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Keine Bühne für Antisemitismus

25.05.2023, 13:07 Uhr

Die Diskussionsrunde mit Moderatorin Eva-Maria Nagel © Rafael Herlich

Diskussion in der Paulskirche über den Umgang mit dem Roger-Waters-Konzert

Es ist der Veranstaltungsort, der den Auftritt von Roger Waters in Frankfurt von den Konzerten in anderen Städten unterscheidet. Das wurde bei der Diskussion am Mittwochabend, 24. Mai, in der Paulskirche deutlich. „Das Konzert wäre auch an einem anderen Ort unerträglich, aber hier kommt die Historie der Festhalle dazu“, sagte die Journalistin Esther Schapira. Diese Historie stand im Mittelpunkt des Abends „Antisemitismus als Meinungsfreiheit? Nicht mit uns“.

 „Die Festhalle ist ein Ort der Schoah. 3000 jüdische Männer wurden während der Novemberpogrome dort inhaftiert, misshandelt und deportiert“, sagte Bürgermeisterin Nargess Eskandari-Grünberg vor 250 Gästen. „Das Konzert von Roger Waters ist ein Affront gegen die Erinnerung an das grauenhafte Leid, dass diese Menschen erfahren mussten.“

Was damals in der Festhalle geschah, machte der Film „Julius Meyer, November 1938” von Heiko Arendt auf eindrucksvolle Weise deutlich. In dem 26-minütigen Dokumentarfilm berichtet der Rechtsanwalt Julius Meyer von den Misshandlungen und Beleidigungen, die er mit den anderen jüdischen Männern in der Festhalle erdulden musste. Unter anderem mussten sie wie Würmer auf dem Boden kriechen. Später wurde Meyer ins KZ Buchenwald gebracht, nach seiner Freilassung floh er nach England.  Seine 1940 verfassten Aufzeichnungen sind Grundlage des Films.

„Solche Filme sollten in den Schulen öfter gezeigt werden“, machte Eskandari-Grünberg deutlich. Es sei unerträglich, dass an einem Ort wie der Festhalle ein Künstler wie Roger Waters auftreten könne, der antisemitische Verschwörungstheorien verbreite.  „Wir müssen aus diesem Debakel lernen. Wir müssen Wege finden, wie wir in Zukunft solche Veranstaltungen verhindern können. Indem wir uns selbst Maßgaben setzen bei der Buchung von Veranstaltung oder als Vertragsklausel. Die Möglichkeiten sind lange nicht ausgeschöpft.“

Das machte auch Marc Grünbaum von der Jüdischen Gemeinde deutlich. Er wies darauf hin, dass „auf der Website der Messe Frankfurt kein Hinweis auf die Historie der Festhalle zu finden ist. Die Messe muss sich darüber bewusst sein, welchen Ort sie verwaltet.“ Dass Roger Waters dort am 28. Mai spiele, sei „kein Unfall“. So stehe eine Woche danach ein Konzert der von Rechtsradikalen verehrten Band Freiwild auf dem Programm.

In der von Eva-Maria Magel von der Frankfurter Allgemeinen Zeitung moderierten Diskussion suchten Grünbaum, Schapira, der Publizist Monty Ott sowie Kurt Grünberg vom Sigmund-Freud-Institut nach Wegen wie dem Antisemitismus von heute begegnet werden kann. „Hinter der oberflächlichen Haltung kommt oft eine Leerstelle, was Anti-Antisemitismus bedeutet“, sagte Ott. „Es bedeutet viel Arbeit und ist oft schmerzhaft.“ Auf die Grenzen der Meinungsfreiheit wies Grünberg hin. „Wir müssen darauf achten, dass sie die Würde des Menschen nicht antastet. Es kann nicht sein, dass Gerichte erst dann eingreifen, wenn von ‚Drecksjuden‘ geredet wird.“

Ohne eine klare Haltung der Zivilgesellschaft sei der Kampf gegen Antisemitismus nicht zu gewinnen, betonte Schapira. „Wer schweigt, stimmt zu.“ Eskandari-Grünberg bekräftigte: „Die ganze Gesellschaft muss solidarisch sein. Gegen Antisemitismus, gegen den Hass. Und das bedeutet auch, dass wir antisemitischen Künstlern keine Bühne geben.“

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