„Der Weg vom Home-Office zu uns ist kurz!“
Christian Heger und Claudia Schlick berichten, wie Corona die Arbeit im Bürgeramt verändert.
So ziemlich jede Frankfurterin und jeder Frankfurter
kennt den Service der Bürgerämter. Sich und sein Auto nach einem Umzug
ummelden, einen Personalausweis beantragen oder ein Führungszeugnis zum Vorlage
beim neuen Arbeitgeber bestellen – irgendwann wird man ihn in Anspruch nehmen.
Daher kann ein Bürgeramt seine Kundschaft – eben die Bürger – nicht auf Dauer
ausschließen. Claudia Schlick leitet diesen Teil der Stadtverwaltung mit elf
Standorten; Christian Heger arbeitet als stellvertretender Teamleiter im
Bedienbereich des Zentralen Bürgeramtes auf der Zeil. Ein Gespräch mit beiden
darüber, wie sie ihre Arbeit erleben, welche Widersprüchlichkeiten ihnen
auffallen und was von der Pandemie möglicherweise bleibt.
Die Auswirkungen der Pandemie prägen seit einem knappen Jahr unser aller
Leben. Bitte beschreiben Sie die Auswirkungen auf Ihren Arbeitsalltag.
SCHLICK: Als der erste Shutdown im vergangenen März
kam, haben wir komplett zugemacht. Bei dringenden Anliegen wurden individuelle
Lösungen gefunden. Ab dem 2. Mai haben wir schrittweise wieder geöffnet.
Seitdem kann man bei uns nur mit einem vorher gebuchten Termin vorbeikommen.
Das führt dazu, dass die Wartebereiche nicht zu voll sind und schafft so
Sicherheit. Die „Ein-Personen-Außenstellen“ in Kalbach, Harheim,
Nieder-Erlenbach und auch die Außenstelle Fechenheim sind weiterhin
geschlossen. Offen haben das Zentrale Bürgeramt, Bergen-Enkheim, Dornbusch,
Sachsenhausen, Nieder-Eschbach und Höchst. Im Sommer kommt nach dem Umbau
wieder die Nordweststadt hinzu. An diesen Standorten arbeiten etwa 200
Personen.
HEGER: Sicherheit hat bei uns absoluten Vorrang. Wir
haben OP-Masken und kürzlich auch jeweils zwei FFP2-Masken erhalten. Dann
stehen in den Publikumsbereichen Trennscheiben. Für uns ist es sehr wichtig,
dass es nicht zu voll und der Service dennoch aufrechterhalten wird. Termine
sind aktuell nur kurzfristig für die folgenden zwei Tage buchbar. Wir müssen in
dieser unwägbaren Zeit jederzeit in der Lage sein, rasch zu reagieren. Leider
ist es auch so, dass Termine bei einem längeren Vorlauf von den Leuten oft
nicht wahrgenommen werden.
Wie regeln Sie die die Betreuung Ihrer Auszubildenden?
HEGER: Normalerweise sitzen unsere Auszubildenden mit
einer erfahrenen Kollegin oder Kollegen hinter einem Bedientisch. Das ließ sich
so unter den aktuellen Einschränkungen nicht mehr machen. Und so entstand aus
der Not eine Tugend: Die Azubis rotieren in einem eigenen Bereich zwischen
verschiedenen Tätigkeiten, indem sie beispielsweise den zentralen
E-Mail-Eingang bedienen, Aufgaben im Back-Office übernehmen oder sich um die
Terminhotline kümmern. Dort arbeiten sie nach Einweisung weitgehend
selbstständig, können sich aber jederzeit Hilfe holen. Natürlich gehört die
Hospitation im Publikumsbereich weiter zur Ausbildung, aber aufgrund der
Abstandsregeln werden weniger Auszubildende gleichzeitig eingesetzt.
Welche Rolle spielt Home-Office für Sie?
SCHLICK: Fast keine, da es für die Kolleginnen und
Kollegen kaum Möglichkeiten gibt, außerhalb des Amtes zu arbeiten. Bei uns
fallen wenig Hintergrundtätigkeiten an. Diese sind dann auch für die
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter reserviert, die einer Risikogruppe angehörig,
keinen Publikumsverkehr haben dürfen, etwa Schwangere. Hinzu kommt noch etwas
anderes: Als Führungskraft möchte ich für die Kolleginnen und Kollegen da sein.
Ich wäre ein schlechtes Vorbild, ließe ich meine Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter zurück und würde meinen Job von zu Hause erledigen.
Um es ganz klar zu sagen: Wir sind Teil der kommunalen
Daseinsvorsorge und erbringen unsere Dienstleistungen für jeden, der sie
benötigt.
HEGER: Es gehört zu den Eigenschaften eines
Bedienbereiches, dass die Bürgerinnen und Bürger persönlich vorsprechen. Diesen
Service haben wir zu gewährleisten. Hinzu kommt, dass bestimmte Pass- oder
Meldeangelegenheiten sich nur erledigen lassen, indem man selber zum Amt geht.
Nicht alles ist per E-Mail oder online machbar. Allerdings fällt mir schon im
Alltag ein gewisser Widerspruch auf.
Wie meinen Sie das genau?
HEGER: Wir erleben immer wieder, dass Leute zu uns
kommen, obwohl eigentlich keine Notwendigkeit besteht. Reisepässe sind ein
gutes Beispiel. Wir haben schon den Eindruck, dass die Flexibilität der
aktuellen Arbeitssituation die Leute auf die Idee bringt, jetzt endlich mal
einen Reisepass zu beantragen, obwohl man nirgendwo hinfliegen kann.
Personalausweise, die durchaus noch eine Zeit lang gelten und bereits jetzt neu
beantragt werden, sind ein ähnliches Beispiel. Der Weg vom Home-Office ins
Bürgeramt scheint kurz.
Das meine ich mit Widerspruch. Da werden die Leute ins
Home-Office geschickt, um Kontakte zu reduzieren. Und was machen sie? Sie
kommen zu uns und praktizieren das Gegenteil von Kontaktvermeidung. Darin liegt
eine gewisse Widersprüchlichkeit. Ich hätte allerdings ein schlechtes Gefühl,
die Leute zu ermahnen, wenn sie als Kunde vor mir sitzen.
SCHLICK: Alleine in der letzten Woche haben wir rund
6000 Terminkunden bedient. Und doch übersteigt momentan die Nachfrage das
Angebot.
Das ist eine ganze Menge. Ist wirklich immer ein persönlicher Besuch nötig?
SCHLICK: Wir würden – ganz besonders während des
aktuellen Lockdowns – gerne mehr Dienstleistungen online oder postalisch
erledigen. Doch leider dürfen wir von formalen Anforderungen, die in „normalen
Zeiten“ ihre Berechtigung haben mögen, nicht abweichen.
Wer umzieht und sich ummelden will, muss weiter
persönlich erscheinen. Das geht noch nicht per Internet oder schriftlich.
Ausweise und Reisepässe dürfen wir nur verschicken, wenn sichergestellt ist,
dass sie persönlich in Empfang genommen werden. Wenn man nicht weiß, ob man zu
Hause ist, wenn die Post kommt, geht man doch lieber zum Amt. Das liegt nicht
an uns, sondern an Vorschriften des Bundes.
Das provoziert die Frage nach E-Government.
HEGER: Immer mehr Dienstleistungen finden durchaus den
Weg ins Digitale. Melderegisterauskünfte können online erteilt werden. Auch ist
es jetzt möglich, eine Meldebescheinigung online zu beantragen und zu bezahlen.
Wir schicken sie dann an die genannte Adresse. Aber viele Abläufe lassen sich
nur dann ändern, wenn Berlin sich dazu entschließt. Denn das Meldewesen,
Ausweise und Pässe sind Bundesrecht.
Das sieht nach einem Entwicklungsschub aus, den Corona beschleunigt hat.
Welche durch die Pandemie bedingten Veränderungen sehen Sie in Ihrem
Arbeitsbereich, die auch nach Covid Bestand haben dürften?
SCHLICK: Das Azubi-Projekt. Denn es profitieren alle
Beteiligten. Die Auszubildenden arbeiten selbstständig an verschiedenen
Aufgaben. Das schafft Motivation und zugleich entlasten sie andere Mitarbeiter.
Wir bekommen sehr gute Rückmeldungen von allen Beteiligten, einschließlich
unserer Kundinnen und Kunden.
HEGER: Sinnvoll wäre es sicherlich, weiterhin
Kundenverkehr nur nach Terminvergabe zuzulassen. Das reduziert Wartezeiten,
verringert Bearbeitungsspitzen und schafft mehr Planbarkeit. Hiervon
profitieren die Bürgerinnen und Bürger sowie wir Beschäftigten zugleich. Wir
bekommen dazu ganz viele positive Rückmeldungen. Andere Kommunen praktizieren
dieses Prinzip bereits erfolgreich.
Text: Ulf Baier