„Wir kämpfen gemeinsam für das Licht am Ende des Tunnels“
Ein Gespräch mit Christian Köhn, dem Leiter der Notaufnahme des Katharinen-Krankenhauses.
Christian Köhn leitet als Oberarzt am St.
Katharinen-Krankenhaus in Bornheim die Notaufnahme und ist für die Intermediate
Care Station zuständig. Die Folgen von Covid-19 sind für ihn seit Monaten
allgegenwärtig. Ein Gespräch über die Auswirkungen der Pandemie auf ihn und den
Alltag des Klinikteams.
Herr Köhn, beschreiben Sie kurz die aktuelle Situation in der Klinik?
Köhn: Wir sehen, dass Covid nicht mehr eindeutig
klassisch ist. Das heißt: Im Frühjahr sind mehr Menschen allein wegen
Covid-Verdachtes zu uns gekommen. Mittlerweile stellen wir fest, dass zunehmend
Patienten, die sich wegen anderer Erkrankungen vorstellen, mit dem neuartigen
Corona-Virus infiziert sind, ohne es gemerkt zu haben, also asymptomatisch
sind. Hier kann Ansteckungsgefahr bestehen.
Zugleich merken wir: Die zweite Welle ist angekommen!
Es gab Mitte Oktober so eine Art Vorbeben und am Ende des Monates war es so,
also ob jemand den Schalter umgelegt hätte. Mittlerweile haben wir viele
Menschen, die Sauerstoff brauchen. Auch wenn viele nach einigen Tagen wieder
nach Hause können, müssen wir sie für diese Zeit im Krankenhaus betreuen. Die
exponentielle Entwicklung zeichnet sich ganz klar ab. Auch wenn es Tage mit
weniger Fällen gibt, können wir praktisch nicht mehr durchschnaufen.
Wie wirkt sich Corona insgesamt auf den Klinikalltag aus?
Wir spüren eine deutliche Mehrbelastung, was nicht nur
an den Covid-Patienten liegt. Unsere gesamte Arbeit hat sich aufgrund der
geänderten Hygiene-Vorgaben geändert. Denn der Infektionsschutz steht über
allem, was sich auf alle Abläufe auswirkt. Das heißt: Wir brauchen mehr Zeit
für unsere Arbeit, was wiederum bedeutet, die Pflege kann nicht mehr so viele
Leute versorgen wie vorher. Zusätzlich arbeiten mehr Leute im Hygienebereich,
was sich auch auf die Gesamtbelastung auswirkt. Ich mache es mal praktisch: Wo
früher jemand das als Teil seiner Aufgaben miterledigen konnte, muss ich jetzt
eine Person dauerhaft einplanen.
Hinzu kommt, dass Covid nicht mehr das eine Gesicht
hat, da wir tagtäglich über die Erkrankung und ihre Symptome dazu lernen. Man
kann das Virus nicht so einfach durchschauen. Denn es äußert sich auch auf
anderen Wegen als wir es zunächst im Frühjahr für möglich hielten. Es ist eben
mehr als eine Atemwegserkrankung. Für uns Ärzte heißt das aktuell, bei deutlich
mehr Symptomen an Covid zudenken, was es wiederum schwieriger macht.
Wie beurteilt der Mediziner die Einschränkungen durch den Lockdown?
So schwer die Entscheidung auch war, wir mussten die
Welle abbremsen, da sich einige Leute nicht entsprechend verhielten. Ich habe
es hier praktisch im Notarzteinsatz erlebt, dass die Leute nachts in Bars und
anderen Orten eng aufeinanderhingen ohne die Hygienevorgaben einzuhalten. Ich
hoffe allerdings, dass sich die Partys sich jetzt nicht unkontrolliert in
Privaträume verlagern. Denn es gibt eindeutig ein Risiko für junge Leute. Wir
müssen immer wieder Patienten unter 35 Jahren beatmen.
Natürlich gibt es auch eine andere Seite, die Sorge
bereitet. Wir erleben immer wieder Menschen, die mit den gesundheitlichen
Folgen von Existenzängsten zu uns kommen etwa, weil ihnen der Blutdruck
entgleist. Auch sehen wir mehr Auswirkungen häuslicher Gewalt und bei
bestimmten Patienten ein erhöhtes Aggressionspotenzial. Dennoch müssen diese
allgemeinen Maßnahmen sein, auch wenn man sich im Nachhinein darüber
unterhalten kann, ob jeder einzelne Schritt im Detail richtig war.
Mit welchen Worten lässt sich Ihre aktuelle Verfassung und die des
Krankenhaus-Teams am besten beschreiben?
Wir wissen, dass die Lage angespannt ist. Aber die
Stimmung ist eindeutig: „Wir wollen das machen und wir kämpfen gemeinsam für
das Licht am Ende des Tunnels!“ Für mich persönlich als Arzt war es eine ganz
klare Entscheidung bei der Berufswahl, dass man sich solchen Situationen zu
stellen hat.
Interview: Ulf Baier
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