledigen, übernehmen Zulassungsdienste oder
Händler diese Aufgabe, sogenannte gewerbliche Kunden. Günther leitet die
Sachrate Privatkunden. So heißt das Team, das sich um Bürger kümmert, die etwa
ein Fahrzeug auf ihren Namen anmelden möchten oder stilllegen wollen. Die
Behörde hat seit Beginn der Pandemie unterschiedliche Phasen erlebt und stand
zeitweise im Fokus öffentlicher Berichterstattung. Ein Gespräch über ein herausforderndes
Jahr und weshalb die elektronische Zulassung nur einen Teil der Probleme löst.
Herr Günther, lassen Sie uns auf die vergangenen zwölf Monate
zurückblicken. Wie haben Sie diese erlebt?
KAI GÜNTHER: Am 17. März 2020 kam der Shutdown. Das
hieß, wir hatten komplett geschlossen und lediglich einen Notbetrieb für
Privatkunden aufrechterhalten. Wem etwa sein Kennzeichen gestohlen wurde oder
Fahrzeugpapiere verloren hatte, konnte sich auch in dieser Zeit an uns wenden.
Klar war auch, dass systemrelevante Organisationen wie Rettungsdienste oder
Katastrophenschutz ihre Fahrzeuge trotz Lockdown zulassen müssen. Ab Mitte
April hatten wir angefangen, über Terminvergabe per E-Mail oder Telefon in
kleinen Schritten wieder zu öffnen. Wichtig war, nur eine gewisse Anzahl an
Menschen im Servicebereich zu haben, um Ansteckungsgefahr für Kunden und
Beschäftigte auszuschließen.
Diese Zeit war sehr herausfordernd, da wir die Termine
über Excel vergeben haben. Praktisch hieß das, die Leute riefen an oder
schickten uns eine Mail und wir schauten in der Tabelle nach, wann noch etwas
frei war. Man muss sich das so vorstellen: Bis zu 20 Leute arbeiten
gleichzeitig in einer Excel-Datei. Dieses Verfahren war natürlich sehr
umständlich und führte teilweise zu langen Wartezeiten von drei bis vier
Wochen, was auch in den Medien kritisiert wurde. Die andere Seite der Medaille
war, dass wir auf diesem Weg etwa im August wöchentlich 1000 Termine
abgearbeitet hatten, was auch die Beschäftigten an ihre Grenzen brachte. Wir
haben alle unser Bestes gegeben. Aber insgesamt war das für die Bürger und uns
eine sehr unbefriedigende Situation. Ab September wurde es dann besser.
Was brachte die Wende?
GÜNTHER: Ab dann nahm unser System zur
Online-Terminvergabe den Betrieb auf. Wer zu uns kommen will, muss seitdem
diesen Weg nutzen. Mittlerweile beträgt die Wartezeit etwa eine Woche. Manchmal
bekommt man auch am selben Tag einen Termin, wenn noch etwas offen ist. Es kann
auch passieren, dass ein Kunde nicht kommen kann und den Termin zurückgibt.
Allerdings machen das nicht alle, was zu unnötigen Wartezeiten führt. Die
Online-Terminvergabe hat unsere Leistungsfähigkeit erhöht. Mittlerweile liegen
wir bei etwa 1200 Terminen wöchentlich, die wir im Privatkundenbereich
abarbeiten.
Gleichzeitig ist es uns gelungen, die Anzahl
unerledigter Vorgänge erheblich zu reduzieren. Dazu hat sicherlich auch
beigetragen, dass wir im Sommer an einem Samstag zusätzlich gearbeitet hatten,
um den Berg abzubauen, den wir vor uns herschoben. Hinzu kommt, dass wir unsere
Prozesse effizienter und pandemiegerechter gestaltet haben, indem weniger
Kontakte mit Mitarbeitern erforderlich sind. Wer heute kommt, scannt den
QR-Code seiner Terminbestätigung ein und wird dann direkt, nahezu ohne
Wartezeit zum Schalter gerufen, wenn er dran ist. Vorprüfung und Ziehen einer
Wartenummer, so wie viele das noch kennen, sind entfallen. Dieses System gehört
sicherlich zu den Innovationen, die unter dem Druck der Pandemie entstanden
sind und diese überdauern werden.
Wie würden Sie diese Zeit im Rückblick beschreiben?
GÜNTHER: Wir mussten uns immer wieder neu erfinden.
Ich mache es an einem Beispiel deutlich: Wir konnten den Informationsschalter
nicht mehr mitten in der Wartezone belassen. Diese ließ sich nicht mehr so
nutzen wie vor der Pandemie. Es musste schnell eine Lösung her. Also haben wir
die Info in der Halle für Kraftfahrzeugvorfahrten eingerichtet, die sich bei
uns neben dem Haupthaus befindet. Vergleichbare Fälle gab es immer wieder, in
denen klar war, dass wir einen neuen Weg gehen müssen. Das System zu
Online-Terminvergabe habe ich schon genannt. Der Startschuss dazu war im Juni
gefallen und seit September läuft es zur Zufriedenheit aller.
Es war aber auch eine Zeit, in der wir mit viel
Unverständnis der Bürger konfrontiert waren. Es gab immer wieder die Frage:
„Wie kann das sein?“ Angesichts der damaligen langen Wartezeiten kann ich das
auch verstehen. Allerdings gab es auch so manche Äußerungen, die wir über uns
ergehen lassen mussten, wofür mir dann doch das Verständnis fehlt. Denn alle
Beschäftigten haben in dieser Zeit ein hohes Maß an Einsatzbereitschaft und
Engagement gezeigt.
Home-Office und E-Government sind aktuell Dauerbrenner der öffentlichen
Debatte, wenn es um eine moderne Verwaltung geht. Wo sehen Sie in Ihrem Arbeitsbereich
Anknüpfungspunkte?
GÜNTHRER: In mobilem Arbeiten steckt sicherlich ein
enormes Potenzial. Hier lohnt es zu prüfen, welche Vorgänge nicht unbedingt am
Büroschreibtisch erledigt werden müssen. Es gibt Bereiche, die das zulassen
würden. Aber im Publikumsverkehr wird es immer jemanden geben müssen, der sich
um die Kunden kümmert.
Was läuft heute bereits komplett digital?
GÜNTHER: Wir bieten elektronische Dienstleistungen an.
Neuzulassungen, Umschreibungen und Stilllegungen lassen sich über die sogenannte
internetbasierte Fahrzeugzulassung erledigen. Der Service wird allerdings nur
in sehr geringem Umfang genutzt, wobei sich mehr Leute über die Voraussetzungen
informieren. Über die Gründe für die geringe Nachfrage kann ich nur
spekulieren. Denn man muss seinen elektronischen Personalausweis aktiviert
haben oder über einen elektronischen Aufenthaltstitel verfügen. Möglicherweise
nutzen sehr wenig Leute diese Funktion. Hinzu kommt, dass Kfz-Papiere und
Kennzeichen über Sicherheitsmerkmale verfügen müssen, die es teilweise erst
seit 2018 gibt. Möglicherweise nimmt die Nutzung in der Zukunft zu.
Interview: Ulf Baier
Weitere Informationen zur internetbasierten
Kfz-Zulassung gibt es unter https://www.bmvi.de/SharedDocs/DE/Artikel/StV/Strassenverkehr/internetbasierte-fahrzeugzulassung.htmlExternal Link.