Trendwende auf dem Immobilienmarkt: Marktabschwächung im zweiten Halbjahr
25.01.2023, 14:35 Uhr
Der Gutachterausschuss für Immobilienwerte für den Bereich der Stadt
Frankfurt am Main hat während einer Pressekonferenz am Mittwoch, 25. Januar,
gemeinsam mit Planungsdezernent Mike Josef die wichtigsten Entwicklungen auf
dem Frankfurter Immobilienmarkt im Jahr 2022 vorgestellt.
Der Immobilienmarkt zeigte sich im vergangenen Jahr sehr uneinheitlich. Im
ersten Halbjahr war in vielen Teilmärkten noch ein Preisanstieg zu verzeichnen,
im zweiten Sechsmonatszeitraum drehte sich die Entwicklung und die Preise waren
rückläufig. Ursachen für diese Trendwende sind vor allem die Verunsicherung
durch den Ukraine-Krieg, die Baukostensteigerung sowie der Anstieg der Baukreditzinsen
um ein Vierfaches innerhalb eines Jahres. Hinzu kommt noch der Einfluss einer
hohen Inflation, welche sowohl preiserhöhende wie auch preissenkende Elemente
enthält.
Eine übliche Inflation zieht zumeist eine wesentliche Lohnsteigerung hinter
sich her. Eine Erhöhung des Arbeitslohnes schafft normalerweise Spielraum für
eine mögliche höhere Zinsbelastung und somit gestiegene Preise. Dieser Effekt
ist im Augenblick noch nicht feststellbar, weil höhere Löhne durch stark
erhöhte Lebensmittelpreise, explodierende Heizkosten und anderes bereits
aufgebraucht sind.
Unvorhersehbare negative und positive Einflüsse wie die Zinsentwicklung oder
Baukostensteigerung machen sich erst nach zwei bis drei Monaten bemerkbar. Oft
wird auf den bisherigen Marktgegebenheiten noch zu Ende verhandelt und eine
entsprechende Beurkundung erst im Anschluss vereinbart.
„Über die Preisberuhigung des Immobilienmarktes bin ich zwar erfreut,
allerdings beobachte ich die Ursachen und die Auswirkungen mit Sorge. Viele
Investoren beenden zwar ihre Projekte, die stark gestiegenen Baukosten und die
gestiegenen Kreditzinsen machen Anpassungen der städtischen Förderbedingungen
notwendig. Wir müssen stark aus dieser schwierigen Situation herauskommen,
deshalb begrüße ich den gestrigen Beschluss des Planungsausschusses zum neuen
Stadtteil. Wir arbeiten also weiterhin an der Ausweisung von Bauland und an
verbesserten Förderbedingungen insbesondere für den Bau bezahlbarer Wohnungen.
Mit der Überarbeitung der Richtlinien für den geförderten Wohnungsbau geht eine
Verdoppelung der Mittel auf 120 Millionen Euro einher“, sagt Stadtrat Josef.
Diese derzeit gehemmte Bautätigkeit zeigt sich allerdings nicht nur in
Frankfurt, sondern auch bundesweit. So wurden in 2022 von dem Bau der
beabsichtigten 400.000 Wohneinheiten lediglich rund 250.000 Einheiten
realisiert.
Da sich der Immobilienmarkt 2022 uneinheitlich gestaltete, ist es bei den
Preisen sinnvoll, das erste und das zweite Halbjahr getrennt zu betrachten.
Bei allen Eigentumswohnungen im Bestand war im zweiten Halbjahr 2022 gegenüber
2021 ein Preisrückgang zwischen 1,2 Prozent und 4,1 Prozent zu verzeichnen.
Diese neue Marktlage zeigt sich nicht nur im Preisrückgang, sondern auch im
Umsatzrückgang von rund 25 Prozent.
Altbauwohnungen mit Baujahr vor 1950 erzielten in innenstadtnahen Lagen rund
6800 Euro pro Quadratmer Wohnfläche. In dieser Baualtersgruppe lagen die Preise
im Nord- und Ostend bei 7400 Euro pro Quadratmeter, im Gallus und
Gutleutviertel bei 7780 Euro pro Quadratmeter und im Westend bei 9280 Euro pro
Quadratmeter. Neubauwohnungen wurden im Schnitt mit 8280 Euro pro Quadratmeter
gehandelt und liegen im Jahresdurchschnitt um 0,4 Prozent oberhalb des
Vorjahreswertes.
Neue Eigentumswohnungen erzielten im Riederwald aufgrund der Nähe zur
EZB, in Kalbach sowie im Nord- und Ostend durchschnittlich Preise über 10.000
Euro Quadratemeter. Im Westend wurde keine größere Anzahl von neuen
Eigentumswohnungen angeboten. Der Umsatz ging bei den Wohnhochhäusern mit minus
60 Prozent stärker zurück als in den anderen Teilbereichen. Der Preis für
Hochhauswohnungen lag 2022 bei rund 13.000 Euro pro Quadratmeter. Investoren
sind gerade bei Hochhauswohnungen wegen den derzeit nicht kalkulierbaren
Risiken vorsichtig, neue Investitionen zu beginnen. Erstmals gingen auch die
Verkaufszahlen bei den Preisklassen oberhalb von 10.000 Euro pro Quadratmeter
zurück.
Vor allem die Preissteigerungen der Vorjahre und die gestiegenen Kreditzinsen
sorgen dafür, dass die bezahlbaren Wohnungen von Jahr zu Jahr in der Größe
schrumpfen. 2010 lag die mittlere Wohnungsgröße einer neuen Eigentumswohnung
noch bei 97 Quadratmeter, 2021 bei 74 Quadratmeter und 2022 nur noch bei
65 Quadratmeter. Dies sorgt dafür, dass die Quadratmeterpreise in den
vergangenen zwölf Jahren um 180 Prozent gestiegen sind, die absoluten Preise
allerdings um verleichsweise geringere 87 Prozent.
Ein Umsatzrückgang zeigt sich auch bei den Verkäufen von Eigenheimen und
Mehrfamilienhäusern. Besonders auffallend ist der Rückgang der Fallzahlen bei
Eigenheimen um rund 25 Prozent. Hauptursache hierfür dürfte in der
Vervierfachung der Kreditzinsen im vergangenem Jahr liegen. Die Preise von
Reihenmittelhäusern der Baujahre 1978 bis zu den Neubauten gingen um 10 bis 15
Prozent zurück. Die Baujahre bis 1977 verzeichneten aber weiterhin eine
Preissteigerung bis zu rd. 26 Prozent. Einer der Gründe liegt darin, dass diese
alten Gebäude mit den niedrigeren Preisen noch finanzierbar waren.
Auch bei den Gewerbeimmobilien gingen die Verkaufszahlen im zweiten Halbjahr
2022 zurück, der Umsatz sank im Zwölfmonatszeitraum gegenüber dem Vorjahr sogar
um rund 50 Prozent. Dieser große Umsatzrückgang liegt vor allem an dem Fehlen
von Großtransaktionen und Portfolioverkäufen. Da die Verhandlungen beim Verkauf
von Gewerbeimmobilien oft noch langfristiger sind als bei Wohnimmobilien, kann
der Preisrückgang durch Verkaufszahlen noch nicht exakt belegt werden.
Die aktuellen Kreditzinsen und Baukosten führen zu einem Preisdruck sowohl bei
den Kaufpreisen, als auch auf die Miethöhen. Diese Spirale sorgt dafür, dass
auch die bisherigen Bodenpreise hinterfragt werden. Der Gutachterausschuss
sieht für die Wohnbauflächen im Jahr 2022 eine Stagnation der Bodenpreise. Bei
einigen Büro- und Einzelhandelsstandorten ist ein Rückgang der Bodenpreise
bereits feststellbar.
Der Immobilienmarktbericht Frankfurt am Main 2022 steht auf der Seite ImmobilienmarktberichtInternal Link als Download zur Verfügung.