„Ein Teil dieser Arbeitsformen wird Corona sicherlich überdauern“
Wie eine Abteilung im Straßenverkehrsamt ihre Arbeit pandemiegerecht organisiert
Dorothee Allekotte leitet im Straßenverkehrsamt die Abteilung
Verkehrsangelegenheiten. Wer in Frankfurt eine Baustelle einrichtet, kommt an
dem Sachgebiet Verkehrsregelung nicht vorbei. Es ordnet an und kontrolliert, wo
zusätzliche Schilder und geänderte Fahrbahnmarkierungen nötig sind. Zu ihrer
Abteilung gehören noch die Sachgebiete Verkehrsplanung und -konzeption,
Lichtsignalanlagenplanung, Ausnahmegenehmigungen/Erlaubnisse/Abschleppungen und
das Radfahrbüro. Ein Gespräch mit der Diplom-Geographin über Home-Office in der
Verwaltung und Arbeitsorganisation unter Corona-Bedingungen.
Frau Allekotte, beschreiben Sie bitte die Entwicklung seit dem ersten
Shutdown im Frühjahr 2020.
ALLEKOTTE: Ab März hatten wir die Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter großzügig freigestellt und nach Hause geschickt. Ein Teil verfügte
über Telearbeitsplätze und konnte problemlos weiterarbeiten. Wir ordnen im Jahr
etwa 7000 Baustellen an. Vieles davon ist zeitkritisch, weshalb klar war, dass
es weitergehen muss. Schrittweise holten wir die Mitarbeiter zurück, als sich
die Lage im Frühjahr entspannte. Seit Oktober arbeiten wieder mehr
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von zu Hause aus, weshalb wir auf eine
Home-Office-Quote von 61 Prozent kommen. Ein Teil greift mit bereits seit
einiger Zeit eingerichteten Rechnern von der Wohnung auf unsere Systeme zu.
Andere nutzen die kürzlich beschafften Laptops, die mehrere Kolleginnen und
Kollegen abwechselnd mitnehmen. Hier ist der Markt der limitierende Faktor, da
die Geräte aktuell sehr schwer zu beschaffen sind.
Verwaltungen gelten auch als lernende Organisationen. Wie hat sich das bei
Ihnen bemerkbar gemacht?
ALLEKOTTE: Wenn unsere Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter Beschilderungen oder Fahrbahnmarkierungen anordnen, dann benötigt
die Verfügung eine Original-Unterschrift. Zuerst hatten wir probiert, das per
E-Mail zu organisieren. Die Mitarbeiter schickten ihre Vorgänge ins Amt, die
Kollegen dort druckten diese aus und unterschrieben vertretungshalber. Doch das
war mengenmäßig von den Kolleginnen und Kollegen im Büro nicht zu leisten.
Daher haben wir die Abläufe umorganisiert. Zu den Aufgaben meiner
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gehört es auch, die Baustellen zu
kontrollieren und zu überprüfen, ob und wie die Firmen unsere Anordnungen
umsetzen. Jetzt kommen sie nach diesen Außenterminen kurz ins Amt und drucken
die Vorgänge aus, die sie unterschreiben müssen. So lässt sich auch steuern,
dass nicht zu viel Personen zeitgleich im Haus sind.
Persönliche Vorsprachen gibt es bei uns nur noch nach
Terminvereinbarung. Vieles lässt sich per E-Mail, Telefon- oder Videokonferenz
erledigen. Durch die Möglichkeit, den Bildschirminhalt mit anderen zu teilen,
lassen sich während solcher Besprechungen - extern und intern - Karten und
Pläne gemeinsam betrachten. Damit ist dann klar, welche Fahrspur gemeint ist,
wenn wir darüber sprechen, dass eine Fahrspur für die Zeit der Bauarbeiten
weggenommen werden soll. Auch können wir auf 360-Grad-Rundumaufnahmen
zurückgreifen. Das erspart so manche gemeinsame Ortsbegehung und reduziert die
Zahl der persönlichen Kontakte. Ein Teil dieser Arbeitsformen wird sicherlich
Corona überdauern.
Wie sind Ihre bisherigen Erfahrungen mit der Arbeit von zu Hause?
ALLEKOTTE: Sie sind sehr gut. Ich habe die Erfahrung
gemacht, dass man besser und bewusster miteinander redet. Auch lassen sich Wege
vermeiden. Sicherlich fehlt die Spontaneität über die Distanz und die
Gemeinsamkeit, etwa beim Essen. Allerdings kommt es bei den Mitarbeitern auf
die Situation zu Hause an. Wenn der Partner auch noch im Home-Office ist und es
Kinder mit Home-Schooling gibt, verstehe ich, dass man das nicht als
Dauerlösung haben will. Oder wenn sich in einer kleinen Wohnung zwei Leute den
Küchentisch als Arbeitsplatz teilen. Durch die Nutzung von Homeoffice bekommen
wir bei uns pandemiegerechte Lösungen hin, mit einem kleinen Anteil von Leuten,
der im Gebäude ist. Die räumliche Situation ist entsprechend großzügig, dass
Abstände gewahrt werden können. Und gemeinsames Zusammensitzen in der
Kaffeeküche muss leider ausfallen.
Wichtig ist, dass die Kolleginnen und Kollegen, die im
Homeoffice sind, das Gefühl haben, „mitgenommen zu werden“. Um auch in der
Adventszeit mit den Kolleginnen und Kollegen im Homeoffice in Kontakt zu
bleiben, haben wir einen virtuellen Adventskalender erstellt. Das funktionierte
so: An jedem Tag gab es eine Mail mit einem Rezept, einem Weihnachtsrätsel oder
anderen Nettigkeiten. Das kam sehr gut bei den Mitarbeiterinnen und
Mitarbeitern an. Es ist aktuell einfach viel Kreativität gefordert, um den
Verlust an Nähe auszugleichen.
Wie hat sich die Arbeitslast bei Ihnen während der Pandemie entwickelt?
ALLEKOTTE: Der Arbeitsanfall ist auf keinen Fall
weniger geworden, denn gebaut wird weiterhin. Wenn es bei Arbeiten mal zu
Pausen kommt, die den Bürgern auffallen, liegt es eher daran, dass vielleicht
Material fehlt und es nicht weitergehen kann. Ein anderer Teil meines Teams
kümmert sich um die Ampelanlagen. In Frankfurt haben wir davon 850. Auch die
wollen weiter gewartet und betreut werden.
Im Radfahrbüro haben wir aufgrund der Vereinbarung mit
dem Radentscheid das Team verdoppelt. Es hat genug zu tun, gerade auch aufgrund
der Erwartungen der Politik. Hinzu kommt, dass in Corona-Zeiten mehr Leute auf
das Fahrrad umgestiegen sind. Dann bereiten wir die Ausweitung der
Parkraumbewirtschaftung in den bereits ausgewiesenen Gebieten vor, die
sukzessive erfolgt. Hier handelt es sich um eine Konsequenz aus den Klagen
gegen die Stickstoffdioxid-Belastung, die erfolgen muss und daher nicht warten
kann.
Wenn Sie einen Wunsch angesichts der aktuellen Situation frei hätten, wie
würde er lauten?
ALLEKOTTE: Das ist schwer zu sagen, schließlich sind
alle in der aktuellen Situation Getriebene. Man hätte sicherlich in bestimmten
Situationen gerne etwas mehr Vorlauf. ‚Mach doch mal‘ geht aktuell nicht so
einfach, gerade wenn man auf weitere Partner angewiesen ist.
Interview: Ulf Baier